Der Germanist und Literaturwissenschaftler Mario Andreotti hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht. Seine neueste Arbeit widmet sich der Schöpfungsgeschichte.
Wenn Mario Andreotti ein Gedanke kommt, muss er ihn aufschreiben, egal wie spät es ist. «Manchmal wache ich mitten in der Nacht auf, nehme meinen Text zur Hand und überarbeite ihn», sagt der 75-Jährige. Dann liest er die Zeilen wieder und wieder, schreibt Passagen um und ersetzt Worte. «Ein Text ist nie fertig. Ich bin nie restlos damit zufrieden.» Andreotti weiss, wovon er spricht. Der studierte Germanist und Historiker hat bereits mehrere Bücher verfasst, 1983 etwa «Die Struktur der modernen Literatur». Das Buch erscheint bereits in der 6. Auflage. Andreotti ist unter anderem Jury-Mitglied des Bodensee-Literaturpreises, war während 28 Jahren Fachreferent für die Fortbildung der Lehrkräfte an höheren Schulen und dürfte vielen St. Gallerinnen und St. Gallern als langjähriger Gymnasiallehrer an der Kantonsschule am Burggraben sowie als Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen ein Begriff sein. Nun hat er sein neuestes Werk vollendet: Mario Andreotti schrieb die Texte für den Schöpfungsgottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche in St. Gallen. Der St. Galler Komponist und Dirigent Erich Schneuwly hat die Schöpfung «Die 7 Tage» für Sologeige, zwei Flöten, Streichorchester und Orgel komponiert. Schneuwly hat in der Vergangenheit nebst Messen auch Kompositionen mit religiösen Texten und über 100 Lieder aus dem Gesangsbuch der katholischen Kirchen orchestriert.
«Wir brauchen die Natur»
Gemeinsam mit seiner Frau Katalin wohnt Mario Andreotti in Eggersriet. In ihrem Garten spriessen die Blumen und der Feigenbaum trägt erste Früchte. Auf dem akkurat geschnittenen Rasen tollt ein schwarzes Fellknäuel umher – der kleine Entlebucher Sennenhund ist seit Kurzem Mitglied der Familie und hält das Ehepaar «ganz schön auf Trab». Mario Andreotti blickt auf die Szenerie. «Wir müssen endlich einsehen, dass wir die Natur brauchen. Stattdessen schicken wir uns an, sie zu zerstören», sagt der Vater von drei erwachsenen Kindern. «Wir müssen uns immer wieder klarmachen, dass diese Welt nicht uns, sondern dem Schöpfer gehört. Wir müssen Sorge tragen zu ihr.» Er nimmt die Kirche in die Pflicht: Diese habe eine besondere Verantwortung in Bezug auf die Bewahrung der Schöpfung, nehme diese Verantwortung allerdings nicht genügend wahr. «Das Problem der Kirche ist ihre Sprache.» Andreotti würde sich wünschen, dass die Bedeutung religiöser Texte öfter hinterfragt und auf die junge Generation und die heutige Zeit angepasst wird. «Die Frage ist doch: Wie kann ich die Jungen erreichen? Das geht nur über die Sprache. Die Kirche vermag diese Brücke nicht zu schlagen.»
Von Lehrern geprägt
Mario Andreotti ist zweisprachig aufgewachsen, der Vater war Tessiner, die Mutter stammte aus dem Kanton Glarus. Wo die tiefe Liebe zur deutschen Sprache herkommt, möchte man wissen. Andreotti klärt auf: «Ich hatte grosses Glück und einen hervorragenden Deutsch- und Lateinlehrer. Er hat mich stark beeinflusst.» Auch an seinen Religionslehrer erinnert er sich gut und gerne zurück. «Ein sehr guter Theologe» sei er gewesen. Germanistik und Theologie – für Andreotti zwei Themen, die sein Leben seit Kindesbeinen an begleiten und prägen: «Für mich als Germanisten ist es wichtig, die religiösen Zusammenhänge zu sehen und mich mit der Glaubensfrage zu beschäftigen.»
Text: Alessia Pagani
Bild: Ana Kontoulis
Veröffentlichung: 1. September 2023