Es gibt auch gute Nachrichten bezüglich Foodwaste: Mit Chats und Apps kann heute jeder Einzelne helfen, Obst und Gemüse sowie Mahlzeiten vor der Mülltonne zu retten. So kann «Erntedank» ganz konkret gelebt werden.
Kirschen: zu klein für Handel, Eier: zu kleines Kaliber, Blaubeeren: Retouren, Bananen: zu gelb für Handel», so liest sich die aktuelle Mängelliste, die Ivo Streiff (52) von «Foodchat.ch» jeweils seinen Kunden in Gais, Herisau oder St. Gallen schickt. «Wir verkaufen Gemüse und Früchte mit Mängeln oder aus Überproduktion und vermeiden so, dass tonnenweise Lebensmittel im Abfall landen.» Der Jurist und ehemalige Versicherungsmanager hat seine Geschäftsidee bei einem Glas Wein mit einem guten Freund und Lebensmittelhändler entwickelt. «Er hat mir an jenem Abend erzählt, dass er zwei Tonnen beste Trauben wegschmeissen müsse. Ich habe dann kurzerhand einen Gruppenchat für das ganze Dorf organisiert, um die Früchte an verschiedene Abnehmer auszuliefern.»
Obst und Gemüse mit Handicap
Die Geschichte mit den Trauben ist leider kein Einzelfall. Oft wird einwandfreies Gemüse und Obst weggeworfen, nur weil es nicht der Optik entspricht oder überschüssig produziert wurde. Laut Medienmitteilung des Bundesrates wird fast ein Drittel der für den Schweizer Konsum produzierten Lebensmittel verschwendet oder unnötig weggeworfen. Dies entspricht rund 330 Kilogramm Abfall pro Kopf und Jahr. Mit dem nachhaltigen Geschäftsmodell konnte «Foodchat» im letzten Jahr 300 Tonnen Frischprodukte retten. Interessierte können sich auf der Website für den Gruppen-Chat registrieren. Streiff informiert sie dann über die aktuellen Angebote, inklusive Herkunft, Preis und «Handicap». Mittlerweile bedient der Thurgauer 20 Standorte in der Ostschweiz und stösst allmählich an seine Kapazitätsgrenzen. «Ich bin Montag bis Freitag unterwegs und verkaufe die Frischprodukte über die Rampe meines Lieferwagens und abends fülle ich das Lager mit neuen Produkten auf, die palettenweise angeliefert werden». Nun steht der nächste Schritt an: «Ich werde eine zusätzliche Person anstellen und einen grösseren Lieferwagen anschaffen.» Der Erfolg seiner dreijährigen Firma ist auch auf seiner Whatsapp-Liste offensichtlich: «Ich habe mittlerweile 10 000 Kontakte.»
Mahlzeiten retten
Im April 2022 hat der Bundesrat einen Aktionsplan verabschiedet mit dem Ziel, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 im Vergleich zu 2017 zu halbieren. Er richtet sich an alle Unternehmen und Organisationen der Lebensmittelbranche sowie an Bund, Kantone und Gemeinden. Eine von vielen Akteuren ist die weltweite Organisation «Too Good to Go». Mit Hilfe dieser App können unverkaufte Lebensmittel von Geschäften und Restaurants vor dem Wegwerfen verschont werden. Die App ist seit 2018 in der Schweiz aktiv und entwickelte sich in kürzester Zeit zur bekanntesten Marke im Kampf gegen Foodwaste. Laut Unternehmen zählt sie über 2 Millionen User*innen in der Schweiz und arbeitet mit mehr als 7100 Partnerbetrieben zusammen, darunter auch Migros und Coop. In den vergangen fünf Jahren konnten bereits über acht Millionen «Mahlzeitenpäckli» gerettet werden.
Bewusst einkaufen
Was kann ich als einzelner schon bewegen? Eigentlich sehr viel! Mit rund einem Drittel Anteil am Foodwaste gehört der Endkonsument zu den Hauptverursachern. Es liegt letztlich in der Verantwortung jedes einzelnen Haushalts, einen umsichtigen Umgang mit unseren Lebensmitteln zu pflegen. Bewusst einkaufen lohnt sich für die Umwelt sowie das Haushaltsbudget. Und manchmal geht es sogar fast ganz gratis: Lässt die Nachbarin an ihren Sträuchern oder Bäumen das Obst oder das Gemüse verderben? Warum frage ich sie nicht, ob ich das für sie übernehmen und das Geerntete verwenden darf?
Herbstzeit ist Erntezeit – in den Pfarreien wird Erntedank gefeiert und die ökumenische Aktion «Schöpfungszeit» sensibilisiert für Schöpfungsverantwortung – der ideale Zeitpunkt, um Apps gegen Foodwaste zu installieren oder das Einkaufsverhalten unter die Lupe zu nehmen. Tipps von WWF gegen Foodwaste:
– bewusst Gemüse und Obst kaufen, das nicht perfekt ist: z. B. eine App installieren, die unperfektes Gemüse und Obst verkauft
– Unnötige Einkäufe vermeiden = Blick in Kühlschrank vor dem Einkaufen
– Einkäufe planen: Menüplan und Einkaufsliste erstellen
– Frisches kaufen: Lieber häufiger, dafür gezielter einkaufen
– Verfalldatum hinterfragen: Zuerst testen, ob abgelaufene Produkte wirklich nicht mehr geniessbar sind
Text: Katja Hongler
Bild: pixabay.com
Veröffentlicht: 11. September 2023