Das kleine blaue Kirchengesangbuch wird bis 2027 durch ein schlankeres Gesangbuch und digitale Inhalte ersetzt. Die Arbeiten laufen auf Hochtouren. Die Projektverantwortlichen brauchen nun Feedback aus der Bevölkerung.
«Weniger Gottesdienstteilnehmende und die steigende Digitalisierung – wir versuchen, in Zeiten einer sich verändernden Kirche unseren Weg zu finden», sagt Martin Hobi. Der 62-Jährige steht in der Kathedrale St. Gallen, in der einen Hand sein iPad, in der anderen das blaue Kirchengesangbuch. Seit 1998 liegt das 959-seitige Werk mit der schier endlosen Fülle an Kirchenliedern und liturgischen Formeln in den katholischen Kirchen der Schweiz. Doch seine Tage sind gezählt. Ein neues Medium soll her – eines, das die Menschen mehr abholt und der fortschreitenden Digitalisierung gerecht wird. Die Lösung: Ein schlankeres Gesangbuch, eine App und eine Website, auf der auch jene Lieder zu finden sein werden, die es nicht in die gedruckte Ausgabe geschafft haben.

Die Pfarreien können so eigene Sammlungen zusammenstellen. «Das Digitale dürfen wir nicht mehr als Konkurrenz ansehen, sondern müssen es aufnehmen», sagt Martin Hobi. Er ist Dozent für Kirchenmusik in St. Gallen und als Mitglied des Projektteams auch in der Kommission «Hymnologie» für die Lieder zuständig.
Arbeiten auf Kurs
2021 hat die Projektgruppe KG-neu der Deutschschweizerischen Ordinarienkonferenz unter der Leitung von Abt Urban Federer von Einsiedeln mit der Umsetzung begonnen. Das neue Medium soll 2027 unter dem Namen «Jubilate» erscheinen. «Wir sind auf Kurs», sagt Martin Hobi. Die Finanzierung sei zwar noch nicht gesichert, «aber vieles kommt mit dem Verkauf des Printprodukts und der Aufführungsrechte wieder zusammen. Das Kirchengesangbuch aus dem Jahr 1998 war letztlich ein finanzielles Erfolgsprodukt.» Das Interesse am Projekt sei riesig und die Projektgruppe personell gut aufgestellt. Dazu gehören nebst Leiterin Sandra Rupp Fischer unter anderem Esther Wild Bislin, Kirchenmusikleiterin in Uzwil, und Michael Wersin, Studienleiter an der Diözesanen Kirchenmusikschule St. Gallen. Martin Hobi streicht die Bedeutung von St. Gallen als Teil der Projektgruppe heraus: «St. Gallen ist und war schon früh ein wichtiges Zentrum für die kirchliche Musik und in diesem Bereich sehr vif.»
Veraltete Ausdrücke
Die Verantwortlichen haben jedes Lied angeschaut, die Wortwahl hinterfragt und das Zusammenspiel mit der Melodie untersucht. Dabei stiessen sie immer wieder auf Ausdrücke, die überholt sind oder auf musikalische Gesangsstücke, die kaum bekannt sind. Auf solche wird künftig verzichtet. Ausschlaggebend ist auch die Komplexität. «Es ist wichtig, dass ein Lied inhaltlich und melodisch gut erfassbar ist», erklärt Hobi.

Nun stehen die Verantwortlichen vor der Entscheidung: Welche Lieder und liturgischen Formeln kommen ins neue Buch und welche nicht? «Dies ist der Kern des Projektes und eine sehr intensive Arbeit. Spannend sei die Sensibilisierung für das Zusammenspiel von Wort und Musik in der Liturgie. «Dieses ist für die Kirche zentral und stellt damit für sie ein zukunftsorientiertes Hoffnungs- und Aufbruchszeichen dar. Das ist für die Kirche in Zeiten, in denen sie mit dem Rücken zur Wand steht, besonders wichtig.»
Rückmeldungen erwünscht
Die Projektgruppe sucht aktiv den Kontakt zur Bevölkerung und zu den Pfarreien. Zu Beginn stand eine breit angelegte Umfrage, welche Veränderungen der Kirchengesang in kommender Zeit erfahren müsse. Auch bei der Namensgebung konnte die Bevölkerung mitmachen. Wie Martin Hobi erklärt, laufen momentan verschiedene Experimente. So sind die Pfarreien aufgerufen, Erfahrungen mit dem Singen ab Beamer und dem Singen ab Smartphone zu sammeln und Feedback zu geben. «Die Pfarreien machen mit. Die Rückmeldungen sind sehr wichtig für uns», so Hobi. Denn die Arbeit des Projekktteams ist noch längst nicht fertig: 2025 widmet es sich möglichen neuen liturgischen Gefässen und der Anpassung jetziger Formeln.
→ Weitere Informationen unter: www.jubilate.ch
Text: Alessia Pagani
Bilder: Ana Kontoulis
Veröffentlichung: 4. Juni 2024