Als Kind ging ich besonders in der Weihnachtszeit gerne in die Kirche. Der Raum war erfüllt von Stille und Kerzenlicht, und ich konnte staunen. Dieses Staunen ist geblieben, etwa wenn ich wie für die aktuelle Reportage Angebote wie Kirche Kunterbunt besuche. Das ist ein Angebot für Familien, bei dem es wild, frech und bunt zu und her geht und Kirche und somit Gemeinschaft neu erlebbar wird. Kirche Kunterbunt widerspiegelt, wie vielfältig unsere Gesellschaft zunehmend wird. Als lebendiger und diverser Ort ermöglicht sie, uns interkulturell oder generationenübergreifend auszutauschen. Und wir können Menschen mit verschiedenen Weltanschauungen und Lebensentwürfen kennenlernen. Das ist eine grosse Chance. Im oftmals hektischen Alltag tut Gemeinschaft gut. Wir brauchen kreative Auszeiten, Austausch und Raum für Gespräche, Fragen und Zweifel. Wie lässt sich eine vielfältige Gemeinschaft langfristig zusammenhalten? Zum einen bestimmt dadurch, dass wir viele neue Wege erkunden. Insofern bedeutet kunterbunt für mich, das Staunen nicht zu verlernen, sondern immer wieder neu zu entdecken.
Wild und chaotisch sowie gastfreundlich und generationenübergreifend: So soll Kirche Kunterbunt sein. Das Pfarreiforum hat sich auf dieses Erlebnis eingelassen und ist der Frage nachgegangen, was dieses neue Format bei Familien im ganzen Bistum St. Gallen so beliebt macht.
Die Finger der Kinder sind von oben bis unten mit Zuckerguss verschmiert. Die Kleinen sitzen an einem Tisch im Domzentrum in St. Gallen und bekleben sternenförmige Kekse mit Smarties und Zuckerperlen. Aus einem Raum im Erdgeschoss ist ein Laubbläser zu hören. Mit diesem jagen einige Buben Luftballone um Verkehrshütchen herum. Und im Flur sitzen einige Familien um ein Klavier herum und lernen mit einem Musiker Weihnachtslieder. Rund 100 Personen sind es, die an diesem Sonntagvormittag zwischen den verschiedenen Posten von Kirche Kunterbunt im Domzentrum hin- und hereilen. Das dreistöckige Gebäude ist von Lachen und Rufen erfüllt und manche Passantinnen und Passanten bleiben auf dem Gallusplatz bei der Kathedrale erstaunt stehen und schauen zu dem Gebäude herüber. In einer Schale auf dem Boden vor dem Eingang zum Domzentrum brennt ein Feuer, in dem einige Kinder mit Draht umwickelte Kartonsterne verbrennen. Übrig bleibt eine sternenförmige Figur zum Aufhängen.
Tischfussball und Papiersterne
Wo sollen wir anfangen? Meine zwei Buben und ich drücken uns erst einmal an der Hauswand entlang. Seelsorgerin Anne-Dominique Wolfers, die zusammen mit ihrer Kollegin Ramona Casanova Kirche Kunterbunt organisiert, hat uns vorgewarnt: «Kirche Kunterbunt ist wild und chaotisch und voller Leben.» Genauso solle es sein, wie bei Pippi Langstrumpf in der Villa Kunterbunt eben. Und dann sind wir mittendrin: Wir spielen Tischfussball am Töggelikasten und basteln Papiersterne. Und gerne schauen wir den vielen anderen Kindern zu. Es gibt viele Babys und Kleinkinder und noch mehr Kindergarten- und Primarschulkinder. Es gibt Kinder, die wir schon vom Fussballverein und vom Kinderturnen kennen, und solche, denen wir regelmässig im Quartier begegnen. Und dann gibt es ganz viele Eltern, Tanten, Onkel und Grosseltern, die an diesem Tag bei Kirche Kunterbunt mit dabei sind. Eine Mutter, die wir vom Kinderturnen kennen, sagt: «Kirche Kunterbunt ist einfach so herzig gemacht, dass ich regelmässig mit meinen Kindern hierherkomme. Weil mein Mann dieses Wochenende weg ist, habe ich meine Eltern als Verstärkung mitgebracht.»
Von überall her
Generationenübergreifend, gastfreundlich und kreativ: So soll Kirche Kunterbunt sein. Alle sind willkommen. Ziel des Formates ist es, eine Gemeinschaft aufzubauen, in welcher der Glaube ohne Zwang ausprobiert und gelebt werden kann. Ramona Casanova sagt: «Viele Familien haben bei der Taufe Berührungspunkte mit der Kirche und dann erst wieder, wenn ihre Kinder den Religionsunterricht in der Primarschule besuchen. Mit Kirche Kunterbunt können wir diese Lücke schliessen.» Speziell an Kirche Kunterbunt im Domzentrum ist, dass die Familien nicht nur aus dem Quartier kommen, sondern auch von weiter her, wie beispielsweise aus Herisau oder Mörschwil. Und es sind einige Familien der eritreischen Sprachgemeinschaft mit dabei, die ihren Mittelpunkt in einer benachbarten Pfarrei hat.
