«Einen Jugendtraum erfüllt»

Franziska Heigl

Fran­zis­ka Heigl, Seel­sor­ge­rin in Bühler, Gais und Teufen, woll­te schon als Jugend­li­che zum ­Mili­tär. Erst mit Mitte Vier­zig ging dieser Traum in Erfül­lung: Sie besuch­te die Kurz-RS. Im Mai wurde sie von der Solda­tin zur ersten Armee­seel­sor­ge­rin im Appen­zel­ler­land befördert.

Eine Frau im Mili­tär? In dem konser­va­ti­ven Eltern­haus, in dem ich aufge­wach­sen bin, wäre so etwas völlig undenk­bar gewe­sen», erzählt Fran­zis­ka Heigl beim Gespräch mit dem Pfar­rei­fo­rum und schmun­zelt. Sie könne sich noch gut erin­nern, als ihr älte­rer Bruder zur Aushe­bung ging: «Er muss­te mir alles über das Mili­tär erzäh­len. Und ich fand das einfach unge­recht: Er, der gar keine Lust auf Mili­tär hat, muss­te es machen, während ich nicht hindurf­te.» Aufge­wach­sen in Biber­ist bei Solo­thurn, lässt sie sich zur Bijouterie-Verkäuferin ausbil­den, grün­det eine Fami­lie und wird Mutter. Ende dreis­sig kommt die Wende: Die Ehe zerbricht, Fran­zis­ka Heigl beginnt ein Studi­um am Reli­gi­ons­päd­ago­gi­schen Insti­tut (RPI) in Luzern. Dort machen Mitstu­den­ten sie auf die Armee­seel­sor­ge aufmerk­sam. «Da hat es bei mir Klick gemacht.»

Exis­ten­zi­ell gefordert

Doch in der drei­wö­chi­gen Kurz-RS kommt das Erwa­chen: «Am Anfang war der Stress zu gross, das brach­te mich an meine Gren­zen», gibt die 45-Jährige zu, «du bist stän­dig von Menschen umge­ben, du hast keine Privat­sphä­re mehr, der Tag star­tet schon um fünf Uhr …» Dazu fiel die RS mitten in die Corona-Zeit. In einem beson­ders schwie­ri­gen Moment sucht sie das Gespräch mit einem Armee­seel­sor­ger. Heigl ist die einzi­ge Frau im Zug – und die Männer sind alle zwan­zig Jahre jünger. Die RS abzu­bre­chen, sei kein Thema gewe­sen: «Ich habe mich ja ganz bewusst dafür entschie­den. Ich woll­te das durch­zie­hen. Endlich hat sich ein Jugend­traum erfüllt.» Aus diesem Grund sei es ihr im Gegen­satz zu manchen 18-Jährigen leich­ter gefal­len, sich einzu­ord­nen und sich auf die Hier­ar­chie einzulassen.

Fran­zis­ka Heigl ist es wich­tig, dass in der Armee­seel­sor­ge die Viel­falt der Gesell­schaft abge­deckt wird.

Lebens- und Glaubensfragen

Ist es für die jungen Rekru­ten nicht eine zusätz­li­che Hemm­schwel­le, im Seel­sor­ge­ge­spräch auf eine Frau zu tref­fen und sich ihr gegen­über zu öffnen? Fran­zis­ka Heigl winkt ab. «Was mir viel eher begeg­net: Viele sind zunächst über­rascht, da ich so gar nicht dem Klischee der Seel­sor­ge­rin entspre­che.» Als Armee­seel­sor­ge­rin ist sie Teil eines RS-Zuges oder einer WK-Truppe und lebt mit den Rekru­ten und Solda­ten mit. «Dabei gibt es viele Gele­gen­hei­ten, mitein­an­der ins Gespräch zu kommen. Ich erzäh­le dann ganz offen über meine Geschich­te und auch von den Brüchen in meinem Leben. Das ist für viele eine Ermu­ti­gung, sich mir gegen­über zu öffnen. Oft fragen sie mich aus reiner Neugier: Warum machst du das? Und das ist dann meis­tens ein Einstieg in ein inten­si­ves Gespräch.» Nicht selten brechen bei den jungen Männern in der RS gros­se Lebens- und Glau­bens­fra­gen auf. Manch­mal heisst es für die Seel­sor­ge­rin, ihnen bei einer grös­se­ren Lebens­kri­se zur Seite zu stehen. «Menschen beglei­ten und unter­stüt­zen, das ist eine Aufga­be, die mich ganz erfüllt.» In der Armee gehe man ganz in der Gemein­schaft auf.

Viel­falt abdecken

Die Ausbil­dung zur Armee­seel­sor­ge­rin dauer­te drei Wochen. Zusam­men mit acht­zehn Deutsch­schwei­zer, sieben französisch- und zwei italienisch-sprechenden Seel­sor­gern absol­vier­te sie als einzi­ge Frau den Tech­ni­schen Lehr­gang Armee­seel­sor­ge im Armee-Ausbildungszentrum Luzern. Am 13. Mai 2022 wurde sie von der Solda­tin zur Frau Haupt­mann Armee­seel­sor­ge­rin beför­dert. Der jüngs­te Lehr­gang war ein Novum in der Geschich­te der Schwei­zer Armee: Zum ersten Mal wurden zwei jüdi­sche und ein isla­mi­scher Geist­li­cher zu Mitar­bei­ten­den der Armee­seel­sor­ge ausge­bil­det. Eine Entwick­lung, die Fran­zis­ka Heigl begrüsst: «Es ist erfreu­lich, dass die Armee mit der Zeit geht. Damit wird die Viel­falt der Gesell­schaft, die sich auch in der Armee spieg­le, abgedeckt.»

Fran­zis­ka Heigl will als Armee­seel­sor­ge­rin ande­re Frau­en vom Sinn und Zweck der Armee zu überzeugen.

Mit Enga­ge­ment überzeugen

Während Fran­zis­ka Heigl jahre­lang davon träum­te, Teil der Armee zu sein, entschei­den sich heute viele junge Männer gegen die RS. «Diese Entschei­dung respek­tie­re ich. Jeder muss diese Entschei­dung selbst tref­fen», so die Armee­seel­sor­ge­rin. Auch mit einer allge­mei­nen Wehr­pflicht für Frau­en tut sie sich eher schwer. Sie setzt viel mehr auf Über­zeu­gungs­ar­beit: «Ich hoffe, dass ich mit meinem Enga­ge­ment ande­ren Frau­en zeigen kann, warum es die Armee braucht und wie sinn­voll sie ist – ganz ohne Zwang.» Da Fran­zis­ka Heigl erst im Febru­ar ihre Stel­le als Seel­sor­ge­rin in der Pfar­rei Gais ange­tre­ten hat, will sie sich in den kommen­den Mona­ten ganz auf diese Aufga­be konzen­trie­ren. Einsät­ze als Armee­seel­sor­ge­rin sind ab 2023 geplant. Dann wird sie in einen Lehr­ver­band (Rekru­ten­schu­le) oder in einen Einsatz­ver­band (WK-Truppen) einge­teilt und jähr­lich rund 15 bis 20 Dienst­ta­ge leisten.

12. Juli 2022

Text: Stephan Sigg

Bilder: Ana Kontoulis

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