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Freude und Trubel in einem

Ana und Marko Frko­vić aus Gold­ach erzäh­len, wie sie mit ihren vier Kindern an Weih­nach­ten kroa­ti­sche und schwei­ze­ri­sche Tradi­tio­nen kombi­nie­ren.

Wenn Ana und Marko Frko­vić von Weih­nach­ten in Kroa­ti­en erzäh­len, fallen oft die Worte Fami­lie und Gemein­schaft. «Es ist das Fest, an dem es darum geht, glück­lich und zusam­men zu sein», sagt Marko Frko­vić. Ein unge­schrie­be­nes Gesetz sei, dass an Weih­nach­ten keine Meinungs­ver­schie­den­hei­ten herr­schen soll­ten. «Das ist auf alle Fälle eine meiner Kind­heits­er­in­ne­run­gen. An Weih­nach­ten gab es auto­ma­tisch Ruhe von allen Reibe­rei­en etwa zwischen zwei Perso­nen.» Vor acht Jahren haben Ana und Marko Frko­vić gehei­ra­tet. Dafür ist Marko Frko­vić von Kroa­ti­en, wo er in dem Ort Gospic lebte, zu seiner Frau nach Gold­ach gezo­gen. Die 32-Jährige hat eben­falls kroa­ti­sche Wurzeln und ist in der Ostschweiz aufge­wach­sen. «Für uns beide ist Weih­nach­ten ein gros­ses Fami­li­en­fest. Darum ist es scha­de, dass wir beide hier keine Verwand­ten mehr haben. Sie sind zurück nach Kroa­ti­en gezo­gen», sagt sie.

Trubel und Freude

Ana und Marko Frko­vić gestal­ten die Advents- und Weih­nachts­zeit dennoch als Fami­li­en­fest, einfach im klei­ne­ren Rahmen. Mit ihren vier Kindern Magda­le­na, Mari­ja, Tere­zi­ja und Josip, die zwischen einein­halb und sechs Jahre alt sind, kombi­nie­ren sie schwei­ze­ri­sche und kroa­ti­sche Weih­nachts­tra­di­tio­nen. «Mit den Kindern ist es derzeit sowie­so Freu­de und Trubel in einem, Weih­nach­ten zu feiern», sagt Ana Frko­vić und fügt an, dass sie spon­tan schau­en müss­ten, welche Weih­nachts­pro­gramm­punk­te gera­de passen würden oder was zu viel sei. Fest steht aber, dass zu Weih­nach­ten tradi­tio­nell kroa­ti­sche Gerich­te wie Sarma – Roula­den aus Hack­fleisch und Sauer­kraut – genau­so wie auch Raclette gehö­ren können.

Jeden Morgen zur Rorate

Zu den Weih­nachts­tra­di­tio­nen zählen Ana und Marko Frko­vić die Rora­te in der Advents­zeit. Marko Frko­vić sagt: «Wir feier­ten diese in Kroa­ti­en aller­dings jeden Morgen. Und es muss­te jeweils mindes­tens eine Person pro Fami­lie hinge­hen. Genau­so wich­tig ist es, die Mitter­nachts­mes­se an Heilig­abend zu besu­chen.» Ana Frko­vić ergänzt: «Für uns steht an erster Stel­le, dass Weih­nach­ten ein reli­giö­ses Fest ist, an dem wir die Geburt von Jesus feiern.» Daran erin­nert auch die Krip­pe, die sie unter ihrem Weih­nachts­baum aufstel­len. Letz­te­rer wurde und wird in Kroa­ti­en aller­dings häufig etwas anders besorgt als hier: Ana und Marko Frko­vić erin­nern sich daran, wie in ihren Fami­li­en die Männer dafür zustän­dig waren, am 24. Dezem­ber den Tannen­baum zu fällen. «Dafür gingen mein Vater oder Gross­va­ter in einen Privat­wald und schlu­gen die Tanne gleich selbst. Die Frau­en berei­te­ten dafür die tradi­tio­nel­len Gerich­te für das Abend­essen vor», sagt der 40-Jährige. Auch der 25. und 26. Dezem­ber werden in Kroa­ti­en mit der Fami­lie verbracht. «Diese Besu­che fallen hier bei uns jetzt zwar weg. Aber wenn wir in die Kirche gehen, spüren wir, dass wir Teil einer Gemein­schaft sind», sagt er.

Text: Nina Rudnicki

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 26. Novem­ber 2024

Theaterstücke aus dem Kloster

Sr. M. Vero­ni­ka Kucha­ro­va hat im Archiv des Klos­ters Magden­au (Wolferts­wil) einen ­beson­de­ren Fund gemacht: 30 Thea­ter­stü­cke über den turbu­len­ten Klos­ter­all­tag, die Sr. Sophia zwischen 1937 und 1947. verfass­te und im Klos­ter zur Auffüh­rung brachte.

Sr. M. Vero­ni­ka Kucha­ro­va zieht aus einem Schu­ber mehre­re Manu­skrip­te. Auf einem prangt der Titel «Die Wieder­eröff­nung der Klos­ter­apo­the­ke im Klos­ter Magden­au». Im Stück wirken mit: eine Dokto­rin und drei Pati­en­ten. «In dieser lusti­gen Geschich­te geht es um eine Klos­ter­frau, die als Dokto­rin drei Pati­en­ten behan­deln will – und zwar alle mit Wermut», fasst Sr. Vero­ni­ka zusam­men. Es ist eine fikti­ve Geschich­te, aber sie nimmt humor­voll Bezug auf die stren­ge Ausle­ge­ord­nung einer klös­ter­li­chen Klau­sur, die jeden Kontakt gegen aussen verbie­tet, so wie sie das Konzil von Trient gefor­dert hat.

Sr. M. Vero­ni­ka fand im Klos­ter­ar­chiv dreis­sig Theaterstücke.
Für jedes Thea­ter­stück wurde ein Titel­bild gezeichnet.