Davon mit dem Jesuskind
Nach eineinhalb Stunden Aktivzeit der Kirche Kunterbunt mit den verschiedenen Posten steht jetzt der nächste Programmpunkt an: die Feierzeit. Wir drängen uns auf eine Fensterbank in der Nähe des Klaviers im Saal im Erdgeschoss. Dieser füllt sich rasch. «Dieses Mal sind doppelt so viele Familien gekommen, wie wir erwartet haben. Unser Küchenteam hat das wirklich gut gemeistert und spontan darauf reagiert», sagt Anne-Dominique Wolfers. Für Kirche Kunterbunt muss man sich nicht anmelden, sondern kann einfach spontan kommen. Das gemeinsame Essen ist ein weiterer Höhepunkt von Kirche Kunterbunt. Es ist kostenlos und die Familien können sich an den Tischen kennenlernen. Zuerst wird an der Feier aber gesungen, gehüpft, geklatscht und vieles mehr. Von unserem Fensterplatz aus beobachten wir, wie während der Feier ein Bub ständig versucht, heimlich das Jesuskind in der Krippe aus dem Raum zu schieben, um es für sich alleine zu haben. «Jetzt schafft er es», sagt mein Sohn und lacht. Aber dann kommt schon seine Mutter dazu und hält ihn auf. Jede Familie bekommt einen Papierstern und alle dürfen auf diesen ihre Wünsche schreiben. Es soll etwas sein, das man sich in den folgenden Tagen auch erfüllen kann. «Gemeinsam am Abend basteln», steht auf unserem Stern. Zum Abschluss halten alle Familienmitglieder eine Ecke ihres Sterns und geben ihrem Gegenüber ein Gebet mit auf den Weg. Für weniger Albträume in der Nacht bittet mein Jüngerer für seinen älteren Bruder.
Schlaflos vor Vorfreude
Beim Essenholen wird es nochmals chaotisch. Wie schafft man es mit einem Drei- und einem Sechsjährigen vom Buffet zurück an den Platz, ohne dass die Nudeln auf dem Boden landen? Während die beiden später am Tisch darüber diskutieren, ob ihnen die Butternudeln nun schmecken oder nicht, setzt sich ein weiterer Kindergärtner mit seiner Mutter zu uns. Sie erzählt, dass sie regelmässig in die Kirche Kunterbunt kommt und wie sehr sich ihr Bub jeweils darauf freut. «Heute ist er mitten in der Nacht um drei Uhr aufgewacht und hat bis sechs Uhr Bücher angeschaut, weil er vor Vorfreude nicht mehr schlafen konnte», sagt sie. Er lacht und nickt. Und bei den letzten Löffeln Dessert sehen seine Augen müde und zufrieden aus.
Musik, Theater und kreative Verkündigung: Kirche Kunterbunt hat ihren Ursprung als «Messy Church» in England. Die Initiative versteht sich als eine frische Ausdrucksform von Kirche. Junge Familien können hier Gemeinde erleben, auch wenn sie bisher wenig Bezug zu Glauben und Kirche hatten. Kirche Kunterbunt läuft stets gleich ab und findet regelmässig alle paar Wochen statt: Während der 30-minütigen Willkommenszeit treffen die Familien ein. Danach folgt die Aktivzeit mit verschiedenen Posten, gefolgt von der Feierzeit mit Musik, Theater und kreativer Verkündigung. Den Abschluss bildet die Essenszeit. Jede Kirche Kunterbunt steht unter einem Thema oder einer biblischen Erzählung. Im Bistum St. Gallen findet sie in den Pfarreien oder Seelsorgeeinheiten Gäbris, Widnau/Balgach/Diepolsdau-Schmitter, Berneck/Au/Heerbrugg, Gais, Appenzell, Rorschach, Buechberg, Eich- und Blattenberg, Gams, Gaster, Walensee, Uznach, Oberzwil und Niederuzwil sowie in der Stadt St. Gallen im DomZentrum und in der Pfarrei Heiligkreuz statt.
Kirche Kunterbunt hat die Uznacher Religionspädagogin Sandra Busslinger von Beginn an begeistert. Die 51-Jährige sagt, wieso diese in Uznach ökumenisch ist, welche Rolle Instagram spielt und ob das Ganze auch bei Seniorinnen und Senioren funktionieren würde.
Sandra Busslinger, was macht Kirche Kunterbunt in Uznach besonders?
In Uznach gibt es bereits einige tolle Angebote für Kinder und Jugendliche, wie etwa den Kinderchor oder die Jugendtreffs. Hinzu kommen Angebote, die sich gezielt an Kleinkinder und ihre Eltern richten. Doch was uns fehlte, war etwas, das die ganze Familie anspricht. Am besten sollte das niederschwellig und unkompliziert sein.
Sandra BusslingerBei Kirche Kunterbunt zum Thema «Schafe» erfuhren die Familien alles rund um die Tiere und Wolle.Aktivposten, Spiel und Spass gehören nebst der Feier zu jeder Kirche Kunterbunt.
Kirche Kunterbunt ist vor allem aber frech und wild…
Und darin liegt definitiv ein Mehrwert. Es werden alle Sinne angesprochen. Das ist wundervoll. Es wird gesungen, gespielt, gegessen, gebastelt, erlebt und vieles mehr. Die Kinder und ihre Eltern können sich zwischen den verschiedenen Posten frei entscheiden und auch selbst wählen, wie lange sie an einem Posten bleiben oder wie oft sie diesen wiederholen. Bis auf die vier Fixpunkte Willkommenszeit, Aktivzeit, Feierzeit und Essenszeit läuft alles spontan und frei ab. Familien fühlen sich wohl und willkommen. In der Kirche Kunterbunt trifft man auch Familien an, die man sonst nicht im Gottesdienst sieht.
Wann war klar, dass das Projekt nach Uznach kommt?
