Wie Trauernde in schweren Zeiten begleiten? Was soll ich tun? Was lass ich besser bleiben? Trauernde Menschen im Bekannten- oder Familienkreis können verunsichern. Natürlich gibt es kein Patentrezept, aber Hinweise für einen sorgsamen und angemessenen Umgang schon.
Christine Hubka, evangelische Pfarrerin in Wien, gibt Rat – persönlich, feinsinnig und lebensnah. Sie erklärt die Trauerphasen und räumt dem Thema Kinder und Trauer einen besonderen Platz ein. Sie gibt auch Tipps für die richtigen Worte beim Beileidsschreiben und geht der Frage nach, ob man über Tote nur Gutes reden darf. Kurze Berichte von Betroffenen veranschaulichen das höchst individuelle Erleben dieser schwierigen Zeit.
Christine Hubka war nach ihrem Studium der evangelischen Theologie Religionslehrerin, später Pfarrerin in Traiskirchen, wo sie den evangelischen Flüchtlingsdienst gründete. Sie hatte Lehraufträge an der Pädagogischen Akademie sowie an der Universität Wien und bis zu ihrer Pensionierung Pfarrerin in Wien, wo sie auch Sterbende und deren Familien im Hospiz am Rennweg begleitete. In der Pension ist sie als Gefängnisseelsorgerin tätig. Hubka hat mehrere Kinderbücher verfasst und ist Preisträgerin des Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreises.
Christine Hubka: Mehr als Beileid — so können wir Trauernde in schweren Zeiten begleiten
Tyrolia, ISBN 978–3‑7022–4212‑1, 160 S., im Buchhandel erhältlich
29 Jahre lang hat Marianne Baroni Krippen aus aller Welt gesammelt. Rund 200 Stück besass die Rheintalerin zuletzt. Nun möchte sie sich von ihren Figuren trennen – und verspürt dabei keine Wehmut mehr.
Bei Marianne Baroni herrscht Chaos. Die Stube der 66-Jährigen ist voll mit Plastikboxen, Verpackungsmaterial und kleinen Figürchen. Vorsichtig wickelt Baroni ein Stück nach dem anderen ein und legt sie behutsam in die Boxen. Vor sieben Jahren hat das Pfarreiforum über Baroni und ihre Krippensammlung berichtet. Heute macht sie diese parat zum Verkauf. Marianne Baroni gibt ihre Sammelleidenschaft auf. «Es war mir mit zunehmendem Alter einfach zu viel Aufwand», sagt die Rheintalerin.
Marianne Baroni macht ihre rund 200 Krippen zum Verkauf fertig.
«Es war immer schwierig, einen geeigneten Ausstellungsort zu finden.» Einige Sammelstücke konnte Marianne Baroni bereits dem Krippenmuseum Dornbirn abgeben. Darunter auch ihre wertvollste Krippe, eine Sonderanfertigung aus Taiwan. Die Krippenfiguren sind aus Ton gefertigt und wiegen je ein Kilo. Die verbliebenen über 100 Krippen versucht sie nun in den kommenden Wochen an den Mann und die Frau zu bringen. «Mein Traum wäre natürlich, dass sich jemand der ganzen übrigen Sammlung annehmen würde. Aber ich weiss, dass dies unrealistisch ist.»
Erinnerung an Vergangenheit
Marianne Baroni ist pragmatisch. Jetzt, beim Verpacken, überkommt sie kein Gefühl der Wehmut mehr. Sie hat sich mit der Situation arrangiert. «Wehmut bedeutet für mich, ein Gefühl von zarter Traurigkeit und vor allem die Sehnsucht nach einer schönen Vergangenheit, und diese war bei jeder Ausstellung vorhanden.»
Die Rheintalerin besitzt Krippen aus aller Welt. Diese hat sie oft von Missionsorden erhalten.
Den Entschluss, ihre Sammlerstücke weiterzugeben, hat Marianne Baroni bereits vor rund einem Jahr getroffen. Wie sie die Zeit füllen wird, wird sich noch zeigen müssen. Sie wolle es nun einfach ein «wenig ruhiger angehen lassen» und geniessen, dass sie nun mehr Zeit für sich habe.
Authentizität wichtig
Marianne Baronis Sammelfieber begann vor nunmehr 29 Jahren mit einer Krippe aus Chile. Zuletzt umfasste die Sammlung rund 200 Krippen aus der ganzen Welt. Diese füllen ein ganzes Zimmer in ihrem Haus in Marbach.
Ordnung muss sein: Marianne Baroni hat ihre Krippen in beschrifteten Boxen gelagert.
Marianne Baroni besitzt Figuren aus asiatischen Ländern wie Japan oder Bangladesch, aus afrikanischen Ländern wie Benin, Tschad oder Malawi oder aus lateinamerikanischen Ländern wie Bolivien, Uruguay oder Kolumbien. Ihre Krippen hatte sie oft von Missionsorden erhalten. «Ich habe einfach angefragt. Meist per Brief. Manchmal kam direkt ein Päckchen mit Krippenfiguren, manchmal nicht mal eine Antwort», sagt sie. Marianne Baroni hat immer grossen Wert auf die Authentizität gelegt. Interessant waren für sie vor allem Stücke, die aus traditionellen Materialien bestehen und auf die Eigenheiten der Länder eingehen. Wie etwa jene aus Togo, die als einzige eine Löwenfigur umfasst.
Eine Bestimmte fehlte
Ein Exemplar hätte Marianne Baroni immer gerne gehabt, aber in all den Jahren nie finden können: eine Krippe aus Australien. «Eine solche hat mir immer gefehlt. Es gibt sehr wenige davon», so Marianne Baroni.
Marianne Baroni hat alle ihre Krippen in einem Ordner fotografisch festgehalten.