Von Krea­ti­vi­tät beeindruckt

Beim Gespräch mit Sr. Vero­ni­ka merkt man sofort: Die Ordens­frau hat sich akri­bisch mit der dich­ten­den Nonne Sr. Sophia beschäf­tigt. Voller Begeis­te­rung schüt­telt sie Episo­den und Details aus deren Leben, Stücken und dem Klos­ter­all­tag Anfang des 20. Jahr­hun­derts aus dem Ärmel. Aktu­ell schreibt sie an der Univer­si­tät Wien eine Master­ar­beit über sie. «Mich beein­druckt ihre Krea­ti­vi­tät», sagt Sr. Vero­ni­ka. Sie ist im Klos­ter für das Archiv zustän­dig. Als sie dort auf die Thea­ter­stü­cke stösst, ist ihr Inter­es­se sofort geweckt: «Ich trat 1993 ins Klos­ter Magden­au ein», erzählt die gebür­ti­ge Tsche­chin, «ich kann mich erin­nern, dass wir damals die Todes­an­zei­ge von Sr. Sophia aus Däne­mark erhal­ten haben.»

Sr. Vero­ni­ka: «Die Thea­ter­stü­cke geben Einbli­cke in den dama­li­gen Klosteralltag.»

Humor­vol­le Stücke

Die Thea­ter­stü­cke von Sr. Sophia doku­men­tie­ren den Alltag im Klos­ter, aber auch ein Stück Zeit- und Ordens­ge­schich­te. «Die Stücke sind nicht nur spiri­tu­ell, sondern auch sehr humor­voll», hält Sr. Vero­ni­ka fest. Die Schwestern schlüpf­ten oft auch in Männer­rol­len. Aufge­führt wurden die Thea­ter­in­sze­nie­run­gen jeweils zum Wahl­tag der Äbtis­sin. Den Doku­men­ten ist zu entneh­men, dass für die Proben und Requi­si­ten ein gros­ser Aufwand betrie­ben wurde. «Aufge­führt wurden die Stücke aber nur für die Schwes­ter­ge­mein­schaft», so Sr. Vero­ni­ka. Ausge­wähl­te Gäste durf­ten dem Stück durch das Gitter der Klau­sur beiwoh­nen. «Die Stücke soll­ten Iden­ti­tät stif­ten, aber auch unter­hal­ten.» Die Stücke entstan­den mitten in der Zeit des Zwei­ten Welt­krie­ges. «Dies kommt in den Stücken aber nie expli­zit vor», sagt Sr. Vero­ni­ka, «damals lebten 70 Schwes­tern im Klos­ter, wahr­schein­lich war die Angst zu gross, dass etwas davon nach draus­sen dringt und die Gemein­schaft in Bedräng­nis brin­gen könnte.»

Oft spiel­ten die Ordens­frau­en auch Männerrollen.

Ein Zeichen setzen

Das Klos­ter­ar­chiv enthält 30 Thea­ter­stü­cke aus der Feder von Sr. Sophia. «Da in manchen Schrif­ten auch noch ande­re Stücke erwähnt sind, die ich nicht im Archiv finden konn­te, muss man davon ausge­hen, dass im Klos­ter Magden­au auch ande­re Schwes­tern Thea­ter­stü­cke geschrie­ben haben.» Dass Sr. Vero­ni­ka die Thea­ter­stü­cke zum Thema ihrer Master­ar­beit an der Univer­si­tät Wien gewählt hat, kommt nicht von unge­fähr. Ihr geht es darum, ein Zeichen zu setzen: «Während die Archi­ve der Männer­klös­ter gut erforscht sind, hat sich noch kaum jemand mit den Archi­ven der Frau­en­klös­ter beschäftigt.»

Von Flawil nach Dänemark

Die Flawi­le­rin Hulda Gimmi tritt 1924 ins Klos­ter Magden­au und nimmt den Ordens­na­men Maria Sophia an. 1950 wird die sprach­be­gab­te Ordens­frau als Prio­rin in ein Zisterzienserkloster in Däne­mark beru­fen. Auch dort soll sie geschrie­ben haben, es sei über­lie­fert, dass in Däne­mark Musi­cals von ihr aufge­führt wurden. Im Klos­ter Magden­au hinge­gen scheint nach dem Wegzug von Sr. Sophia die Tradi­ti­on der Thea­ter­stü­cke nicht fort­ge­führt worden zu sein. Auch heute werden im Klos­ter Magden­au keine Thea­ter­stü­cke aufge­führt. Die über 80 Jahre alten Dreh­bü­cher enthal­ten laut Sr. Vero­ni­ka eine wich­ti­ge Botschaft: «Für mich wird darin ganz deut­lich sicht­bar, welche Früch­te der christ­li­che Glau­be tragen kann, wenn er ganz­heit­lich gelebt wird und alle ihre persön­li­chen Bega­bun­gen einbrin­gen können.» Mit ihrer Master­ar­beit möch­te sie einen Beitrag dazu leis­ten, dass die ausser­ge­wöhn­li­che Ordens­frau nicht verges­sen geht.

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 25. Novem­ber 2024

Geschenke von den Sternen

Zu tradi­tio­nell polni­schen Weih­nach­ten gehö­ren zwölf Gerich­te. Geschen­ke kann nebst dem Christ­kind auch ein Stern brin­gen. Und wie in Polen üblich, lässt Magda­le­na Jenek zusam­men mit ihrer Fami­lie am Weih­nachts­tisch immer einen Platz für einen uner­war­te­ten Gast frei.