Der entscheidende Moment war der April 2022. Damals organisierte das Bistum St. Gallen zusammen mit der evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen und «Kirche Kunterbunt Deutschland» einen Inspirationstag. Ich wusste sofort, dass ich daran teilnehmen werde. Dort traf ich meine evangelisch-reformierte Kollegin aus Uznach, Kathrin Kägi, und wir waren beide total begeistert und inspiriert. Uns beiden stellte sich zudem nicht die Frage, ob, sondern wann wir mit Kirche Kunterbunt starten würden. Schon fünf Monate später hatten wir die erste Ausgabe auf die Beine gestellt.
Kirche Kunterbunt ist in Uznach ökumenisch. Was ist der Vorteil davon?
Wir werden sicher einmal all jenen Paaren gerecht, die konfessionell gemischt sind. Das heisst zugleich auch, dass wir automatisch mehr Personen ansprechen. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir die Ressourcen und die Finanzen besser verteilen können. Wir feiern Kirche Kunterbunt ungefähr alle zwei Monate. Wir bitten zwar jeweils um Anmeldung, die Familien können aber auch spontan kommen. Kirche Kunterbunt erfordert ein gewisses Mass an Flexibilität, da ist es sicher gut, wenn man breit abgestützt ist.
Gibt es ein Netzwerk, in dem Sie sich austauschen können?
Einmal im Jahr gibt es einen Fachaustausch, den das Bistum organisiert. Dort diskutieren wir darüber, was gelungen ist und was für Kirche Kunterbunt nicht so gut funktioniert hat. Man kann sich gegenseitig Tipps geben oder Materialien austauschen. Eine wichtige Quelle ist für mich auch Instagram. Dort folge ich anderen Kirchen Kunterbunt, wie etwa jenen in der Stadt St. Gallen oder der Seelsorgeeinheit Gaster. Es ist spannend und inspirierend zu sehen, zu welchen Themen sie Kirche Kunterbunt gestalten.
Welches war bis jetzt Ihre Lieblingsausgabe in Uznach?
Ich fand Kirche Kunterbunt zum Thema Schafe besonders berührend. Wir hatten einen Bauern eingeladen. Die Kinder durften die Schafe streicheln und erfuhren alles rund um die Tiere und die Wolle. So lernten sie etwa, dass Schafwolle etwa bei Halsweh helfen kann, indem die Wolle aufgelegt wird. Gelungen fand ich auch jene Kirche Kunterbunt, in der wir die Christoffel Blindenmission eingeladen hatten. Eine blinde Person erzählte den Kindern von ihrem Alltag. Zudem durften wir den Bus der Organisation mit verschiedenen Posten und Spielen nutzen.
Was lässt sich für andere Zielgruppen abschauen, etwa für Seniorinnen und Senioren?
Wir haben bereits eine Seniorinnen- und Seniorengruppen mit eigenen Programmen. Das läuft gut. Vielleicht können wir uns von Kirche Kunterbunt aber abschauen, dass es wichtig ist, neue Formen auszuprobieren. Ich denke da etwa an den Familienkreuzweg am Karfreitag. Früher war der immer gut von Familien besucht. Im vergangenen Jahr kamen aber nur wenige. Wir haben die Idee, dass wir diesen Kreuzweg neu mit Aktivposten rund um die Kirche gestalten. Solche Dinge möchten wir inspiriert von Kirche Kunterbunt testen.
Rolf Böni, Krippenbauer und Sakristan der Pfarrei Amden, baut auch in diesem Jahr in der Kirche Amden die berühmte Weihnachtskrippe, die Menschen aus der ganzen Region anzieht.Ab 24. Dezember kann sie besichtigt werden.
Jedes Jahr zur Weihnachtszeit zieht die beliebte Ammler Krippe in der Galluskirche in Amden viele Besucherinnen und Besucher in das Bergdorf am Walensee. Die einzigartige Krippenlandschaft enthält viele handgeschnitzte Krippenfiguren. Die Vorbereitungn für die Weihnachtskrippe beginnen bereits im Frühling. Dann begibt sich Rolf Böni auf Entdeckungsreise in der Natur. Unterstützt wird er dabei von seiner Familie und Freunden. Bäume und Wurzeln müssen zugeschnitten werden. Damit die Krippe im Dezember ungestört vorbereitet werden kann, werden in dieser Zeit keine Gottesdienste in der Kirche gefeiert, die Pfarrei weicht in die St.-Anna-Kapelle aus. Erst an Heiligabend wird das Geheimnis gelüftet und die Krippe darf besichtigt werden.
Rolf Böni ist Verantwortlicher und Erschaffer der Krippe, welche die gesamte Kirche ausfüllt.Als Dekoration arbeitet Rolf Böni Materialien aus der Natur ein.Mehrere Tage ist Ralf Böni beschäftigt, bis jede Figur am richtigen Platz steht.Erst am 24. Dezember ist es soweit: Die Bevölkerung darf die neue Weihnachtskrippe bestaunen.Das Herz der Weihnachtskrippe: Maria, Josef und das Jesus-Kind in der Krippe.Die Weihnachtskrippe visualisiert die verschiedenen Szenen aus der biblischen Weihnachtserzählung, hier: die Hirten auf dem Feld.… und auch die Heiligen Drei Könige, die Jesus besuchen, dürfen nicht fehlen.Die Krippenfiguren sind bis in die kleinsten Details ausgearbeitet.Die Krippe enthält auch viele Bezüge zur alpinen Welt wie zum Beispiel pittoreske Bergbäche.Noch ist es ruhig in der Kirche, aber ab 24. Dezember zieht sie unzählige Menschen aus der ganzen Region und darüber hinaus an.