Sie hat ihre Boxen fast vollständig gepackt und ist parat. Bald heisst es, sich von der Sammelleidenschaft zu trennen. Ganz von den Krippen ablassen kann Marianne Baroni aber auch künftig nicht. Sie wird drei Stücke behalten: eine Krippe, die ihr Sohn aus Griechenland heimbrachte, ein Erbstück von den Eltern und jene Krippe aus Chile, die das Sammelfieber dereinst ausgelöst hat – jene drei Krippen, die für Marianne Baroni auch einen emotionalen Wert haben.
Hinweis: Marianne Baroni organisiert eine Ausstellungen mit Verkauf: 24.11., Novembermärtli in Diepoldsau. Interessenten dürfen sich auch direkt melden: m_baroni@bluewin.ch
Text: Alessia Pagani Bilder: Ana Kontoulis Veröffentlichung: 28. Oktober 2024
Die Redaktion des Pfarreiforums hat sich auf die Suche nach eigenen Erinnerungen gemacht. Welche Situationen, Gegenstände und Momente lassen uns an Verstorbene denken und was löst das in uns aus?
Sich in Träumen begegnen
Friedhöfe und Gräber besuche ich selten. Wenn ich vor dem Grab verstorbener Verwandter stehe, kommt es mir jedes Mal komisch vor: Ich bin hier, die Person ist weg. Zudem habe ich in diesen Momenten selten Erinnerungen und studiere daher eher die Grabbepflanzung oder die Schriftart auf den Grabsteinen. Dann gehe ich lieber schnell weiter. Vielleicht gehöre ich zu jenen Menschen, die den Tod verdrängen. Oder vielleicht ist es einfach zu schmerzhaft, daran zu denken, dass jemand, der einmal so selbstverständlich da war, es nicht mehr ist.
Den Kopf leeren
Da sind viele Erinnerungen an die unbeschwerte Kindheit und all diese mittlerweile verstorbenen Menschen, die mir wichtig waren. Ich frage mich, ob diese Personen heute in meinem Alltag noch eine Rolle spielen. Ich habe keine Rituale, mit denen ich mich bewusst an sie erinnere. Viel eher ist es umgekehrt: Es gibt bestimmte Momente und Phasen in meinem Leben, die Raum für Erinnerungen lassen. Ein Sonnenuntergang in der Natur lässt mich jedes Mal an meine Tante denken, die kurz vor ihrem Tod zu mir sagte: «Schau dir diesen Sonnenuntergang an mit all seinen Farben!» Auch habe ich gelernt, dass ein leerer Kopf und Auszeiten neue Begegnungen mit Verstorbenen zulassen. Als ich einst mit dem Velo mehrere Wochen Richtung Süden fuhr und täglich acht Stunden auf dem Sattel sass, träumte ich in vielen Nächten von meinen Grosseltern. Wir redeten, lachten und ich sah ihre Gesichter sehr deutlich vor mir. Wenn ich erwachte, verblasste die Erinnerung auch nicht. Ich träumte während dieser Velotour übrigens auch von «Gspänli» aus der Primarschulzeit, an die ich mindestens 20 Jahre nicht mehr gedacht hatte. Ich weiss nun, dass ich Platz in meinem Kopf und Ruhe brauche, um mich an Menschen zu erinnern und daran, wer sie für mich waren.
Beim Abstauben
Manchmal lassen mich auch Gegenstände im Alltag innehalten. Kürzlich fand ich etwa eine Matroschka-Puppe wieder, als ich einen Umzugskarton auspackte. Matroschkas sind bunte und aus Holz gefertigte Puppen, die viele weitere kleine Puppen in sich verstecken, die sich ineinander schachteln lassen. Nach dem Tod meiner Grossmutter vor vielen Jahren hatte ich sie als Erinnerung ausgewählt. Wenn ich die Puppe in der Hand halte, werde ich wieder zu dem Mädchen, das bei jedem Besuch bei seiner Oma auf dem Sofa sass und die Matroschka im Regal bewunderte. Manchmal durfte ich sie auseinandernehmen und wieder zusammensetzen. Das tue ich auch heute noch, wenn mir die Puppe zum Beispiel beim Abstauben einmal in die Finger gerät. Ich setzte mich hin und nehme Püppchen um Püppchen heraus. Die Figuren lassen mich zufällig an Vergangenes denken. Ich weiss im Vorfeld nicht, welche Erinnerung ich haben werde. Gerne wüsste ich, ob man es trainieren kann, sich in bestimmten Momenten an jemanden zu erinnern. Zumindest nehme ich mir das seit vielen Jahren vor: Ich möchte an Allerheiligen auf einen Friedhof gehen und eine Kerze anzünden, um in Gedanken bei dieser Person zu sein. Die Vergänglichkeit würde mir in diesem Moment wohl sehr bewusst. Und ich müsste mir wahrscheinlich die Frage stellen, was nach dem Tod von uns bleibt. Wie einfach ist es im Vergleich dazu, mit dem Alltag davonzurauschen.
Nina Rudnicki
«Oma-und-Opa-Stadt»
Meine Grosseltern wohnten in Bregenz, ich verbrachte als Kind und auch als Jugendlicher viel Zeit bei ihnen am Bodensee, Oma und Opa waren für mich sehr prägend. Vor ein paar Jahren sind sie mit Mitte bzw. Ende achtzig gestorben.
Vor-Ort-Atmosphäre
Bregenz hat ein wunderschönes Seeufer, kulturell einiges zu bieten, zum Beispiel die Festspiele, und auch die Altstadt hat ihren Reiz, abgesehen davon ist die Vorarlberger Kleinstadt eine Stadt wie viele andere. Für mich ist es aber DIE Stadt – Bregenz ist meine «Oma-und-Opa-Stadt». Sie ist zwar nicht weit weg von St. Gallen, aber wenn ich dort bin, bin ich doch gleich ganz woanders. Ich bin heute immer noch regelmässig in Bregenz und jedes Mal sind sofort alle Erinnerungen an meine verstorbenen Grosseltern da. Ich kann selbst in ganz unspektakulären Gassen oder sogar auf dem Parkplatz vor einem Einkaufszentrum Kraft tanken. Hier sind Oma und Opa mir viel näher als auf dem Friedhof. Auch das eine oder andere Erinnerungsstück wie eine Karaffe oder ein Spiegel, die ich von ihnen aufbewahrt habe, sind nichts gegen die Vor-Ort-Atmosphäre. Wenn ich irgendwo etwas von Bregenz höre oder mir jemand erzählt, dass sie oder er aus Bregenz kommt, löst das immer sofort positive Gefühle aus.