«Weih­nach­ten war für mich als Kind immer wie ein Märchen», sagt Magda­le­na Jenek. «All die Vorbe­rei­tun­gen, der Schnee und die Mitter­nachts­mes­se in der Kirche, zu der das ganze Dorf mit Later­nen unter­wegs war.» Die 39-jährige gebür­ti­ge Polin sitzt an ihrem Esstisch im Thur­gaui­schen Stein­ebrunn. Sie zeigt auf ihren Arm und sagt: «Wenn ich nur schon an Weih­nach­ten denke, bekom­me ich Gänse­haut.» In der Ostschweiz lebt Magda­le­na Jenek seit 20 Jahren. Sie enga­giert sich im Bistum St. Gallen als polni­sche Vertre­tung im Missi­ons­rat St. Gallen-Thurgau und besucht in der Kapel­le Unte­re Waid in Mörsch­wil die polni­schen Gottes­diens­te. In die Ostschweiz gezo­gen ist sie, weil sie sich während eines Besuchs bei ihrem Onkel, der Pries­ter in Flums ist, in ihren späte­ren Mann verlieb­te. «Und weil mein Mann eben­falls ursprüng­lich aus Polen ist, teilen wir all die vielen polni­schen Weih­nachts­tra­di­tio­nen», sagt sie.

Versöh­nung, Liebe und Frieden

Obwohl es noch ein paar Wochen bis Weih­nach­ten dauert, hat Magda­le­na Jenek extra für das Inter­view eini­ge polni­sche Obla­te besorgt. Die dünnen Teig­plätt­chen, auf denen Maria, Josef und das Jesus­kind in der Krip­pe abge­bil­det sind, dürf­ten an Weih­nach­ten auf keinen Fall fehlen. «Es ist eine der wich­tigs­ten Tradi­tio­nen», sagt sie und erzählt, wie sich an Heilig­abend die ganze Fami­lie am Tisch versam­melt. Es wird eine Caritas-Kerze ange­zün­det, gebe­tet und im Evan­ge­li­um gele­sen. Danach verteilt das Fami­li­en­ober­haupt an alle Anwe­sen­den Obla­te. «Alle gehen mit ihrer Obla­te zu den ande­ren Fami­li­en­mit­glie­dern, brechen ein Stück ab und wünschen ihrem Gegen­über etwas. Das ist ein Zeichen von Versöh­nung, Liebe und Frie­den», sagt sie. Anschlies­send beginnt das Weih­nacht­es­sen, das aus zwölf verschie­de­nen Gerich­ten besteht. «Und dieses Essen hat man sich verdient», sagt Magda­le­na Jenek und erzählt, wie man in Polen am 24. Dezem­ber tags­über fastet und schon früh am Morgen mit der Zube­rei­tung der Spei­sen beginnt. Der Baum muss geschmückt und der Tisch spezi­ell gedeckt werden: Die weis­se Tisch­de­cke liegt auf Heu, das daran erin­nern soll, dass Jesus arm in einem Stall zur Welt kam. Zudem bleibt immer ein Platz für einen uner­war­te­ten Gast frei. «Niemand soll an Weih­nach­ten allei­ne sein. Ausser­dem erin­nert uns der freie Platz einer­seits an jene Perso­nen, die verstor­ben sind. Ande­rer­seits lässt er uns an Maria und Josef denken, die nirgendwo einen Unter­schlupf fanden», sagt sie.

Für jeden Apos­tel ein Gericht

Auf die zwölf Gerich­te ange­spro­chen, lacht Magda­le­na Jenek und sagt: «Ja, zwölf Gerich­te müssen es sein, denn sie symbo­li­sie­ren die zwölf Apos­tel.» Nach Suppen, Teig­ta­schen, Sauer­kraut, Hering­salat, Knödel, Trocken­früch­te­kom­pott und vielem mehr werden Weih­nachts­lie­der gesun­gen und Geschen­ke verteilt. «Bei uns können entwe­der Engel, das Christ­kind, ein Stern oder ein Weih­nachts­mann Geschen­ke brin­gen. In meiner Fami­lie war es immer der Stern», sagt sie. Wird es Zeit für die Mitter­nachts­mes­se, macht sich die Fami­lie gemein­sam auf den Weg. «In meinem Heimat­ort Nosow waren das immer zwei Kilo­me­ter, die wir durch Dunkel­heit und Kälte liefen. Aber unse­re Herzen waren voller Freu­de und Wärme, weil Gott so nah bei uns war. Das war immer ein wunder­schö­nes Erlebnis.»

Einen Platz freihalten

Der erste und zwei­te Weih­nachts­tag werden in der Fami­lie verbracht und an jedem Tag wird eine Messe besucht. «Wir Kinder führ­ten dann jeweils jedes Jahr ein Krip­pen­spiel auf», sagt Magda­le­na Jenek. Nach Weih­nach­ten habe der Pries­ter alle Fami­li­en besucht. «Es wurde gere­det, gebe­tet und das Haus geseg­net. Man lern­te sich besser kennen, was die Gemein­schaft stärk­te.» Dann erin­nert sie sich spon­tan daran, wie der Pries­ter jeweils die Hefte der Kinder aus dem Religions­unterricht anschau­te und lobte. In Polen ist der Gross­teil der Bevöl­ke­rung katho­lisch. «Und in meinem Dorf waren wohl prak­tisch alle katho­lisch und die Weih­nachts­tra­di­tio­nen stark veran­kert. Weih­nach­ten ist das Fest, das uns daran erin­nert, dass Gott Mensch wurde und für uns gebo­ren, gestor­ben und aufer­stan­den ist», sagt Magda­le­na ­Jenek. Viele Weih­nachts­tra­di­tio­nen versucht sie auch heute in der Ostschweiz zusam­men mit ihrem Mann und Sohn weiter­zu­füh­ren. «Wir haben auch immer einen Platz für einen uner­war­te­ten Gast und vor zwei Jahren kam tatsäch­lich ein Nach­bar vorbei», sagt sie. Und natür­lich begin­nen wir das Weih­nachts­fest, wie in Polen üblich, dann, wenn am Himmel der erste Stern erscheint.