Bis Ende Januar
Die Weihnachtskrippe wird am 24. Dezember um 14:00 Uhr eröffnet, sie kann bis Ende Januar täglich von 9:00 bis 18:00 Uhr besichtigt werden. Rolf Böni bietet für Gruppen auch Führungen an. Dabei erzählt er Hintergrundinfos zur Krippe und deren Entstehung und gibt auch Einblicke in die Aufbau- und Abbauphase.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich zum ersten Mal an Heiligabend die Mitternachtsmesse besucht habe, wie ich als Kind mit den Krippenfiguren meiner Grosseltern gespielt und mich schon Tage vor dem grossen Fest auf das obligate Fondue Chinoise gefreut habe.
Weihnachten ist mit allerlei Traditionen verbunden, die über Generationen gepflegt und weitergegeben werden. Dabei ist es nicht immer einfach, allen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Für die einen gehören Geschenke unter den feierlich geschmückten und mit Kugeln behängten Baum, anderen sagen diese Symbole nichts. Einige möchten den Heiligabend singend verbringen, andere würden lieber einer Weihnachtsgeschichte horchen. Das kann auch schon mal zu Misstönen in den warmen Stuben führen.
Gerade für Christinnen und Christen, die nicht in der Schweiz geboren wurden, ist es nicht immer einfach, die ihnen bekannten Traditionen auch in der neuen Heimat aufrechtzuerhalten. Sie sitzen zwischen Stühlen und Bänken. Das Verbindende: Die Weihnachtsbotschaft. Trotz Glitzer und Lametta, ob ein echter Baum oder ein künstlicher, das Zusammensein mit den Liebsten und das Feiern der Geburt Jesu ist es, worauf es an Weihnachten ankommt. Nicht umsonst trägt das Fest auch den Namen «Fest der Liebe».
In der Kolumne Meine Sicht ist diesmal die Rorschacher Seelsorgerin Vera Maria Rösch an der Reihe. Sie denkt über das sich zu Ende neigende Jahr nach und darüber, was uns hoffnungsvoll auf Neues blicken lässt.
Meine altmodische Papieragenda wird wieder schlanker. Ein volles Jahr, das sich dem Ende zuneigt.
Seite um Seite gefüllt mit To-do-Listen, Notizen, Wichtigem und Kleinigkeiten, mit Erlebtem, das das vergangene Jahr prägte. Nur noch wenige Wochen, schon ist das Jahr 2024 wieder Geschichte. Zeit, Rückblick zu halten? Bestimmt war da auch bei Ihnen viel Schönes und Freudiges. Feste, Erfolge, besondere Erlebnisse und Glücksmomente. Vermutlich gab es aber auch Stilles, Dinge, die im Dunklen lagen, die viel Schnauf brauchten, die Sie erschöpften und ermüdeten. Und neben all dem Privaten immer wieder gesellschaftliche und politische Neuigkeiten, die den kleinen geschützten Mikrokosmos durchbrachen. Ich weiss nicht, wie es Ihnen ergeht, aber in mir löst dieses schwindende Jahr, begleitet durch den einen oder anderen trüben Nebeltag oft eine diffuse Melancholie aus – die Frage, was das neue Jahr bringen wird, nimmt sich Raum.
Hoffnungsschimmer
«Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.» Die biblischen Texte, die im Advent gelesen werden, nehmen die Zerbrechlichkeit unseres Lebens auf und schenken Hoffnungsschimmer: Gerade in der Dunkelheit sind wir nicht allein. Die alte Verheissung, dass das Licht das Dunkle besiegt, gilt auch heute. Diese Zusage verdichtet sich an Weihnachten: «Fürchtet euch nicht», so die Botschaft, die der Engel an Maria und die Hirten richtet, es kommt gut. Mit der festen Absicht, mich vorsichtig von dieser Zuversicht tragen zu lassen, kaufe ich mir eine neue Agenda und bin gespannt auf das, was das neue Jahr bringen wird.
Text: Vera Maria Rösch, Seelsorgerin Katholische Kirche Region Rorschach
Die Seelsorgerin Bettina Flick erzählt, wie es ihr gelang, nach einem Umzug vom Toggenburg ins Linthgebiet neue Freunde zu finden.
Vor gut zwei Jahren bin ich berufsmässig vom Toggenburg ins Linthgebiet gezogen. Zuerst war die Versuchung da, meinen alten Wohnort mit Freunden und vielen guten Beziehungen nicht aufzugeben und lieber täglich zu pendeln.
Ich habe mich dann entschieden, ganz ins Linthgebiet zu ziehen und einen neuen Anfang zu wagen. Dieser Neuanfang ist nicht nur beruflich sehr geglückt. Natürlich hat mir mein Beruf als Seelsorgerin auch geholfen, Menschen kennenzulernen. Aber dass daraus in kurzer Zeit Freundschaften entstanden, hat wohl auch hauptsächlich mit zwei Haltungen zu tun: Die erste ist meine Entschiedenheit, mich am neuen Ort wirklich zu verwurzeln. Und die zweite ist meine Neugier.
