Lässt sich durch Gebete Kriegen entgegenwirken? Das Pfarreiforum hat anlässlich des Weltfriedenstages am 1. Januar die Friedensgebetsgruppe Flawil besucht. Wer für den Frieden bete, reflektiere vor allem sein eigenes Handeln, sagt Ruth Rohde Ehrat, die die Gruppe leitet.
Was nützt beten? Diese Frage habe sie und ihren Mann in der Nacht vor dem Interview für diesen Text wach bleiben lassen, sagt Ruth Rohde Ehrat, Seelsorgebeauftragte in Flawil. Dann hätten sie darüber diskutiert, dass fürs Beten vor allem die Gemeinschaft sowie die Erfahrung wichtig seien, dass man mit seinen Hoffnungen und Sorgen nicht alleine ist. Beides findet Platz in der Friedensgebetsgruppe Flawil, die Ruth Rohde Ehrat alle zwei Wochen zusammen mit einem reformierten und einem methodistischen Kollegen leitet. Als der Krieg gegen die Ukraine vor bald drei Jahren begann, beschlossen die drei, dass sie fortan regelmässig für den Frieden und für die vom Krieg Betroffenen beten wollten. «Seither sind wir in der Friedensgebetsgruppe ein fester Stamm von etwa zwanzig Personen», sagt die 61-Jährige.
Im Alltag anfangen
Während 30 Minuten würde gemeinsam gesungen, aus der Bibel gelesen, Kerzen angezündet, in die Stille gekehrt, Fürbitten gelesen und gebetet. «Natürlich sind unsere Ziele der Weltfrieden und das Reich Gottes auf Erden», sagt sie. «Aber so leicht ist es ja leider nicht. Vielmehr hat sich die Weltlage in den vergangenen Jahren noch verschlimmert.» In ihre Gebete schliesst die Friedensgebetsgruppe mittlerweile daher auch von anderen Kriegen und Konflikten Betroffene ein. «Mit den Gebeten setzen wir der Sprachlosigkeit und dem Gefühl der Ohnmacht etwas entgegen», sagt sie und fügt an, dass ein Gebet immer ein Dialog mit Gott sei, zum Beispiel über etwas, das einen selbst übersteigt oder hilflos fühlen lässt. «Gebete bewirken, dass wir die Hoffnung nicht verlieren und uns selbst bewusster machen, wo wir im Alltag friedvoller sein können.»
Atempausen schaffen
Ruth Rohde Ehrat arbeitet nebst ihrem 10-Prozent-Pensum als Seelsorgebeauftragte auch in der Tagesbetreuung der Heilpädagogischen Schule in Flawil. Bei sich selbst oder auch bei den Kindern beobachte sie, wie sich im Alltäglichen vieles von den grossen Weltereignissen spiegelt. «Streit und Konflikte entstehen oft dann, wenn sich jemand nicht gehört oder gesehen fühlt. Manchmal hilft es da schon, das Problem einfach zu benennen oder die Parteien auseinanderzunehmen und mit allen zu reden», sagt sie. Durch das Friedensgebet habe sie zudem gelernt, wie wichtig es ist, sich im Alltag Atempausen zu schaffen. «Dadurch verändern wir vielleicht nicht die ganze Welt von heute auf morgen, aber zumindest unser eigenes Handeln.»

Wie mit einer Freundin
Bei der Friedensgebetsgruppe kann jeder spontan mitmachen. Diese trifft sich abwechselnd in der katholischen Kapelle, im Zwinglisaal der reformierten Kirche und in der evangelisch-methodistischen Kirche. Natürlich lässt sich das Ganze auch zu Hause ausprobieren. «Wichtig ist einfach, dass man in die Stille kommt und mit Gott wie mit einer Freundin oder einem Freund spricht», sagt sie und fügt an, dass der Vorteil vom gemeinschaftlichen Friedensgebet aber sei, dass man sich nicht nur auf Persönliches konzentriere. Hinzu komme der ökumenische Austausch. «Während katholische und reformierte Gläubige eher vorformulierte Gebete gewohnt sind, beten die methodistischen Gläubigen häufig frei. Für den einen oder die andere ist das ein ganz neues Erlebnis.»
→ Friedensgebetsgruppen gibt es in verschiedenen Pfarreien. Die Daten und Infos finden sich auf den Websites.
Weltfriedenstag: «Vergib uns unsere Schuld: Gewähre uns deinen Frieden.» So lautet das Motto des 58. Weltfriedenstages, der am 1. Januar gefeiert wird. Inspiriert ist das Motto gemäss vaticannews.va unter anderem von den Begriffen Hoffnung und Vergebung. Diese stehen im Mittelpunkt des Heiligen Jahres 2025. Es brauche eine Zeit der Umkehr, die uns aufruft, nicht zu verurteilen, sondern Versöhnung und Frieden zu stiften. Im Jahr 1967 hat Papst Paul VI. den Neujahrstag auch zum Weltfriedenstag erklärt. Seither wird dieser Tag jedes Jahr am 1. Januar, Hochfest der Gottesmutter Maria, begangen. Die Erfahrung der vielen Kriege überall auf der Welt zeige, wie wichtig dieses Thema nach wie vor sei, heisst es in der Mitteilung weiter.
Text: Nina Rudnicki
Bild: Ana Kontoulis
Veröffentlichung: 28. Dezember 2024