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 23. Novem­ber 2024

Wenn alle die Krippe bestaunen

Die Katho­li­kin Sarah Soos­ai­pil­lai aus Rorschach erzählt, wie sie als Kind in ihrer südin­di­schen Heimat Weih­nach­ten feier­te und welche Bräu­che sie bis heute beibe­hal­ten hat.

«Zu Weih­nach­ten in Südin­di­en gehört auf alle Fälle ein Kreuz aus frit­tier­tem Teig», sagt die Rorscha­ch­e­rin Sarah Soos­ai­pil­lai. Und schon steckt die 51-Jährige mitten in ihren Kind­heits­er­in­ne­run­gen an die Advents- und Weih­nachts­zeit. Schon eine Woche vor Heilig­abend ging es mit den Weih­nachts­vor­be­rei­tun­gen jeweils los. Als Erstes form­te ihre Gross­mutter das erwähn­te Kreuz aus frischem Teig und frit­tier­te dieses. «Dann folg­ten frit­tier­te Süssig­kei­ten und herz­haf­te Spei­sen wie Kall­al, Ladoo und Muru­ku», sagt sie. Sarah Soos­ai­pil­lai lebt seit über 20 Jahren in der Ostschweiz. Sie ist Katho­li­kin. In Indi­en gehö­ren 2,3 Prozent aller Menschen dem Chris­ten­tum an. Das frit­tier­te Teig­kreuz ist auch hier Teil jedes Weih­nachts­fests mit ihrem Mann und ihren zwei Töch­tern. «Meine Gross­mutter brach das Kreuz nach der Mitter­nachts­mes­se in klei­ne Stücke und jedes Fami­li­en­mit­glied bekam eines davon», sagt sie.

Als Chor von Tür zu Tür

Die Tage vor Weih­nach­ten sind für Sarah Soos­ai­pil­lai die Zeit, in der man sich auf die Geburt von Jesus vorbe­rei­tet. Es ist ein Ereig­nis, das Hoff­nung auf Frie­den verspricht. «Diese Vorfreu­de teilt man in Indi­en mit der Gemein­schaft und der Nach­bar­schaft», sagt sie und nennt als Beispiel «Carol Singing». Dabei gehen Chöre von Tür zu Tür der katho­li­schen Fami­li­en, um Spen­den für einen guten Zweck zu sammeln. Die Fami­li­en bedan­ken sich mit klei­nen Geschen­ken oder Süssig­kei­ten. «Süsses oder Gebäck schenk­ten wir auch unse­ren hindu­is­ti­schen Nach­barn in meiner Heimat­stadt Erode im Bundes­staat Tamil Nadu. Im Gegen­zug beka­men wir von ihnen etwas, wenn sie das Lich­ter­fest Diwa­li feier­ten.» Auch Krip­pen spie­len in Sarah Soos­ai­pil­lais Weih­nachts­er­in­ne­run­gen eine wich­ti­ge Rolle. Sie lacht und erzählt, wie die Fami­li­en in ihrer Nach­bar­schaft in den Tagen vor Weih­nach­ten wirk­lich gros­se Krip­pen zu Hause aufbau­ten. Nach Weih­nach­ten besuch­te der Seel­sor­ger jeweils alle Fami­li­en und zeich­ne­te die drei schöns­ten Krip­pen aus. «Danach kamen alle Nach­barn vorbei, um die Krip­pen anzuschauen.»

Gewür­ze für den Advent

Gera­de im Advent vermisst Sarah Soos­ai­pil­lai vieles aus ihrer Heimat, etwa die Gewür­ze und Gerü­che. Während des Dezem­bers verkauft sie daher an ihrem Stand auf dem Markt­platz in Rorschach sams­tags nebst Mittags­me­nüs auch Gewürz­mi­schun­gen, deren Zube­rei­tung sie von ihrer Mutter und Gross­mutter gelernt hat. In die Schweiz kam Sarah Soos­ai­pil­lai wegen ihres Mannes, der ursprüng­lich aus Sr. Lanka stammt. Hier arbei­tet sie aktu­ell als Betreue­rin in der Tages­be­treu­ung Rorschach. Zudem enga­gier­te sie sich im Pfar­rei­rat sowie im Eltern­rat an der Primar­schu­le ihrer Töch­ter, orga­ni­sier­te frei­wil­li­ge Turn­stun­den für Kinder und gab Koch­kur­se für Erwach­se­ne. Seit sechs Jahren führt sie den Cate­ring­dienst und den Take-away-Imbiss «Sarahs Indi­an Kitchen».

Karten als Christbaumschmuck

Nach Indi­en ist Sarah Soos­ai­pil­lai über die Weih­nachts­ta­ge mit ihrer Fami­lie noch nie gereist. «Die Feri­en sind zu kurz für so eine lange Reise», sagt sie. Dafür besucht sie mit ihrer Fami­lie jeweils die Mitter­nachts­mes­se in der katho­li­schen Kirche in Rorschach. «Die Mitter­nachts­mes­se gehör­te auch in Indi­en zum Heilig­abend. Der Unter­schied ist aber, dass sie in Indi­en wirk­lich um Mitter­nacht und nicht schon um 22 Uhr, wie vieler­orts hier, gefei­ert wird», sagt sie. Eine Krip­pe gehört für Sarah Soos­ai­pil­lai heute noch zu Weih­nach­ten dazu sowie Gebe­te vor der Krip­pe. «Und wir haben natür­lich einen Weih­nachts­baum mit der übli­chen Deko­ra­ti­on», sagt sie und fügt an: «Das fand ich früher fast schö­ner: Meine Mutter und Gross­mutter schmück­ten den Weih­nachts­baum jeweils mit Post­kar­ten, die uns Verwand­te und Freun­de in der Advents­zeit geschickt hatten. Das war defi­ni­tiv eine ande­re Zeit.»