Lieblingsorte kennengelernt
In den ersten Wochen habe ich überall herumgeschaut, was mir hier am neuen Ort Freude bereiten könnte. Ich habe das Internet genauso durchforstet wie die Kleinanzeigen bei den Supermärkten und im Bioladen, habe die Plakatwände studiert und immer mehr auch Menschen, die ich zufällig traf, angesprochen. Ich habe meinen Interessen entsprechend nach Wander- und Velowegen gefragt, mich erkundigt, wo es überall Hofläden gibt, und vieles auch besucht. Besonders die Frage nach einem Lieblingsplatz war ein richtiggehender «Tür-Öffner», gern haben mir ganz unterschiedliche Leute erzählt, wo sie sich gern aufhalten. Manche haben es mir auch gezeigt. Dann kam mein erster Geburtstag im Linthgebiet. Es wäre einfach und naheliegend gewesen, einen schönen Abend mit meinen alten Freundinnen und Bekannten zu gestalten. Aber ich nahm meinen Mut zusammen und lud nur neue Bekanntschaften von vor Ort ein. Es kamen viel weniger Gäste, als ich erwartet hatte. Ich hatte noch einige Zeit damit zu tun, die Gemüse-Sticks und die Kuchen selbst zu essen. Und doch war diese Einladung wie ein Signal: Die Menschen spürten, dass ich mich hier wirklich einlassen möchte.
Hilfe annehmen
Als ich vor einem halben Jahr einen Velounfall hatte, durfte ich erleben, wie das neue Netz trägt. Kaum war ich vom Spital daheim in meiner Wohnung, kam ein Anruf: «Bettina, ich mache gerade Risotto. Soll ich eine Portion für dich mitkochen und vorbeibringen?» Solange die vielfältigen Brüche noch nicht verheilt waren, haben mir Menschen Essen nach Hause gebracht, mich zum Arzt gefahren oder waren für mich einkaufen. Jemand bot mir sogar an, meine Wohnung zu putzen. Ich musste manchmal über meinen Schatten springen, um diese Angebote zu akzeptieren. Und zugleich hat auch jede Hilfe, die ich annehmen konnte, das Band der Freundschaft gestärkt. Entschiedenheit, Neugier und die Offenheit, sich beschenken zu lassen, haben mir geholfen, neue, wundervolle Freundschaften zu finden.
Im Dezember ist die Bereitschaft zu spenden grösser als sonst im Jahr. Wie grosszügig sind die Menschen in der Ostschweiz? Wie entwickelt sich das Spendenverhalten? Und wie wichtig sind inzwischen die digitalen Spende-Möglichkeiten und Influencer?
Die Menschen in der Ostschweiz sind besonders hilfsbereit und schätzen gemeinschaftliche Werte. Das schlägt sich in einem hohen Spendenengagement nieder», sagt Karin Schäfer, Geschäftsführerin von Miva (Bild oben). Das katholische Hilfswerk mit Sitz in Wil SG ist seit Jahrzehnten für ein unkonventionelles Spendenmodell bekannt: den Kilometer-Rappen. Er gilt als Dank für jeden unfallfrei gefahrenen Kilometer. Miva setzt sich seit 1932 dafür ein, die Lebensbedingungen in abgelegenen Regionen von Entwicklungsländern zu verbessern, indem sie Transportmittel für dort ansässige Hilfsorganisationen finanziert. Für miva ist der Dezember ein wichtiger Monat: «Es wird dann deutlich mehr gespendet als in anderen Monaten. Wir können im Dezember bis zu 30 Prozent der Spenden eines Jahres einnehmen», sagt Karin Schäfer. Die Gründe sind vielfältig. Einerseits verstärken viele Hilfswerke vor Weihnachten die Spendenaufrufe und machen mehr Werbung. «Andererseits sind die Menschen in der Weihnachtszeit besonders grosszügig und haben das Bedürfnis, anderen etwas Gutes zu tun.»
Miva: Benachteiligte Jugendliche in Tansania werden mit einem mobilen Ausbildungsbus unterrichtet und können dadurch eine berufliche Zukunft aufbauen, trotz ihrer schwierigen Lage.
Höchste Spendenbereitschaft
Beim Spenden gibt es regionale Unterschiede, wobei sich die Ostschweiz gemäss Schäfer am spendenfreudigsten zeigt. Sie spricht von beeindruckenden «87 Prozent der Haushalte». Gemäss der Miva-Geschäftsführerin ist die Spendenbereitschaft so hoch, dass man sagen könne, dass fast alle spenden: Frauen und Männer, Junge und Ältere, Stadt- und Landbewohner. «Unterschiede kann man am ehesten noch am Alter aufzeigen: Am spendenbereitesten sind Menschen über 55 Jahren, aber auch die jüngeren Altersgruppen zeigen wachsenden Einsatz und spenden heutzutage häufiger als früher.» Schäfer spricht generell von einer wachsenden Anzahl Spendern. «Es spenden mehr Menschen als früher, jedoch seltener, dafür mit höheren Beträgen.» Dabei wird in den vergangenen Jahren vermehrt für akute Nothilfe gespendet. «Ereignisse wie Kriege und Naturkatastrophen erhalten viel Aufmerksamkeit und lösen hohe Spendenbereitschaft aus. Der Anteil an solchen ‹ausserordentlichen› Einzelspenden nimmt stark zu», sagt Schäfer. Schwieriger sei es hingegen für die Entwicklungshilfe, die angesichts der omnipräsenten Krisen leicht in Vergessenheit gerät.
Miva engagiert sich seit 1932 für Menschen in Entwicklungsländern.
Onlinepräsenz ausbauen
Miva setzt nicht nur auf die klassischen Kommunikationsmittel, sondern hat auch die Onlinepräsenz stark ausgebaut, um neue Zielgruppen anzusprechen. «Onlinespenden nehmen von Jahr zu Jahr zu und machen bei vielen Hilfswerken bereits rund zehn Prozent des Volumens aus», so Schäfer. In den Sozialen Medien sieht sie denn auch eine Chance. «Künftig möchten wir gerne auch mit Influencern zusammenarbeiten, da sie sich das Vertrauen ihrer Follower bereits erarbeitet haben und damit sehr authentisch wirken können, wenn sie von einer guten Sache wie unseren Hilfsprojekten überzeugt sind.»