Stephan Sigg
Bewusst Zeit nehmen
Ich kann gut verdrängen – ich gebe es zu. Ich verbanne unliebsame Gedanken manchmal gerne in die hinterste Ecke meines Gedächtnisses. Vielleicht ist es ein Schutzmechanismus, dass ich nicht zu lange um Sachen herumstudiere, die zu ändern ich nicht mehr in der Lage bin. Denn Erinnern heisst auch Akzeptieren. Es heisst, Vergangenes vergangen sein lassen. Aber es gibt auch Momente, da hole ich Erinnerungen gerne wieder aus ebendieser hintersten Ecke hervor. Dabei helfen mir unter anderem Gegenstände. Etwa die Kaffeetässchen meiner italienischen Urgrossmutter. Sie sind bestimmt schon 80 Jahre alt und abgegriffen. Sie sind nichts Besonderes, aber ich hüte sie wie einen Goldschatz. Wenn immer ich sie zur Hand nehme, denke ich an unsere gemeinsame Zeit in Italien zurück. Ich habe nur schöne Erinnerungen daran – an die Gespräche mit fürsorglichen Menschen, an die ausgelassenen Stunden am Holztisch in der grossen Wohnküche, an den alten wärmenden Holzofen. Der Kaffee schmeckt mir aus diesen Tässchen einfach besser – und das morgendliche Aufstehen fällt einfach leichter.
Treffen mit einer Verstorbenen
Gegenstände vermögen Erinnerungen zu wecken. Genauso auch Orte. Das beste Beispiel ist wohl der Friedhof. Ich gehe oft auf den Friedhof. Ich mag es, auf den Friedhof zu gehen. Warum? Die Ruhe dort lässt mir im hektischen Alltag den nötigen Raum für Erinnerungen. Ich kann mir Zeit nehmen, um bewusst an jene Menschen zu denken, die ich schmerzlich vermisse und die ich nicht einfach mal kurz anrufen kann. Meine Grossmutter väterlicherseits etwa. Sie liegt seit 40 Jahren in einem Familiengrab. Und seit ich mich erinnern kann, besuchen wir sie auf dem Friedhof. Diese «Treffen» gehören für mich zum Alltag. Ich kenne es nicht anders und es ist okay so. Mehr noch, ich freue mich, wenn ich wieder zu Nonna gehen und ihr von meinem Tag erzählen kann. Ich nehme dann Blümchen mit. Keine Nägeli, die mochte sie nicht. Violette oder gelbe Blumen waren ihre Favoriten. Und ich erzähle ihr dann von meinen Sorgen, von Problemen und den erfreulichen Sachen. Und ich fühle mich ihr dann besonders nah.
Erinnerungen durch Erzählungen
Meine Grossmutter ist früh von uns gegangen – für uns alle zu früh. Ich kannte sie nicht persönlich. Reale Treffen gab es nie. Nur Treffen auf dem Friedhof. Und dennoch habe ich das Gefühl, dass sie mir um einiges näher ist als so manche Person, mit der ich einen Abschnitt meines Lebensweges gegangen bin. Es sind die Erzählungen meiner Eltern, die ihre Person so lebendig gehalten haben. Sie haben oft über meine Grossmutter gesprochen. Meine Eltern haben unzählige Anekdoten aus ihrem Leben erzählt, haben uns Fotos gezeigt und sind mit uns an Orte gereist, die für sie eine besondere Bedeutung hatten. Wenn wir Glockengeläut hören, denken wir oft an sie. Sie hat Glocken gesammelt. Meine Grossmutter hat einen besonderen Stellenwert in unserem Leben – auch wenn sie längst nicht mehr da ist. Ich habe zwar keine eigenen Erinnerungen an meine Grossmutter, aber trotzdem erinnere ich mich immer gerne an sie.
Ein Lieblingsessen oder eine Zufallsbegegnung, die einen an jemand Verstorbenen denken lassen: Solche Erinnerungen finden sich überall im Alltag. Die St. Galler Seelsorgerin Priska Filliger Koller sagt, wie Rituale dabei helfen können, sich bewusster zu erinnern, und wieso Allerheiligen heute wichtiger ist denn je.
Priska Filliger Koller, wie wichtig ist es für Sie, sich an Verstorbene zu erinnern?
Für mich ist das sehr wichtig. Meine Mutter starb vor 19 Jahren. Davor war sie bereits viele Jahre an Krebs erkrankt. Auf einer Kommode in meinem Zuhause stellte ich ein Foto von ihr auf, daneben legte ich einige Steine aus ihrer Sammlung und stellte eine Kerze auf. Über die Jahre kamen weitere Fotos von Verstorbenen dazu. Morgens und abends zünde ich die Kerze an und trete mit meiner Mutter in einen inneren Dialog. Ich wünsche ihr zum Beispiel einen guten Tag.
Tod und Vergänglichkeit sind dadurch in Ihrem Zuhause sehr präsent.
Fotos Verstorbener aufzustellen, gehört zu einer Tradition, die ich seit meiner Kindheit kenne. Ich bin in Nidwalden aufgewachsen. Dort verteilte man an Angehörige und Bekannte die sogenannten Helgeli als Erinnerung. Das sind Fotos der Verstorbenen mit den Lebensdaten und einem Gedanken. Genauso wichtig ist es mir, zusammen mit meinem Vater in Nidwalden das Grab meiner Mutter und meiner Grosseltern zu bepflanzen und mich so vor Ort an diese Personen erinnern zu können.
Die Verbundenheit mit einem Ort ist für Priska Filliger Koller wichtig, um sich an Verstorbene zu erinnern.