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 21. Novem­ber 2024

Der Umgekehrte Adventskalender

Von Armut betrof­fe­ne Perso­nen im Advent mit einem Paket über­ra­schen: Die Idee von ­Andrea Stauss stösst auf gros­sen Anklang. Die St. Galle­rin orga­ni­siert auch in diesem Jahr ­einen umge­kehr­ten Advents­ka­len­der. Für die Akti­on sucht sie Freiwillige.

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Wer waren die St. Galler Bischöfe?

Wer und wie der Nach­fol­ger von Bischof Markus Büchel sein wird, ist jetzt noch offen. Der Blick in die Bistums­ge­schich­te zeigt, wie unter­schied­lich St. Galler Bischö­fe ihr Amt gestal­tet haben. Manche enga­gier­ten sich für inno­va­ti­ve Anlie­gen in Kirche, Staat und Gesell­schaft oder bewie­sen Mut in Krisenzeiten.

Hilfe für Alko­hol­ab­hän­gi­ge: Augus­tin Egger

Augus­tin Egger, der drit­te St. Galler Bischof, stamm­te aus Kirch­berg SG und war erst 49 Jahre alt, als er 1882 zum Bischof geweiht wurde. «Das sozia­le Enga­ge­ment war ihm ein wich­ti­ges Anlie­gen», so Cornel Dora. So setz­te er sich zum Beispiel gegen den Alko­ho­lis­mus ein, ein zu dieser Zeit sehr verbrei­te­tes Problem, und förder­te die christ­lich­so­zia­le Arbei­ter­be­we­gung. 1896 vermit­tel­te er eine päpst­li­che Aner­ken­nung für Henry Dunant, den Grün­der des Roten Kreu­zes. Dass sich sein Enga­ge­ment und auch das seiner Nach­fol­ger oft nicht auf das Bistum St. Gallen beschränk­te, kam nicht von unge­fähr: «Das Bistum St. Gallen ist vergli­chen mit ande­ren Bistü­mern klein», hält Cornel Dora fest, «deshalb hatten die St. Galler Bischö­fe auch genü­gend Frei­räu­me, um sich für natio­na­le oder inter­na­tio­na­le Anlie­gen einzu­set­zen.» Bischof Augus­tin Egger betä­tig­te sich sehr lebhaft auch auf jour­na­lis­ti­schem Gebiet. Lange Zeit war er Haupt­mit­ar­bei­ter des konser­va­ti­ven Haupt­blat­tes des Kantons St. Gallen, des «Neuen Tagblatts», aus dem sich später die «Ostschweiz» entwi­ckel­te. «Aus diesem Gebiet entfal­te­te Dr. Egger eine rege Tätig­keit bis an sein Lebens­en­de», schrieb die Zeit­schrift «Die Schweiz» 1906 in einem Nach­ruf über ihn.

Gegen Unfehl­bar­keits­dog­ma: Carl Johann Greith

Der gebür­ti­ge Rappers­wi­ler streb­te ursprüng­lich eine Karrie­re als Stifts­bi­blio­the­kar an. «Doch er hatte viel Pech in seinem Leben, aus der Lauf­bahn als Stifts­bi­blio­the­kar wurde nichts», weiss der heuti­ge Stifts­bi­blio­the­kar Cornel Dora, der sich mit den Biogra­fien eini­ger St. Galler Bischö­fe näher beschäf­tigt hat, «Greith war ein bril­lan­ter Denker.» 1863 wurde er zum Bischof von St. Gallen geweiht und war damit der erste rich­ti­ge Bischof des neuge­grün­de­ten Bistums St. Gallen. Johann Peter Mirrer, der erste Bischof, war mehr­heit­lich mit der Errich­tung des Bistums beschäf­tigt und über­gab bereits ab den 1850er-Jahren die Führung der Bistums­ge­schäf­te an seinen späte­ren Nach­fol­ger Greith. Dieser setz­te sich als Bischof beim 1. Vati­ka­ni­schen Konzil gegen das Unfehl­bar­keits­dog­ma des Paps­tes ein. Vergeb­lich. Er muss­te 1870 die Dogma­ti­sie­rung schliess­lich akzep­tie­ren, doch mit der Verkün­di­gung dieses Dogmas in seinem Bistum liess er sich bis 1873 Zeit.

Für die latei­ni­sche Spra­che: ­Joseph Hasler

Ab 1962 tagte das 2. Vati­ka­ni­sche Konzil in Rom und sorg­te für eine nie gekann­te Aufbruchs­stim­mung in der katho­li­schen Welt, auch dabei: Joseph Hasler, von 1957 bis 1975 Bischof von St. Gallen. Sein Enga­ge­ment beim Konzil lässt sich aus heuti­ger Sicht eher als reak­tio­när bezeich­nen: Er setz­te sich für die Beibe­hal­tung der latei­ni­schen Spra­che in der Litur­gie ein. Als Bischof lagen ihm, selbst aufge­wach­sen in ärmli­chen Verhält­nis­sen, die Militär- und Gast­ar­bei­ter­seel­sor­ge sowie die Missio­nen in Afri­ka und Südame­ri­ka am Herzen und er war unter ande­rem Mitbe­grün­der des Fasten­op­fers, der heuti­gen Fasten­ak­ti­on. Zur Umset­zung der Konzils­be­schlüs­se verant­wor­te­te er 1972 bis 1976 die Synode 72 in St. Gallen, feder­füh­rend bei der Umset­zung war jedoch der späte­re Bischof Ivo Fürer.