Neue Massnahmen testen
Im selben Spannungsfeld bewegt sich auch Caritas Schweiz. Sie versucht das Vertrauen in die Organisation über verschiedene Kanäle auf- und auszubauen. «Um am Puls zu bleiben und die Spender/-innen dort abzuholen, wo sie sich bewegen, testen wir stetig neue Massnahmen im Online- und Offline-Bereich», sagt Mediensprecherin Daria Jenni. Auch Caritas Schweiz verzeichnet einen steigenden Anteil digitaler Spenden am Gesamtspendenvolumen, wobei in Katastrophenfällen jeweils nochmals ein Anstieg erkennbar ist. Twint wird mittlerweile bei den Spenden über die Caritas-Website mit Abstand am häufigsten genutzt. Bei den Privatspenden sei die Ostschweiz vergleichbar mit dem Mittelland und der Zentralschweiz, so Jenni. Im Dezember führt Caritas Schweiz jeweils eine grosse Kampagne gegen Armut durch. Nicht ohne Resultat: «Der Dezember ist ein sehr spendenstarker Monat.». Caritas hat über die vergangenen Jahre ebenfalls einen Trend hin zu Spenden für Katastrophenhilfe und akute Krisen festgestellt. «Aber auch für die Menschen in der Schweiz wird weiterhin gespendet.»
Die Aktion Sternsingen konnte auch 2024 ein Spendenplus vermelden.
Sternsinger boomen
«Mit der vergangenen Aktion Sternsingen konnten wir bei den Spendenergebnissen wiederum ein leichtes Plus verzeichnen», freut sich Hanspeter Ruedl, Marketingleiter bei Missio Schweiz. Die Aktion Sternsingen ist die bekannteste Spendensammlung des katholischen Hilfswerks. Durchgeführt wird sie gemeinsam mit den Pfarreien, die meisten Sternsinger in der Schweiz sammeln für eines der Projekte von Missio. Anders war die Situation vor ca. 35 Jahren: «Da war der Sternsinger-Brauch ziemlich eingeschlafen und drohte auszusterben.» Seither erlebt der Brauch einen regelrechten Boom. Dies lässt sich nicht nur an der Beteiligung von über 10 000 Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren, sondern auch an wachsenden Spendenergebnissen festmachen. «Das besondere bei dieser Aktion ist sicherlich, dass Kinder für Kinder sammeln», sagt Ruedl, «wenn Kinder sich freiwillig für andere engagieren, da fällt es schwer, ihnen nichts zu geben.» Auch die Sternsinger erhalten Spenden vermehrt digital: «Die Sternsinger sind mit einer Büchse unterwegs, aber sie verteilen auch Flyer mit dem QR-Code für Twint-Spenden. Dieses Angebot wird immer mehr genutzt.»
Unzählige Influencer
Im Marketing setzen heute viele auf Influencer – hat auch Missio schon darüber nachgedacht? Hanspeter Ruedl lacht: «Wir überlegen uns tatsächlich gerade, einen Influencer aufzubauen, die oder den man mit unserer Arbeit verbindet und die oder der uns gegen aussen ein Gesicht gibt.» Vorerst sind es im Dezember und Januar die Sternsinger – unzählige Kinder und Jugendliche, die als «Influencer» schweizweit für Kinder in Not im Einsatz sind.
Im Kinderdorf in Tansania hat Lorena Knobel aus Gommiswald während sechs Monaten Kleinkinder betreut. Dabei hat die 18-Jährige nicht nur zu sich selbst, sondern auch zu Gott gefunden.
Wenn Lorena Knobel über die vergangenen Monate spricht, hört man die Freude aus jedem Wort. Das Leben der 18-jährigen Gommiswalderin hat sich Anfang dieses Jahres grundlegend geändert. Noch vor einem Jahr lebte die Teenagerin den Schulalltag an der Kantonsschule in Wattwil, hat dem Chemielehrer zugehört und sich im Sportunterricht ausgepowert. Dann hat sie sich entschlossen, die Schule zu verlassen. Auf der Suche nach einer Zwischenlösung stiess sie auf das Volontariatsprogramm Voyage Partage der katholischen Ordensgemeinschaften in der Schweiz und reiste nur vier Monate später als Volontärin nach Tansania ins Kinderdorf Mbingu. «Es ging sehr schnell. Aber zum Glück hat sich alles so ergeben.»
Englischunterricht im Dorf
Das Kinderheim wurde 2003 vom Schweizer Beat Wandeler mithilfe von Baldegger Schwestern gegründet. Lorena Knobel betreute während sechs Monaten gemeinsam mit sieben «Ersatzmamis» rund 30 Kinder zwischen einem Monat und sechs Jahren. Sie half mit bei der Pflege und Betreuung der Kinder, beim Waschen und Kochen. Einmal wöchentlich unterrichtete sie zudem 25 Kinder in Englisch in der etwas entfernten Dorfschule. Die meisten der betreuten Kinder im Heim haben mindestens einen Elternteil verloren.