Was macht das mit Ihnen, sich an einem bestimmten Ort an Verstorbene zu erinnern?
Dadurch wird mir bewusst, dass ich Teil von etwas Ganzem bin. Reise ich beispielsweise ans Familiengrab, ist es immer auch eine Reise zurück in meine Kindheit. Ich bin eingebunden in eine Familiengeschichte und das spüre ich in solchen Momenten deutlich. Es gibt aber auch eine spontane Form des Erinnerns, die ich als Erinnerungsblitze bezeichne. Kürzlich fuhr ich Zug. Als dieser an einem Bahnhof anhielt, sah ich auf dem Perron einen Mann stehen, der mich an einen verstorbenen Seelsorger erinnerte, den ich sehr schätzte und mit dem ich zusammengearbeitet hatte. In diesem Moment wurde ich einerseits traurig und andererseits fühlte ich eine Dankbarkeit und innere Verbundenheit mit ihm.
Fotos Verstorbener aufzustellen, gehört zu einer Tradition, die Priska Filliger Koller seit ihrer Kindheit kennt.
Es gibt also Rituale, durch die wir uns bewusst erinnern können, sowie alltägliche Ereignisse, die uns spontan erinnern lassen?
Ja, so unterteile ich es. Ein Ritual kann etwa ein Besuch am Grab sein oder Allerheiligen selbst, an dem wir der Verstorbenen gedenken. In meiner Pfarrei St. Fiden schreiben wir während eines Jahres beispielsweise die Namen aller in diesem Jahr Verstorbenen auf weisse Steine und legen sie auf einen Seitenaltar. An der Gedenkfeier an Allerheiligen können die Angehörigen die Steine zusammen mit einer Kerze und einer Rose auf der Treppe vor dem Altar platzieren und diese nach der Feier mit nach Hause nehmen. Rituale mit Stille, Gebet und Kerzen können Steigbügel für eine Erinnerungskultur sein.
Und was sind alltägliche Ereignisse?
Zu den alltäglichen Ereignissen zähle ich zum Beispiel ein Essen, das jemand kocht, im Wissen, dass dies das Lieblingsgericht einer verstorbenen Person war. Auch der Besuch eines Platzes oder Ortes, den die Verstorbenen besonders liebten, lässt Erinnerungen entstehen. Genauso kann uns ein Duft an jemanden denken lassen oder ein Hobby, das man mit dieser Person geteilt hat. Flicke ich etwa ein Kleidungsstück, lässt mich das immer an meine Mutter erinnern und daran, wie wir als Kinder unter dem Tisch mit einem Kinderlastwagen die Fadenreste ihrer Näharbeit aufsammelten.
In der Pfarrei St. Fiden, in der Priska Filliger Koller arbeitet, werden die Namen aller in einem Jahr verstorbenen Personen auf weisse Steine geschrieben und auf einen Seitenaltar gelegt.
Wie haben sich die kirchlichen Angebote rund um Allerheiligen verändert?
Sie sind vielfältiger und individueller geworden. Es gibt heute ganzjährig vielerorts Trauercafés. Um Allerheiligen herum ist in der Schutzengelkapelle in St. Gallen ein Trauerraum eingerichtet. In diesem können sich Angehörige an verschiedenen Stationen mit der persönlichen Trauer auseinandersetzen. Auch sind Seelsorgende an Allerheiligen auf den beiden St. Galler Friedhöfen Ost und Feldli präsent. Wer möchte, bekommt von ihnen eine Anleitung, wie man selbst ein Grab segnen kann. Weihwasser und Kerze gibt es dazu. Ich selbst werde gemeinsam mit dem St. Galler Männerchor eine Gedenkfeier auf dem Ostfriedhof gestalten. Das sind nur einige Beispiele. In den verschiedenen Pfarreien gibt es zahlreiche weitere Angebote.
Ist Allerheiligen als Feiertag heute noch zeitgemäss?
Ich bin sehr froh darüber, dass Allerheiligen bei uns ein Feiertag ist. Um uns erinnern zu können, brauchen wir Ruhe. Allerheiligen ist ein ganzer freier Tag, den wir gestalten können und der uns Zeit fürs Innehalten, Erinnern und Trauern lässt. Durch gemeinsame Gedenkfeiern erfahren wir beispielsweise, dass Trauern etwas Urmenschliches ist. An Allerheiligen können wir uns auch bewusst machen, dass Sterben und der Tod zum Leben dazugehören. Tod, Abschiednehmen und Erinnern sind zudem immer etwas, das Platz in der Gesellschaft und in einer Gemeinschaft haben sollte. Entscheidet sich etwa jemand für eine Trauerfeier nur im engsten Familienkreis, nimmt er anderen Menschen die Möglichkeit, sich in Gemeinschaft verabschieden zu können.
Erinnerungen aufschreiben oder vielleicht ein Fotoalbum anlegen: Wie könnten wir Erinnerungen besser bewahren?
Da gibt es viele Möglichkeiten. Ich persönlich habe mir vorgenommen, biografische Erinnerungsarbeit mit meinem 85-jährigen Vater zu machen. Ich besuche ihn alle 14 Tage. Oft erzählt er dann von früher, etwa davon, wie er als einfacher Bauernsohn aufgewachsen ist und wie es war, in einem Haus mit mehreren Generationen zu leben. Diese Gespräche möchte ich aufnehmen und ihm bei jedem Besuch einige Fragen mitbringen. Seine Erzählungen von früher berühren mich und auch meine Kinder. Ich finde es spannend und es entspricht meinem Geschichtsbewusstsein, dass wir eingebunden sind in etwas Ganzes mit Menschen, die vor uns gelebt haben und die auch nach uns leben werden. Dank dem ritualisierten und alltäglichen Erinnern lerne ich zudem, mich mit meiner eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen, nicht nur an Allerheiligen.