Gegen den Anti­se­mi­tis­mus: Alois Scheiwiler

Der in Gossau gebo­re­ne Theo­lo­ge war am Aufbau der Christ­lich­so­zia­len Bewe­gung der Schweiz mitbe­tei­ligt und tat dies auch sehr eifrig als Publi­zist: Über 3000 Publi­ka­tio­nen zu christ­lich­so­zia­len Themen, aber auch zur Geschich­te des Klos­ters St. Gallen und der Regi­on St. Gallen veröf­fent­lich­te er in Zeit­schrif­ten. Auch als Bischof blie­ben ihm diese Anlie­gen wich­tig. Die Amts­zeit von Alois Schei­wi­ler dauer­te von 1930 bis 1938, fiel also mitten in die Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus. Er bezog – als einer der weni­gen Bischö­fe in Euro­pa und als einzi­ger der Schweiz – mit mehre­ren Protest­schrei­ben und Hirten­brie­fen mutig Stel­lung gegen den Anti­se­mi­tis­mus, gegen Rassen­wahn und die Verfol­gung von Menschen, die nicht in ein «arisches Menschen­bild» pass­ten wie Sinti, Roma oder behin­der­te Menschen. «Das war sehr mutig», betont Cornel Dora, «wären die Nazis in die Schweiz einmar­schiert, hätte das den Bischof wohl das Leben gekostet.»

Text: Stephan Sigg

Fotos: zVG.

Veröf­fent­li­chung: 11. Novem­ber 2024

Laternen, Kettenhemd und Pferd

Martin Diet­rich wirkt in diesem Jahr schon zum drit­ten Mal als heili­ger Martin mit seinem Pferd beim Martins­um­zug durch Walen­stadt mit. Warum ist er Fan vom heili­gen Martin?

«Viele Kinder freu­en sich beim Umzug beson­ders über das Pferd. Wenn das Wetter gut ist, dann nehmen wir uns auch Zeit, damit sie Fotos mit dem Pferd machen können. Der Umzug ist für unser Pferd ein gutes Trai­ning: Es lernt, sich besser zu konzen­trie­ren und sich nicht so schnell ablen­ken zu lassen. Ich heis­se selbst Martin, es ist ein beson­de­res Gefühl, am Umzug als heili­ger Martin ­dabei zu sein. Der heili­ge Martin war ein Soldat, ich trage als Kostüm ein Ketten­hemd, das ist zehn Kilo­gramm schwer. Es ist etwas Beson­de­res, mit meinem Pferd den Umzug anzu­füh­ren und mit den vielen Kindern und Erwach­se­nen durch das Städt­chen von Walen­stadt unter­wegs zu sein. Der heili­ge Martin hat die Menschen zum Teilen moti­viert. Diese schö­ne Botschaft wäre auch für die heuti­ge Zeit echt wichtig.»

In vielen Orten gibt es Räbeliechtli-Umzüge, in Walen­stadt orien­tiert er sich am heili­gen Martin. Der Umzug star­tet beim Primar­schul­haus. Wer mag, kann seine eige­ne Later­ne mitbrin­gen. Mit Trom­pe­ten­mu­sik ziehen alle zur katho­li­schen Kirche. Dort hören sie am Feuer die Geschich­te vom heili­gen Martin. Anschlies­send gibt es Wiener­li und Punsch. Die Kinder erhal­ten von Martin und seinen Helfern ein klei­nes Geschenk.

Der heili­ge Martin lebte vor mehre­ren Jahr­hun­der­ten. An einem kalten Tag begeg­ne­te er einem frie­ren­den Bett­ler. Er hatte Mitleid, deshalb teil­te er seinen Mantel und gab ihm ein Stück davon. Am 11. Novem­ber erin­nern sich die Menschen an ihn. Bastel­vor­la­gen, Lieder, Rezep­te für Gebäck und Geträn­ke rund um den heili­gen ­Martin kannst du hier down­loa­den: www.martin-von-tours.de

Sonn­tag, 10. Novem­ber, 17 Uhr, ­Walen­stadt, Primarschule

Text: Stephan Sigg

Bilder: Kath­rin Wetzig

Veröf­fent­li­chung: 9. Novem­ber 2024

Leserfrage: Was hat Petrus mit dem Wetter zu tun?

«Ich bestel­le das Wetter dann schon mal beim Petrus!» Dieser Spruch oder auch: «Petrus hat es mit dem Wetter wieder gut gemeint» huschen einem immer wieder spon­tan über die Lippen. Doch was hat Petrus tatsäch­lich mit dem Wetter zu tun?

Zuerst liefe­re ich einen knacki­gen Rück­blick in die Geschich­te: Die Vorstel­lung, dass Petrus für das Wetter verant­wort­lich ist, stammt aus der christ­li­chen Tradi­ti­on. Seit der Spät­an­ti­ke wird Petrus inner­halb der Jünger Jesu und der Heili­gen als obers­ter Apos­tel und Reprä­sen­tant der Kirche verehrt. Da liegt es nahe, ihm das Wetter­ma­chen zu über­tra­gen. Petrus wird zudem als Wäch­ter des Himmels und Schlüs­sel­trä­ger des Para­die­ses, also des Himmel­rei­ches, ange­se­hen. In vielen Kultu­ren und Geschich­ten wird ihm somit die Kontrol­le über das Wetter zuge­schrie­ben. Das führt dazu, dass Menschen ihm die Schuld geben, wenn das Wetter nicht so ist, wie sie es sich wünschen.

Wie schön wäre es, wenn …

Diese Über­lie­fe­run­gen sind oft humor­voll gemeint und spie­geln die mensch­li­che Neigung wider, für unvor­her­seh­ba­re Natur­er­eig­nis­se eine Person oder Figur verant­wort­lich zu machen. Das taten schon die Menschen, die seit der Anti­ke an Jupi­ter glaub­ten, insbe­son­de­re in der römi­schen Mytho­lo­gie. Jupi­ter war der Haupt­gott der römi­schen Reli­gi­on und wurde als Gott des Himmels und des Donners verehrt. Seine Anbe­tung begann etwa im 6. Jahr­hun­dert vor Chris­tus. Sie erreich­te ihren Höhe­punkt während der römi­schen Repu­blik und des römi­schen Kaiser­reichs. Es ist damals wie heute eine Art und Weise, mit der Unbe­re­chen­bar­keit des Wetters umzu­ge­hen. So ist und bleibt das Wetter Chef­sa­che und lässt sich zum Glück noch nicht mani­pu­lie­ren, regeln, dele­gie­ren oder gar befeh­len. Das ist ein Dilem­ma par excel­lence, denn wie schön wäre es halt doch, wenn …