Ziel ist es, ihnen ein Zuhause zu geben, bis sie selbstständig genug sind, um für sich selber sorgen zu können, und zu ihren Verwandten zurückkehren können. «Es sind traurige Schicksale. Aber im Alltag und in der geschützten Atmosphäre bekam ich nur vom Hörensagen davon mit», sagt Lorena Knobel, die in der Arbeit mit den Kindern Kraft schöpfte. «Die Zeit mit ihnen war prägend.» Lorena Knobel und die «Ersatzmamis» um die Kinder versuchten, den Kindern «einen möglichst unbeschwerten Start ins Leben zu ermöglichen und Freude in den Alltag zu bringen». Der Verein unterstützt nebst den «Ersatzmamis» auch den Ackerbau und die Landwirtschaft für die Selbstversorgung in der näheren Umgebung.
Schwieriger Start
Lorena Knobel beschreibt sich als offenen und unkomplizierten Menschen. Sie habe in Afrika wenig an die Schweiz und ihr Leben in Europa gedacht. Heimweh hatte sie nicht. «Ich durfte verschiedene Herausforderungen annehmen und fühlte mich immer herzlich und wohlwollend von den Einheimischen angenommen», sagt sie, verschweigt aber auch nicht, dass die Anfangszeit doch nicht ganz so einfach gewesen ist. «Ich habe Swahili nicht verstanden, das Learning by Doing hatte ich mir einfacher vorgestellt. Englisch wurde kaum gesprochen. Aber wir konnten immer wieder gemeinsam lachen. Es tut gut, zusammen zu lachen. Humor verbindet wirklich.» In Tansania begann Lorena Knobel, in der Bibel zu lesen. Und sie fand «Kraft und Erfüllung» darin. «Ich habe immer gedacht, der Glaube schränke uns in unserer Freiheit ein, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Ich habe mich noch nie so frei gefühlt wie jetzt in der Beziehung zu Gott.» Auch zurück in der Schweiz spielt der Glaube ein erstes Mal eine bedeutende Rolle in ihrem Leben. Die Zeit in Ostafrika hat Lorena Knobel geprägt und sie «als Mensch wachsen lassen», wie sie selbst sagt.
Ausbildung im Fokus
Im Sommer hat Lorena Knobel eine Lehre als Fachfrau Gesundheit an der Psychiatrischen Klinik Wil begonnen und konzentriert sich nun vorerst auf ihre Ausbildung. An die Zeit im Kinderheim und die Menschen in Tansania denkt sie aber immer gerne und oft zurück. Vor allem die Frage, was dereinst mit den Kindern passiert und wo sie der Weg hinführen wird, beschäftigt sie. Die Erfahrungen, die sie gemacht hat, wird sie ein Leben lang nicht vergessen. Für Lorena Knobel ist klar: Es soll nicht ihre letzte Reise nach Tansania gewesen sein.
Was fasziniert Kinder an Weihnachten? Und was können sich Erwachsene davon abschauen? Im Interview sprechen Pavel Zupan und Eliane Rusch aus der Seelsorgeeinheit Walensee über die Magie von Weihnachten und wo sich die Weihnachtsbotschaft im Adventstrubel findet.
Bei vielen Menschen sind mit Weihnachten eine Menge Kindheitserinnerungen verbunden. Was ist Ihre stärkste Erinnerung?
Pavel Zupan: Meine Familie kommt aus Slowenien. Dort brachte der Samichlaus am 6. Dezember die Geschenke, Weihnachten war in meiner Kindheit dann eher für das Familiäre und Religiöse reserviert. Ich erinnere mich an mich als 9‑Jährigen. Ich sah ein Stück der Bühne, in dem der Samichlaus mit dem Schlitten vorfuhr. Begleitet wurde er von zwei Teufeln, die Krampus heissen, und zwei Engeln. Bei den Teufeln merkte ich schnell, dass diese von Personen gespielt wurden. Bei den Engeln glaubte ich hingegen noch lange, dass sie echt gewesen waren. Das ist eine schöne Kindheitserinnerung. Gott ist ein Freund, der mir seine Engel schickt. Eine weitere Erinnerung ist ein Krippenspiel etwas später in der Schweiz. Ich spielte den Josef und meine Mutter hatte mir ein Gewand aus einem Stück Stoff genäht, das mein Grossvater in Slowenien noch selbst gewoben hatte. Das sind schöne Erinnerungen an den Glauben, die Familie und Freunde.
Eliane Rusch: Meine schönste Kindheitserinnerung ist die Mitternachtsmesse. Das war bei uns Tradition. Wir assen an Heiligabend zusammen, packten Geschenke aus und gingen danach in die Mitternachtsmesse. Noch wichtiger war aber, dass wir nach der Mitternachtsmesse alle zum Nani nach Hause gingen. Ihre Küche war immer voll mit Menschen. Es gab Kaffee und Guetzli und wir blieben lange bis in den 25. Dezember hinein wach. Mit lieben Menschen nach der Mitternachtsmesse zusammenzusitzen, ist mir bis heute wichtig.
Eliane Rusch, Religionspädagogin und Pavel Zupan, Seelsorger vom Pastoralteam Seelsorgeeinheit Walensee
Was können wir bezüglich Vorfreude auf Weihnachten bei Kindern abschauen?
Eliane Rusch: Das sind die Magie, Vorfreude, Spannung und der Nervenkitzel. Wer es schafft, diese Dinge ins Erwachsensein zu transportieren, kann nicht anders, als sich auf Weihnachten zu freuen.
Pavel Zupan: Wir können uns alles bei Kindern abschauen. Ich bewundere an Kindern immer, wie anders als Erwachsene sie staunen können, etwa über das Geheimnis von Weihnachten, das sich in vielen Dingen ganz unterschiedlich zeigt.
Wie lässt sich diese kindliche Vorfreude bewahren?