Auch mit 87 Jahren steht der Rheintaler Künstler Josef Ebnöther täglich in seinem Atelier. Aktuell gestaltet er ein Fenster für das Pfarreiheim Lüchingen. Darin thematisiert er auch etwas, das ihn sein ganzes Leben begleitet: das Glück.
«Wir machen zuerst einen Rundgang», sagt Josef Ebnöther und zeigt sein Haus, das voll ist mit seinen Kunstwerken. Dann steigt er die Treppe hinauf zum Atelier. Hier entstehen seit vielen Jahrzehnten seine Bilder. «Ich habe im Leben viel Glück gehabt», sagt er. Er sei nie Trends hinterhergerannt, habe keinen Karriereplan verfolgt und habe auch nicht bei Apéros anderen Honig um den Mund geschmiert. Wenn es finanziell mal eng wurde, kam von irgendwoher plötzlich ein Auftrag oder eine neue Tür tat sich auf. Ebnöthers Werke stiessen schon früh international auf Anerkennung, dennoch blieb er im Rheintal verwurzelt. «Das Leben in der Stadt hat mich nie gereizt.» Bis heute sei es ihm am wohlsten, allein im Atelier die Ideen umsetzen zu können. Vielleicht liegt es an dieser Verwurzelung, dass er trotz des Erfolgs bodenständig geblieben ist. Ruhm und Ehre nimmt er mit einer grossen Portion Humor, sein Schalk drückt beim Interview und Fotoshooting für das Pfarreiforum immer wieder durch.
Josef Ebnöther arbeitet auch mit 87 Jahren täglich in seinem Atelier.
Für alle Lebenssituationen
Josef Ebnöther hat auch zahlreiche Kunstwerke für sakrale Räume geschaffen wie zum Beispiel die Rietkapelle in Oberriet, eine Keramikwand auf dem Friedhof Lüchingen oder das Pfingstereignis als Glasfenster der katholischen Kirche Kempen bei Düsseldorf. Warum auch immer wieder christliche Symbole in seinen Werken vorkommen, kann er nicht erklären: «Die sind mir einfach zugefallen.» Aktuell arbeitet er im Auftrag der Katholischen Kirchgemeinde Lüchingen an einem Glasfenster für das neue Pfarreiheim. Das Werk wird bunt und enthält Symbole wie die Schale oder die Natur. «Im Pfarreiheim kommen viele verschiedene Menschen zusammen», sagt Josef Ebnöther, «hier haben alle Lebenssituationen und Ereignisse Platz.» Warum eine Schale? «Der Mensch ist wie eine Schale, nur wenn etwas drin ist, kann man auch etwas weitergeben.» Auch Teil des Bildes, und zwar ganz oben – das, was einem zufällt: das Glück.
Für das neue Pfarreiheim Lüchingen hat Josef Ebnöther das Motiv für ein Glasfenster gemalt.
Hundert Einzelteile
Die Digitalisierung macht auch nicht vor der Kunstwelt halt. Dass heute Künstlerinnen und Künstler vermehrt mit digitalen Techniken arbeiten, beschäftigt Josef Ebnöther. Kunst sei Handarbeit. Die Ideen, die Vision, die Gefühle, die Kraft des Künstlers prägen sich mit jedem der unzähligen Pinselstriche in das Bild ein. «Digitale Kunst hingegen ist seelenlos.» Das Glasfenster von Josef Ebnöther wird in den nächsten Wochen in einer Glaskunstmanufaktur im deutschen Rottweil gesetzt werden. Aus hundert Einzelteilen wird ein Fenster. Ein Prozess, der etwa drei Arbeitstage umfassen wird. Der Rheintaler Künstler wird selbst vor Ort dabei sein. Im Frühling schliesslich kann das Fenster in Lüchingen besichtigt werden.
Bei Spaziergängen hat Josef Ebnöther seine Kamera dabei.
Fundstücke in der Natur
Aufmerksam verfolgt Josef Ebnöther bis heute nicht nur die Entwicklungen in der Kunstszene, sondern auch das Leben vor Ort in Altstätten. Früher hat er sich jeden Tag zu Fuss auf den Weg hinunter ins Städtchen zum Stammtisch gemacht. Heute ist er dort seltener anzutreffen: «Es ist einfach nicht mehr das gleiche. Es war immer so schön, dort viele Lebensbegleiter zu treffen. Inzwischen ist dieser Kreis merkbar geschrumpft, viele sind gestorben oder erkrankt.» Unterkriegen lässt sich Ebnöther davon nicht. Immer wieder zieht es ihn in die Natur: Mit seiner Frau arbeitet er im grossen Garten oder er unternimmt Spaziergänge mit der Fotokamera. Fasziniert zeigt er im Atelier Fotos von Mustern, die er entdeckt hat: einzelne Äste am Wegesrand, als hätte sie jemand bewusst zu kunstvollen Gemälden angeordnet. «Man muss nur genau hinsehen, dann kann man überall etwas entdecken.»
Der Gallustag ist ein besonderer Festtag, der in St.Gallen, aber unter anderem auch im Kanton Luzern gefeiert wird. Die wichtigsten Fakten.
Keine Olma ohne Gallustag
Der Gallustag wird auch Sankt-Gallen-Tag oder Gallentag genannt. Es ist der Festtag zu Ehren des Mönches Gallus, der 612/613 die Galluszelle gründete. Der Gallustag gilt als das zweite Kirchenfest (Patrozinium) der Kathedrale und wird jedes Jahr am 16. Oktober begangen – also immer während der Olma. Wobei der Gallustag schon vorher da war, wie Dompfarrer Beat Grögli erklärt. «Vermutlich hat man die Olma mit dem Jahrmarkt bewusst auf die Zeit um den Gallustag gelegt.» Auch für ihn sind die beiden Veranstaltungen untrennbar verbunden. «Für mich gehört zum Nachmittag des Gallustages jeweils ein Gang durch den Olma-Jahrmarkt.»