Den Chef fragen

Zumin­dest habe ich Petrus meiner­seits schon eine Atem­pau­se gegönnt, denn hier in Gais lässt es sich wunder­bar leben: Die Luft, die Sonne, die Tempe­ra­tur und der Säntis sind unver­gleich­bar einzig­ar­tig geni­al und die Lebens­qua­li­tät ist äusserst attrak­tiv. Soll­te es uns trotz­dem hin und wieder ein Bedürf­nis sein, ein bestimm­tes Wetter zu bestel­len oder in Auftrag zu geben, dann bitte treu weiter an Herrn Petrus. Er wird es bestimmt doch noch, viel­leicht, even­tu­ell oder ziem­lich sicher rich­ten. Bei gewis­sen Neben­wir­kun­gen sowie Risi­ken fragen Sie nicht Ihren Arzt oder Apothe­ker, sondern wenden Sie sich direkt an den Chef höchst­per­sön­lich: Gott, den Vater im Himmel!

Fran­zis­ka Heigl, Reli­gi­ons­päd­ago­gin Teufen Bühler Gais

Veröf­fent­li­chung: 5. Novem­ber 2024

Künftig abends in die Kirche?

In vielen Pfar­rei­en wird die Gottes­dienst­ge­mein­de zuneh­mend klei­ner. Gefragt sind neue Gottes­dienstformen und ‑zeiten. Pfar­rei­en im Bistum St. Gallen wagen deshalb jetzt neue Wege.

Es ist längst kein Geheim­nis mehr: In vielen Pfar­rei­en wird die Gottes­dienst­ge­mein­de immer klei­ner. Hinzu kommen nicht selten perso­nel­le Engpäs­se. Vor allem Pries­ter fehlen. Wie künf­tig genü­gend Eucha­ris­tie feiern? Dies stellt die Pfar­rei­en zuneh­mend vor ein Problem. «Wir alle merken, dass es so nicht weiter­ge­hen kann. Einfach zuse­hen und abwar­ten ist für uns keine Alter­na­ti­ve mehr», sagt Phil­ipp Wirth, Pfar­rei­be­auf­trag­ter der Seel­sor­ge­ein­heit (SE) Stei­ner­burg. Diese hat auf das aktu­el­le Kirchen­jahr hin die Gottes­dienst­ord­nung ange­passt. Die Eucha­ris­tie­fei­er am Sams­tag­abend in Stein­ach wurde gestri­chen. «Wir konn­ten nicht mehr alle Gottes­diens­te aufrecht­erhal­ten», erklärt Wirth. Genau­so tönt es aus der Stadt St. Gallen. In den Pfar­rei­en St. Geor­gen, Riet­hüs­li und St. Otmar, die räum­lich nahe beiein­an­der liegen, wurde die Gottes­dienst­ord­nung eben­falls ange­passt. Seit diesem Jahr finden pro Wochen­en­de nur noch zwei statt drei klas­si­sche Sonntagsgottesdienste statt. Eine direk­te Auswir­kung des Pries­ter­man­gels und der immer klei­ner werden­den Fest­ge­mein­de, wie die Pfar­rei­be­auf­trag­te Barba­ra Walser sagt.

Anpas­sun­gen bedür­fen Mutes

Gottes­dienst strei­chen und gut ist? Ganz so einfach ist es nicht. Wenn Zeiten ange­passt oder gewohn­te Feiern gestri­chen werden, ist das immer auch mit Kritik verbun­den. Erich Gunt­li, Pfar­rer in der SE Werden­berg, spricht von einem Span­nungs­feld. «Viele Gläu­bi­ge redu­zie­ren das kirch­li­che Leben auf Gottes­dienst­be­su­che. Und der Gross­teil will, wenn über­haupt, am Sonn­tag um 10 Uhr in die Kirche.» Anpas­sun­gen bedürf­ten Mutes, so Gunt­li. Auch Barba­ra Walser hat ähnli­che Erfah­run­gen gemacht. Der Sonn­tags­got­tes­dienst sei vor allem für tradi­tio­nel­le Gläu­bi­ge noch heilig, so Walser. Sie verschweigt aber auch nicht, dass die Kirchen in ihrem Gebiet häufig ziem­lich leer sind. «Manch­mal predi­gen wir vor 20 Gläu­bi­gen. Wie soll da noch eine feier­li­che Stim­mung aufkom­men?» Walser fragt dies rheto­risch. «Es gibt eben auch viele, die ande­re Formen der Gemein­schaft suchen», sagt sie. Dompfar­rer Beat Grög­li ist in einer komfor­ta­ble­ren Situa­ti­on. Die Kathe­dra­le St. Gallen ist eine Zentrums­kir­che, die Gläu­bi­ge aus der ganzen Regi­on anzieht. Trotz­dem gab es auch hier Anpas­sun­gen. Nach den Sommer­fe­ri­en wurde die Früh­mes­se vom Mitt­woch auf den Abend um 17.30 Uhr verlegt. Die Früh­mes­se vom Diens­tag ist neu in der Gallus-Krypta. «Wir müssen inno­va­tiv blei­ben – in den Zeiten und in den Orten. Wenn wir während der norma­len Arbeits­zeit Gottes­diens­te anbie­ten, schlies­sen wir einen gros­sen Teil der Gläu­bi­gen grund­sätz­lich und bereits von Beginn an aus. Und das wollen wir nicht», erklärt der Dompfar­rer. «Die Gottes­dienst­zeit ist ziem­lich entscheidend.»

