Im Park Madonna entdecken

Bildstöckliweg Rorschach, Elisabeth Lüthard-Fuchs

In der Natur unter­wegs sein, den Blick auf den Boden­see und histo­ri­sche Schlös­ser ­genies­sen und an 24 Bild­stöck­li und Wegkreu­zen Zwischen­hal­te einle­gen. «Hinter den Bild­stöck­li stehen span­nen­de Geschich­ten», sagt Elisa­beth Lüthard-Fuchs, Projekt­lei­te­rin des Bild­stöck­li­wegs in der Regi­on Rorschach.

Vom Park­platz des Schlos­ses Wart­egg  sind es nur ein paar Schrit­te durch den Park und schon steht man vor einer beson­de­ren Trou­vail­le: Im Stamm eines 150 Jahre alten Mammut­baums, der 2019 den zuneh­mend trocke­nen Früh­lin­gen zum Opfer fiel, ist ein schwar­zes Marmor­re­li­ef mit einer Madon­na und dem Jesus­kind zu finden. Mathi­as Thal­mann, der Schloss­gärt­ner, hat mit diesem Reli­ef einen Ort der Besin­nung als Dank für die Frucht­bar­keit der Erde geschaf­fen. Das Beson­de­re: Es handelt sich um eine Kopie des welt­be­kann­ten Reli­efs von Michel­an­ge­lo. Dieses Bild­stöck­li ist das jüngs­te, dem man auf dem Bild­stöck­li­weg der Katho­li­schen Kirche Regi­on Rorschach begeg­net. «Hinter den Bild­stöck­li stehen meis­tens persön­li­che Glau­bens­ge­schich­ten», so Elisa­beth Lüthard. Die Rorscha­cher­berg­le­rin ist Projekt­lei­te­rin des Bild­stöck­li­wegs. «Oft wurden Bild­stö­cke errich­tet, weil sich Gläu­bi­ge bei Gott für eine Heilung oder ein ande­res posi­ti­ves Ereig­nis bedan­ken woll­ten. Dank­bar­keit mit ande­ren teilen – ich finde, das ist ein schö­nes Zeichen.» Oft waren es schick­sal­haf­te Ereig­nis­se, die die Menschen dazu brach­ten, ein Mahn­mal zu erstel­len. «Als Aufruf, sich immer wieder zu besin­nen – inne­zu­hal­ten. Es wurden alle Facet­ten des mensch­li­chen Daseins berücksichtigt.»

Bildstöckliweg Rorschach, Elisabeth Lüthard-Fuchs
Elisa­beth Lüthard-Fuchs vor dem Bild­stöck­li im Schloss­park Wart­egg Rorschach.
Mathi­as Thal­mann, der Schloss­gärt­ner, hat das Reli­ef geschaf­fen — eine Kopie eines Reli­efs von Michaelangelo.

Kultur- und Glaubensgut

Die Katho­li­sche Kirche Regi­on Rorschach hat mit dem Bild­stöck­li­weg eine uralte katho­li­sche Tradi­ti­on fit für die Gegen­wart gemacht. «Es ist in der Regi­on Rorschach schon lange Brauch, dass frei­wi­lig Enga­gier­te Bild­stö­cke und Wegkreu­ze schmü­cken», so Elisa­beth Lüthard, «doch dieses Kultur- und Glau­bens­gut verschwin­det immer mehr aus dem Bewusst­sein. Im Austausch zwischen den Frei­wil­li­gen und Seel­sor­gen­den kam die Idee auf, diese Bild­stö­cke mit einem Weg aufzu­wer­ten.» Elisa­beth Lüthard, eine enga­gier­te Frei­wil­li­ge in der Kirche, über­nahm die Projekt­lei­tung. Akri­bisch hat sie sich in die Bedeu­tung der Bild­stöck­li in der katho­li­schen Spiri­tua­li­tät einge­le­sen. Der Rorscha­cher Lokal­his­to­ri­ker Otmar Else­ner bekam den Auftrag, die histo­ri­schen Hinter­grün­de zu recher­chie­ren und aufzu­ar­bei­ten. «Uns war es wich­tig, dass die Menschen an jeder Stati­on einen spiri­tu­el­len Gedan­ken mitneh­men können», sagt Elisa­beth Lüthard. Dafür mach­te sie sich auf die Suche nach spiri­tu­el­len Texten. «Für Statio­nen, für die ich nichts Passen­des gefun­den habe, habe ich selber etwas geschrieben.»

Bildstöckliweg Rorschach, Elisabeth Lüthard-Fuchs

Auch mit dem Velo

Im Septem­ber 2021 war es so weit: Die Wegta­feln wurden instal­liert, eine Karte zum Mitneh­men wurde gedruckt und eine Website ging online. Die Wegta­feln enthal­ten neben Infos zum Bild­stock und einem spiri­tu­el­len Impuls einen QR-Code, der zu weite­ren Infos zum Weg und zu den Bild­stö­cken führt. Der Weg erstreckt sich über das Gebiet der Gemein­den Gold­ach, Rorschach, Rorscha­cher­berg und Unter­eg­gen. «Die Stre­cke mit Zwischen­hal­ten bei allen 24 Statio­nen wäre zu lang, deshalb haben wir sie in zwei Etap­pen aufge­teilt: in einen Rorscha­cher Weg und einen Goldach­er Weg», erklärt Elisa­beth Lüthard. Wie viele inzwi­schen schon von Bild­stock zu Bild­stock unter­wegs waren, weiss sie nicht. «Es gibt Grup­pen, die sich gemein­sam auf den Weg gemacht haben. Aber ich habe auch schon beob­ach­tet, dass manche – darun­ter auch junge Erwach­se­ne – einen Bild­stock per Zufall entde­cken, neugie­rig werden und dann die Texte auf den Tafeln lesen», so Elisa­beth Lüthard. «Das Schö­ne an dieser Glau­bens­tra­di­ti­on: sie ist ein Ange­bot – eine Einla­dung, sich auf Spiri­tua­li­tät einzu­las­sen. Wer nichts damit anfan­gen kann, kann es einfach igno­rie­ren.» Ihr war wich­tig, den Weg möglichst für alle zugäng­lich zu machen. So gibt es Routen, die auch mit dem Velo oder dem Kinder­wa­gen absol­viert werden können. Ein «Lieblings-Bildstöckli» hat Elisa­beth Lüthard nicht. «Es kommt jeweils auf meine aktu­el­le Verfas­sung an, welche Stati­on mich gera­de am meis­ten anspricht. Aber immer wieder beein­druckt mich das Bild­stöck­li mit dem schlich­ten Holz­kreuz nahe beim Schloss Warten­see. Wer dort das Kreuz betrach­tet, blickt dahin­ter direkt auf den Boden­see – ein atem­be­rau­ben­des Panora­ma.» Die gedruck­te Karte liegt in den Kirchen der Regi­on Rorschach auf und steht als PDF auf der Website zur Verfügung.

→ www.bildstoeckliweg.ch

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 24.03.2023

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