Verschiedene Feiern
Am Gallustag werden mehrere Gottesdienste gefeiert. Der Tag startet um 6.30 Uhr mit einer Eucharistiefeier am Gallusaltar im Chor. Um 7.15 Uhr folgt eine Eucharistiefeier in der Galluskapelle im Bischofshof mit der Segnung des Gallusweines. Um 10 Uhr findet der Gottesdienst mit Bischof Markus Büchel, Trachtenleuten aus dem Bistum, DomMusik und Festprediger statt. Um 17.30 Uhr ist die Gallusvesper im Chor. Gleich anschliessend können die Gäste die städtische Gallusfeier im Pfalzkeller besuchen. Die Stadt organisiert jeweils einen Vortrag. Thema dieses Jahr: St. Galler Spitalbauten im Wandel der Zeit.
Mit Festprediger
Der Festprediger im Gottesdienst hat meist einen benediktinischen Bezug und wird vom Bischof persönlich eingeladen. In diesem Jahr hält Abt Urban Federer vom Kloster Einsiedeln die Predigt.
Gesegneter Wein
Wer einmal einen gesegneten Wein trinken möchte, hat am Gallustag Gelegenheit dazu. Im Gottesdienst um 7.30 Uhr wird der Galluswein gesegnet. Weinsegnungen gab es im Kloster St. Gallen mehrere. Nebst dem Segensgebet über den Galluswein ist auch eines über den Wiboradawein überliefert. Nach der Segnung wurde den Gläubigen jeweils ein Schluck gereicht, am Gallustag mit dem Galluslöffel, einem silbernen Löffel, dessen Holzkern auf Gallus selbst zurückgehen soll. «Wein – im Mass! – erfreut das Herz des Menschen und wurde früher oft als Medizin verwendet», sagt Dompfarrer Beat Grögli schmunzelnd. Heute wird der gesegnete Galluswein in kleinen Bechern gereicht. Es ist ein Barrique aus dem St. Galler Oberland. Wer am Gallustag keine Gelegenheit auf eine Verkostung hat: Der Galluswein kann online bestellt werden. Der Erlös fliesst in den Renovationsfonds der Kathedrale St. Gallen.
Festtag, aber kein Ruhetag
Im Bistum St. Gallen wird der Gallustag als Festtag begangen, in der Kathedrale mit einem Pontifikalamt. Er ist aber kein gesetzlicher Feiertag. Von 1961 bis 2003 hingegen war der Gallustag ein Ruhetag für die kantonale Verwaltung. 2012 wurde im Kantonsrat eine einfache Anfrage eingereicht, ob der Feiertag wieder eingeführt werden könnte. Widerstand gab es unter anderem aus Wirtschaftskreisen.
Feiern im Umland
Auch andere Gemeinden kennen den Gallustag. In Kriens in Luzern etwa, wo 1100 die damals einzige Kirche zu Ehren des heiligen Gallus geweiht wurde, gilt er als gesetzlich annerkannter Feiertag. Stadtverwaltung und Ladengeschäfte bleiben geschlossen. Noch heute zeigt das Krienser Wappen Gallus und den Bären. Auch in Morschach und Hochwald gilt der Gallustag als Feiertag.
Netzwerken mit Behörden
Nach dem Festgottesdienst lädt der Dompfarrer jeweils den Bischof, den Festprediger, das DomTeam und die Behörden – die sogenannte «Kathedralkirchenkommission» – zum Mittagessen ein. Seit einigen Jahren organisiert auch der Kirchenverwaltungsrat St. Gallen einen Apéro für den Stadtrat und das Stadtparlament. «Das gibt ihnen und den Mitgliedern des Kirchenparlamentes Gelegenheit, mit Politikerinnen und Politikern der Stadt direkt den Kontakt zu pflegen. Sie geben dem Gallustag damit auch ein Gewicht, das er nach der Streichung des Feiertages leider etwas verloren hat», sagt Beat Grögli.
In die Beziehung mit den Schwiegereltern zu investieren, ist auch für die Zeit und Stimmung als Paar wichtig. Das sagt Beatrice Tardino von der Beratungsstelle für Beziehungsfragen St. Gallen. Das ist ein Angebot der katholischen Kirchgemeinden der Region St.Gallen und Appenzell und Kath. Konfessionsteil des Kantons St.Gallen.
Die Liebe zum Partner oder zur Partnerin schliesst dessen oder deren Eltern nicht automatisch mit ein, wie auch? Denn schliesslich bekommt man sie zur Beziehung ungefragt mitgeliefert, ganz gleich, ob man sie sympathisch findet oder nicht.
Das gilt auch umgekehrt: Auch die Schwiegereltern suchen sich ihre Schwiegertöchter oder Schwiegersöhne nicht aus. Unser Auftreten, unsere Eigenarten sowie die Wünsche und Erwartungen aneinander sorgen in vielen Beziehungen für Zündstoff. Dies macht es nicht einfacher, mit seinen Schwiegereltern klarzukommen oder sie gar zu mögen.
Fokus auf Gemeinsamkeiten legen
Es ist völlig normal, dass Beziehungen zu den Schwiegereltern ihre Herausforderungen mit sich bringen. Aber es gibt Möglichkeiten, diese zu bewältigen. Was genau stört Sie an Ihren Schwiegereltern? Versuchen Sie, belastende Verhaltensweisen oder spezifische Situationen zu bennen und diese klar zu kommunizieren. Sprechen Sie offen über Ihre Bedürfnisse und Erwartungen. Klare Kommunikation hilft, Missverständnisse zu vermeiden oder sie aufzuklären. Wenn es Konflikte gibt, versuchen Sie respektvoll zu bleiben, konzentrieren Sie sich auf Lösungen statt auf Vorwürfe. Versuchen Sie, die Perspektive Ihrer Schwiegereltern zu verstehen. Denn alle haben unterschiedliche Familienhintergründe. Diese gilt es zu akzeptieren. Vergleichen Sie Ihre Schwiegereltern nicht mit Ihrer eigenen Familie. Sie haben eigene Ansichten, Gewohnheiten und Meinungen. Solche Unterschiede sind ganz normal und können sogar bereichernd sein. Sprechen Sie mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner über Ihre Gefühle. Oft finden sich gemeinsam gute Strategien, um mit den Schwiegereltern klarzukommen. Besprechen Sie gemeinsam, wie viel Zeit und Nähe Sie mit Ihren Schwiegereltern verbringen möchten, und halten Sie das Besprochene ein. Planen Sie gemeinsame Aktivitäten, um eine bessere Beziehung aufzubauen. Versuchen Sie Ihren Fokus auf Gemeinsamkeiten, statt auf Unterschiede zu legen.