Eliane Rusch: Es gibt verschiedene Angebote seitens der Kirche, wie neu zum Beispiel Kirche Kunterbunt. Diese richtet sich an Familien. Unter dem Titel «Säg emol Stern» ist dieses Jahr das Thema im Advent «Stern als Wegweiser – Die Geburt Jesu als Sternstunde für die Menschheit – Sternstunden im Leben». Die Familien besuchen keinen typischen Gottesdienst, sondern treffen sich, bekommen Inputs und setzen sich mit ihren eigenen Gedanken auseinander. Es ist weniger ein Sich-Berieseln-Lassen wie in einem klassischen Gottesdienst. Das spricht vielleicht den einen oder anderen an. Allerdings gibt es Kirche Kunterbunt bei uns erst seit Kurzem. Ich wünsche mir, dass wir damit zum fixen Begleiter für Familien in der Adventszeit werden.
Pavel Zupan: Wir sind eine ländliche Region. Das Krippenspiel und das Sternsingen sind bei uns wirklich gut besucht. Es sind niederschwellige Angebote. Alle können mitmachen. Beides erinnert uns daran, worum es an Weihnachten geht.
Das wäre?
Pavel Zupan: Für mich ist es die Botschaft der Engel an die Hirten. Sie sollen sich nicht fürchten, sondern spüren, dass sie nicht alleine sind. Das ist gerade an Weihnachten wichtig, weil in dieser Zeit bei vielen Menschen die grossen Fragen des Lebens auf den Tisch kommen. Einige haben vielleicht gerade jemanden verloren und trauern. An Weihnachten steht die Botschaft im Mittelpunkt, dass wir nicht alleine sind. Gott wird aus Liebe Mensch und möchte uns nahe sein. Das gibt uns Hoffnung.
Eliane Rusch: Da kann ich nur zustimmen. Gott ist einer, der mit uns mitgeht und bei uns Menschen sein möchte.
Pavel Zupan: Kinder im Religionsunterricht erwarten im Advent etwas Besonderes.
Wie können wir uns die Weihnachtsbotschaft stärker bewusst machen?
Eliane Rusch: Mir persönlich hilft es, in der Adventszeit noch bewusster in einen Gottesdienst zu gehen. Die Roratefeiern berühren mich jedes Mal. Auch die dunklen Kirchen und das Kerzenlicht etwa an der Mitternachtsmesse sprechen mich an. Die mystische Stimmung zeigt, da passiert etwas Wundervolles. Ausserdem nutze ich für mich Online-Adventskalender wie zum Beispiel den Podcast «Advent online», die mir regelmässig Gedanken mit auf den Weg geben. Als Familie musizieren und singen wir im Advent gemeinsam. Am Adventssonntag darf immer ein Kind eine Kerze anzünden. Wir üben Lieder für Weihnachten und basteln Geschenke.
Pavel Zupan: Mich sprechen ebenfalls die Rorategottesdienste mit dem anschliessenden Brotbrechen und gemeinsamen Frühstück an. Persönlich versuche ich, im Advent morgens immer eine Kurzandacht zu lesen. Das hilft mir, mich zu erden. Als Religionslehrer habe ich auch festgestellt, dass meine Schulkinder in der Adventszeit etwas Besonderes erwarten. Wir gehen dann zum Beispiel in die Kirche oder an andere Orte.
Weihnachtsmärkte, viel Deko und Geschenkewahn: Weihnachten und Kommerz gehören zusammen. Oder nicht?
Eliane Rusch: Wenn ich meine Primarschülerinnen und ‑schüler im Religionsunterricht frage, auf was sie sich an Weihnachten freuen, nennen sie meist als erstes Geschenke. Hake ich dann aber nach, merke ich, dass sie die Hintergründe des Festes schon kennen. Das zeigt mir, dass die Weihnachtsbotschaft nicht vergessen ist. An erster Stelle stehen aber die Geschenke, dann kommt das Familienfest und dann die religiöse Bedeutung.
Pavel Zupan: Ja, Geschenke stehen definitiv an erster Stelle. Was mich aber regelmässig positiv überrascht, etwa, wenn ich mit meinen Schulkindern oder verschiedensten Menschen spreche, ist, dass hinter all den Geschenken immer eine Sehnsucht steckt. Es ist die Sehnsucht, nach schönen Momenten mit der Familie und Freunden. Diese tragen uns, und davon können wir zehren. Unsere Gesellschaft weiss also, dass es an Weihnachten um Tieferes geht und um Dinge, die wir eben nicht kaufen können. Hier sehe ich eine grosse Chance für uns als Kirche.
Zur Katholischen Kirche gehören die verschiedensten Nationen. Was können wir voneinander abschauen?
Pavel Zupan: Wir sollten das, was verschieden ist, miteinander teilen und uns bewusst machen, was uns vereint. Ich mag beispielsweise Gottesdienste, in denen verschiedene Elemente aus verschiedenen Kulturen zusammenkommen. Ich habe auch eine persönliche Weihnachtstradition, die ich gerne mag: Ein typisch slowenisches Weihnachtsgericht ist Potica, ein Kuchen, der an einen Marmorkuchen erinnert. Man teilt ihn mit anderen und spricht über Erinnerungen.
Eliane Rusch: Das sehe ich aus so. Die verschiedenen Bräuche und Rituale zeigen uns, worum es an Weihnachten geht. Das Vereinende und Tragende ist für mich das Zusammenkommen und das gemeinsame Feiern der Geburt von Jesus.
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Interview: Nina Rudnicki
Bilder: Manuela Matt
Veröffentlichung: 27. November 2024
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