Sr. Rosmarie und Sr. Ursula nehmen Abschied vom Kloster Rapperswil: Das Angebot «Kloster zum Mitleben» wird in diesem Sommer eingestellt – trotz grosser Nachfrage. Damit endet eine 23-jährige Zusammenarbeit zwischen Menzinger-Schwestern und den Kapuzinern.
Ein Sommertag wie aus dem Bilderbuch. Die beiden Menzinger-Schwestern Rosmarie Sieber und Ursula Raschle setzen sich auf die Terrasse des Klosters. Beim Blick auf den Zürichsee beginnen sofort die Erinnerungen an ihre Jahre im Kloster Rapperswil zu sprudeln. «Der Abschied fällt nicht leicht», sagt Sr. Ursula, gebürtige Ostschweizerin, «doch jetzt ist Zeit für etwas Neues.» Nach rund dreissig Jahren wird das Angebot «Kloster zum Mitleben» beendet. 2022 soll ein neues Angebot starten. «Die Verantwortlichen hätten es begrüsst, dass wir weiterhin dabei sind», hält Sr. Ursula fest, «aber wir haben gemerkt, dass jetzt jüngere Kräfte am Zug sind. Zudem schien es uns sinnvoller, dass die Neuausrichtung auch von neuen Verantwortlichen begleitet und geprägt wird.» Auch in Zukunft soll das Kloster Rapperswil ein «Kloster zum Mitleben» sein. Das neue Konzept ist aber noch in Entwicklung. Künftig soll das Projekt noch stärker ökumenisch ausgerichtet sein.
Innovatives Modell
Vor 23 Jahren begann in Rapperswil ein innovatives Kloster-Modell: Zwei Ordensfrauen leben gemeinsam mit den Kapuzinern. Das war nicht nur damals ein Novum. Dieses besondere Modell ist bis heute einzigartig in der deutschsprachigen Klosterlandschaft. «Wir haben uns immer sehr wohlgefühlt, wir erlebten das Miteinander wie Geschwister », sagt Sr. Rosmarie. Doch wie viele Klöster wurde auch die Gemeinschaft in Rapperswil in den letzten Jahren älter und kleiner. Manche Brüder zogen in andere Klöster. «Wir mussten aufpassen, nicht immer mehr in eine klassische Frauenrolle gedrängt zu werden», hält Sr. Rosmarie fest, «beispielsweise verliess uns der Koch und plötzlich waren wir auch noch für die Küche zuständig.»
Zeit für Gäste
Viele Suchende aus der Schweiz, aber auch aus dem benachbarten Ausland verbrachten kürzere und längere Aufenthalte im Kloster Rapperswil. Die Menzinger-Schwestern haben sie begleitet und in den Seelsorgegesprächen viel über die Nöte und Sehnsüchte erfahren. «Die Nachfrage nach solchen Angeboten ist ungebrochen», sagt Sr. Ursula, «für viele ist es eine ganz wichtige Erfahrung, dass jemand Zeit für sie hat und ihnen zuhört. Manche verstanden selbst nicht, wie gross ihr Bedürfnis war, endlich mal alles erzählen zu können.» Es habe die beiden überrascht, was der Aufenthalt im Kloster bei manchen Gästen bewirkte und dass selbst in der kurzen Zeit eine Veränderung wahrnehmbar war. Mit manchen blieben sie auch noch nach ihren Aufenthalten im Kontakt – per Mail und Telefon. Eines hat nicht nur die Gäste, sondern auch die beiden Schwestern immer wieder beeindruckt: «Das Kloster liegt zentral, ganz nah bei den Menschen. Doch sobald man die Klostertür hinter sich geschlossen hat, ist man wie in einer anderen Welt.»
«Wir mussten aufpassen, nicht immer mehr in eine klassische Frauenrolle gedrängt zu werden»
Neue Aufgaben
Dem Neustart sehen die beiden Ordensfrauen optimistisch entgegen. Der Ortswechsel biete die Chance für einen klaren Bruch. Sr. Rosmarie zieht in die Zentrale der Menzinger-Schwestern in Menzingen ZG. Dort soll sie Aufgaben im Bereich Kommunikation verantworten. Sr. Ursula wird künftig im Mariaheim in Einsiedeln leben, wo sie die Leitung der Gemeinschaft übernehmen wird. Fünfzehn Schwestern leben dort, einige schon hochbetagt. «Ich freue mich auf die Kontakte mit den älteren Mitschwestern. Ich möchte mir Zeit für sie und ihre Lebensgeschichten nehmen», so
Sr. Ursula. «Wir lassen uns nochmals ein auf einen neuen Ort, auf eine neue Gemeinschaft und eine neue Aufgabe – natürlich ist das in unserem Alter auch ein Wagnis.». In Rapperswil hätten sie ein sehr selbstständiges und unabhängiges Leben geführt. «Jetzt müssen wir uns wieder mehr in die Hierarchie einfügen», ist sich Sr. Rosmarie bewusst, «daran werde ich mich zunächst wieder gewöhnen müssen.» Auch wenn vieles noch unklar sei, lassen sie sich vertrauensvoll auf das Neue ein: «Auch die Mutter Bernarda Heimgartner, die Gründerin unserer Gemeinschaft, wagte immer wieder Aufbrüche und Neuanfänge. Sie ist für mich ein Vorbild, das mir Mut macht», sagt Sr. Ursula und Sr. Rosmarie ergänzt: «Und wir dürfen darauf vertrauen, dass der Heilige Geist uns unterstützt.»
Stephan Sigg