Wieder mehr Nähe schaffen

Die Pfar­rei­en, und mit ihnen die Gläu­bi­gen, müssen sich der verän­der­ten Reali­tät stel­len. Die Lösung sind unter andem neue Gottes­dienst­for­men. Wirth sieht in der notwen­di­gen Anpas­sung denn auch eine Chan­ce: «Wo etwas verschwin­det, wird immer Platz geschaf­fen für Neues. Wir versu­chen, trotz weni­ger Gottes­diens­te, näher an die Menschen heran­zu­kom­men. Mit neuen Ange­bo­ten können wir viel­leicht auch jenen Gläu­bi­gen gerecht werden, die keine klas­si­schen Kirch­gän­ger sind.» Die Haupt­fra­ge für ihn sei nicht, ob es künf­tig genü­gend Pries­ter gebe, sondern: «Wie wollen wir künf­tig mit den Gläu­bi­gen unter­wegs sein und die Gemein­schaft pfle­gen?» Die Menschen würden heute oft spezi­el­le und auf sie zuge­schnit­te­ne Ange­bo­te suchen, sagt auch Barba­ra Walser und nennt als Beispiel die Kirche Kunter­bunt. Das aus England stam­men­de, über­kon­fes­sio­nel­le Konzept zieht in der Stadt St. Gallen die Fami­li­en in Scha­ren an. «Durch die Strei­chung der Gottes­diens­te haben wir Raum geschaf­fen für etwas, dem mehr Ausdruck und Kraft zugrun­de liegt», sagt Walser. Und genau hier liegt auch für Beat Grög­li der Punkt. «Die Feiern müssen kraft­voll, sorg­fäl­tig gestal­tet und von einer Gemein­de getra­gen werden. Dort, wo kraft­voll gefei­ert wird, kommen auch die Gläu­bi­gen.» Das gelte für alle Arten von Feiern, so Grög­li. Er weiss, dass dies für klei­ne­re Pfar­rei­en nicht immer einfach ist. «Wir müssen wohl unse­re Kräf­te konzen­trie­ren und uns gut über­le­gen, wie wir was machen.»

Alle sollen mithelfen

Die SE Stei­ner­burg fasst die neuen Ange­bo­te unter dem Schlag­wort «Krea­tiv­fei­ern» zusam­men, wobei diese ganz unter­schied­lich sind: Eine Hunger­tuch­me­di­ta­ti­on während der Fasten­zeit, eine «Zeuerle»-Feier, in der die Verbin­dung von Klang, Gemein­schaft und Gott hör- und erfahr­bar wurde, eine Oster-Lager-Feuer-Feier, eine Krea­tiv­fei­er mit Austausch über den Glau­ben und eine mit Bibel­tei­len. Dabei setzt die Pfar­rei auf die Mithil­fe vieler – alle Gläu­bi­gen dürfen Feiern vorbe­rei­ten und ihnen vorste­hen. In den Pfar­rei­en Riet­hüs­li, St. Geor­gen und St. Otmar werden nun unter ande­rem mehr Wort­got­tes­fei­ern abge­hal­ten. Zudem hat sich eine ökume­ni­sche Feier­grup­pe formiert. «Völlig selbstständig, ohne unser Zutun. Das freut uns sehr und zeigt, dass es ein Bedürf­nis ist, Gemein­schaft auch ausser­halb des gängi­gen Gottes­diens­tes zu erfah­ren», sagt Walser. Für alle Befrag­ten ist aber klar: Gottes­diens­te ersatz­los zu strei­chen, ist keine Opti­on. «Es geht nicht um ein Konkur­renz­den­ken. Es geht darum, die Kirche zu ergän­zen», sagt Erich Guntli.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Pixa­bay
Veröf­fent­li­chung: 1. Novem­ber 2024

Trauernde begleiten

Buch­tipp:

Wie Trau­ern­de in schwe­ren Zeiten beglei­ten? Was soll ich tun? Was lass ich besser blei­ben? Trau­ern­de Menschen im Bekannten- oder Fami­li­en­kreis können verun­si­chern. Natür­lich gibt es kein Patent­re­zept, aber Hinwei­se für einen sorg­sa­men und ange­mes­se­nen Umgang schon. 

Chris­ti­ne Hubka, evan­ge­li­sche Pfar­re­rin in Wien, gibt Rat – persön­lich, fein­sin­nig und lebens­nah. Sie erklärt die Trau­er­pha­sen und räumt dem Thema Kinder und Trau­er einen beson­de­ren Platz ein. Sie gibt auch Tipps für die rich­ti­gen Worte beim Beileids­schrei­ben und geht der Frage nach, ob man über Tote nur Gutes reden darf. Kurze Berich­te von Betrof­fe­nen veran­schau­li­chen das höchst indi­vi­du­el­le Erle­ben dieser schwie­ri­gen Zeit. 

Chris­ti­ne Hubka war nach ihrem Studi­um der evan­ge­li­schen Theo­lo­gie Reli­gi­ons­leh­re­rin, später Pfar­re­rin in Trais­kir­chen, wo sie den evan­ge­li­schen Flücht­lings­dienst grün­de­te. Sie hatte Lehr­auf­trä­ge an der Pädago­gi­schen Akade­mie sowie an der Univer­si­tät Wien und bis zu ihrer Pensio­nie­rung Pfar­re­rin in Wien, wo sie auch Ster­ben­de und deren Fami­li­en im Hospiz am Renn­weg beglei­te­te. In der Pensi­on ist sie als Gefäng­nis­seel­sor­ge­rin tätig. Hubka hat mehre­re Kinder­bü­cher verfasst und ist Preis­trä­ge­rin des Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreises.

Chris­ti­ne Hubka: Mehr als Beileid — so können wir Trau­ern­de in schwe­ren Zeiten begleiten

Tyro­lia, ISBN 978–3‑7022–4212‑1, 160 S., im Buch­han­del erhältlich

Text: Stephan Sigg

Bild: zVG

Veröf­fent­li­chung: 31. Okto­ber 2024

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