Zündstoff für Konflikte
Es ist sicherlich nicht zwingend notwendig, die Schwiegereltern zu mögen. Aber ein respektvoller und konstruktiver Umgang miteinander ist für beide Parteien ein grosser Vorteil. Eine gute Beziehung zu den Schwiegereltern kann eine grosse Entlastung für die eigene Familie sein und kann uns helfen, mehr Zeit für die Paarpflege zu haben. Denken Sie aber auch daran, auf sich selbst zu achten. Nehmen Sie sich Zeit für sich, wenn Konflikte auftreten, und stellen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse nicht immer hinten an, denn auch dies führt oft zu Unzufriedenheiten in einer Beziehung. Und nehmen Sie frühzeitig Hilfe von einer Fachperson in Anspruch, falls Ihre Schwiegereltern immer wieder Zündstoff für Konflikte in Ihrer Beziehung sind und es Ihnen nicht gelingt, diese konstruktiv zu lösen.
Beatrice Tardino
Beratungsstelle für Beziehungsfragen St. Gallen, ein Angebot der katholischen Kirchgemeinden der Region St.Gallen und Appenzell und Katholischen Konfessionsteil des Kantons St.Gallen
Jeden Tag und rund um die Uhr brechen Informationen und Neuigkeiten über uns herein. Können und sollen wir uns dem überhaupt entziehen und welche Strategien gibt es?
Jetzt drehen US-Stars Donald Trump die Musik ab. Trump garantiert Ende des Ukraine-Krieges – verrät Plan aber nicht. Weird, das sind doch die anderen: Das sind drei von unzähligen Schlagzeilen, die kürzlich über die US-Präsidentschaftswahl erschienen sind. Und je näher die Wahl rückt, desto mehr scheinen es täglich zu werden. Wie lässt sich da entscheiden, welche Texte lesenswert und wichtig sind und welche Beiträge getrost weggelassen werden können? Und was auf die US-Wahl zutrifft, stimmt auch für viele andere alltägliche Themen der digitalen, mobilen und sozialen Medienumgebungen. Es wird immer schwieriger, wichtige von unwichtigen Informationen zu unterscheiden.
Alles andere als unbedenklich
Was macht diese Informationsflut mit uns? Das haben auch die beiden Kommunikationsexpertinnen Anne Schulz und Sophia Volk von der Universität Zürich in einer aktuellen Studie untersucht. «Die Informationsflut ist keinesfalls unbedenklich», sagt Sophia Volk. So würde beispielsweise die Hälfte der befragten Personen die Informationsflut als eine mittlere Bedrohung einschätzen. Knapp ein Drittel empfinde diese sogar als eine grosse Bedrohung, etwa wenn es um die Verbreitung von Falschinformationen, Hassrede und Radikalisierung im Internet gehe. Die Studie weist aber auch darauf hin, dass zugleich die Mehrheit der Befragten die Menge an Informationen und Angeboten schätze. Welche Tipps gibt es also, wie sich mit der Informationsflut umgehen lässt? Zumal die Autorinnen davon ausgehen, dass die Informationsfülle in Zukunft weiter wachsen wird. Dazu beitragen könnten etwa neue Entwicklungen im Bereich der generativen künstlichen Intelligenz. Letztere erzeugt neue Inhalte in Form von Text, Audio, Bildern oder Videos. Es ist also Zeit, sich einige persönliche Strategien zuzulegen, um mit der Informationsflut zurechtzukommen.
Tipps: Was tun gegen die Informationsflut?
Bewusst auswählen: Konzentriere dich auf wenige, dafür aber vertrauenswürdige Quellen. Entscheide auch, welche Informationskanäle dir als unzuverlässig erscheinen.
Auszeit nehmen: Regelmässige Auszeiten von digitalen Medien schaffen mentale Entlastung. Plane beispielsweise ein Wochenende ein, an dem du auf soziale Medien und Nachrichtenplattformen verzichtest.
Wichtiges festlegen: Welche Informationen sind für einen selbst relevant und welche lassen sich ignorieren? Es hilft, sich zu entscheiden, welche Neuigkeiten für einen wichtig sind. Gibt es beispielsweise ein Projekt, das bevorsteht? Welche Informationen sind für den beruflichen Alltag wichtig? Oder welches Thema interessiert einen in der Freizeit?
Zeit einteilen: Bestimme die Zeit und Dauer, in der du dich auf Nachrichtenquellen informierst, die für dich wichtig sind.
Entweder … oder: Lege dich fest. Lies entweder eine bestimmte Anzahl Nachrichten zu verschiedenen Themen. Oder entscheide dich dafür, dich an diesem Tag nur über ein bestimmtes Ereignis zu informieren, dafür aber über verschiedene Quellen.
Benachrichtigungen aus: Lass dich nicht durch ständige Push-Benachrichtigungen ablenken. Bestimme stattdessen, wann du dich informieren möchtest, statt stets unterbrochen zu werden.
Zahlen und Fakten
90 Prozent aller Schweizerinnen und Schweizer besitzen ein Smartphone. Nebst den klassischen Newsseiten nutzt mehr als die Hälfte sowohl WhatsApp, Youtube, Facebook, Instagram als auch Streaming-Plattformen wie Netflix.
Etwa 60 Prozent finden die Informationsmenge in Nachrichten, Unterhaltung und Kommunikation zu gross. Ein Drittel empfindet sie als angemessen.
56 Prozent schätzen die Informationsmenge, 38 Prozent fühlen sich überfordert. Jüngere und einkommensschwächere Menschen fühlen sich häufiger überlastet.
Rund 55 Prozent der Befragten schalten Push-Benachrichtigungen oft oder immer aus. 65 Prozent löschen unerwünschte Inhalte wie Newsletter, 51 Prozent schalten Geräte komplett aus, um der Informationsflut zeitweise zu entgehen.
Auch wer bewusst Nachrichtenquellen aussucht oder die Informationsfülle zu vermeiden versucht, ist nicht unbedingt erleichtert. Rund 20 Prozent derjenigen, die solche Strategien nutzen, fühlen sich dennoch überlastet.
Die Hälfte der Befragten glaubt, dass die Bevölkerung durch die Informationsflut besser informiert ist. 38 Prozent nehmen an, dass die Gesellschaft dadurch eher auseinanderdriftet.
→ Quelle: Ergebnisbericht des Information Abundance Projects der Digital Society Initiative. www.zora.uzh.ch/id/eprint/239383
Michèle Bowley weiss um ihr Ende. Sie stellt sich ihrer Krankheit, dem Sterben und begegnet dieser neuen Situation mit grosser Neugier.
«Ich sammle Leben, nicht Jahre», sagt sie und bleibt diesem Leitmotiv bis ans Ende treu. Sie stellt sich der Heftigkeit medizinischer Behandlungen. Aber auch im spirituellen Bereich und in der Natur holt sie sich Hilfe. Sie findet zur Stille und zu sich selbst. Für Michèle ist das Sterben ein Abenteuer, auf das sie sich einlässt und das sie bis zum letzten Moment auskosten will. Der Dok-Film ist geprägt von Mut und Zuversicht in das Wesentliche.
ab Okt. im Kino, u. a. Vorstellung am 2. Nov., 17 Uhr, Cinetreff Herisau mit Anwesenheit Regisseurin Silvia Haselbeck und Regisseur Erich Langjahr
Wie Gemeinschaft und technische Erfindungen wie Roboter zusammenpassen, erforscht Monika Freund Schoch. Die Schwellbrunnerin arbeitet an der Ostschweizer Fachhochschule OST. Daneben engagiert sie sich ehrenamtlich für die Kirche.
Nao, der kleine Roboter in menschenähnlicher Gestalt, unterhält Bewohnerinnen und Bewohner in einem Pflegeheim. Er aktiviert diese körperlich und geistig und kann für Gedächtnistrainings eingesetzt werden. «Alle, bei denen das ein ungutes Gefühl auslöst, kann ich beruhigen. Roboter können viel, aber ganz viel können sie nicht», sagt Monika Freund Schoch. Die 42-Jährige arbeitet am Institut für Altersforschung der Ostschweizer Fachhochschule OST mit Schwerpunkt technologische Innovationen. In diesem Bereich ist sie tätig, weil sie alle Entwicklungen interessieren, die wichtig für die Gesellschaft sind und die einen positiven Beitrag leisten können. Und hier kommen eben auch Roboter und künstliche Intelligenz ins Spiel.
Sich freiwillig engagieren
Gesellschaftlich wichtige Themen interessieren Monika Freund Schoch auch in ihrer Freizeit. Vor bald 18 Jahren kam die Soziologin von Polen in die Schweiz und fand unter anderem in kirchlichen Kreisen ein Netzwerk. So engagierte sie sich als Pfarreirätin in Herisau, leitete eine Evangelikations- und Gebetsgruppe in Mörschwil und half, in Herisau das Patenschaftsprojekt der Caritas «mit mir» aufzubauen. Im Rahmen von Letzterem engagieren sich Freiwillige für benachteiligte Kinder, indem sie mit den Kindern beispielsweise Spielplätze besuchen, Velotouren machen oder spazieren gehen. Seit 2018 ist Monika Freund Schoch als Vertreterin der Polenmission im Seelsorgerat des Bistums St. Gallen.
Erfindungen für mehr Lebensqualität
«Netzwerke und Gemeinschaften werden immer wichtiger, gerade wenn wie aktuell die Bevölkerung zunehmend älter wird», sagt sie. «Die Einsamkeit unter Seniorinnen und Senioren nimmt zu. Nicht alle haben Familienangehörige in ihrer Nähe, die ihnen im Alltag helfen können. Hier leisten die Kirchen viel Arbeit und Unterstützung.» Dieses Netzwerk und diese Gemeinschaft an Menschen, die füreinander sorgen, interessieren sie auch als Forscherin. Sie geht etwa der Frage nach, wie sich diese «Care-Gemeinschaft» auf die Lebensqualität auswirkt. «Beim Stichwort Lebensqualität sind wir wieder bei den Robotern und technischen Innovationen», sagt sie. Das Institut für Altersforschung (IAF) testet diese Produkte zusammen mit älteren Personen. Halten die Produkte, was die Herstellerinnen und Hersteller versprechen? Und wo können sie gezielt und sinnvoll im Alltag eingesetzt werden? Um die Erfindungen in diesem Bereich zu fördern, hat das IAF-Team im vergangenen Jahr erstmals den «Age Innovation Prize» durchgeführt. Dabei handelt es sich um eine Preisverleihung für innovative Lösungen im Bereich Alterstechnologien. In diesem Jahr findet die Preisverleihung am 7. November 2024 im Rahmen eines Mini-Kongresses «Forschung & Innovationen für das Alter(n)» im Switzerland Innovation Park Ost in St. Gallen statt. Alle Interessierten sind dazu eingeladen. Im vergangenen Jahr gehörte zu den ausgezeichneten Produkten etwa ein Kissen, das die Wirbelsäule rotieren lässt, wie sie dies auch bei aufrechtem Gehen tun würde. Monika Freund Schoch sagt: «Es ist spannend zu sehen, in welche Richtung sich die technologischen Innovationen entwickeln und was die Zukunft bringt. Und derzeit sind das keine Menschenroboter.»