Neu in einem Amt und schon steht einer der wichtigsten Momente überhaupt an: Die Widnauerin Susi Miara erzählt, wie es ist, sich als neues Mitglied des katholischen Parlaments im Kanton St. Gallen auf die Bischofswahl vorzubereiten. Die 180 Parlamentsmitglieder können per Mehrheitsentscheid Kandidaten streichen. Deren Namen sind aber bis zuletzt geheim.
«Was wäre, wenn wir drei der sechs Namen auf der Kandidatenliste für die Bischofswahl streichen und wenn der Papst drei Namen streicht?» Über dieses Szenario haben die Rheintaler Kollegiumsrätinnen und ‑räte nach der Sitzung diskutiert, wie Mitglied Susi Miara erzählt. Das Kollegium des Kantons St. Gallen ist das Parlament der Katholikinnen und Katholiken. Ihm kommt im Prozess der Bischofswahl eine wichtige Rolle zu: Am Wahltag versammelt sich das Kollegium zu einer ausserordentlichen Sitzung (siehe Kasten). Die 180 Mitglieder erfahren erst in diesem Moment die Namen der sechs Kandidaten und können per Mehrheitsentscheid bis zu drei Namen streichen.
Namen bis zuletzt geheim
«Natürlich ist das erwähnte Szenario unwahrscheinlich. Aber der ganze Wahlprozess ist so spannend, dass wir Parlamentsmitglieder untereinander über die verschiedensten Möglichkeiten diskutiert haben», sagt Susi Miara. Die Widnauerin ist seit einem Jahr Kollegienrätin. «Dass ich gleich zu Beginn meiner Amtszeit zu so einem bedeutenden Entscheid beitragen würde, damit hätte ich nicht gerechnet», sagt sie. Sie freue sich aber darauf und sei gespannt. Da die Namen bis zuletzt geheim sind und den Mitgliedern des Kollegiums an der ausserordentlichen Sitzung kaum Zeit bleibt, sich über die Kandidaten auszutauschen, müssen sich alle im Vorfeld selbst informieren. «Das ist kompliziert, denn wir wissen ja nicht, wer da alles infrage kommt», sagt Susi Miara.
Zurückhaltung bevorzugen
Ein Anhaltspunkt sind die Porträts der 13 Mitglieder des Domkapitels, die das Bistum veröffentlicht hat. Das Domkapitel ist die Leitung einer Bischofskirche. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass neun der elf bisherigen St. Galler Bischöfe bereits im Domkapitel waren. «Welche Priester aus welchen Regionen aber sonst noch infrage kommen, ist schwer einzuschätzen», sagt die 68-Jährige. Allgemeine Tipps für die Wahl habe sie dennoch schon einige gehört: Gewählt werden müsse nicht jener Kandidat, der unbedingt Bischof werden wolle, sondern jener, der zurückhaltender sei. Denn dieser sei weniger selbstbezogen. «Aber wer weiss», sagt sie. Die Aufgabe des Kollegiums am Wahltag des neuen Bischofs geht für Susi Miara mit einer grossen Verantwortung einher. «Wenn ein Bischof gewählt wird, den die Öffentlichkeit nicht mag, wird es heissen, wir, das Parlament, sind für diesen Entscheid mitverantwortlich», sagt sie.
Pausen vom Alltag
Etwas gestalten und bewirken zu können, ist es, was Susi Miara am Amt als Kollegienrätin und in diversen anderen freiwilligen Tätigkeiten begeistert. Die ehemalige Journalistin engagiert sich zudem seit einem Jahr als Kirchenverwaltungsrätin in Widnau, bei der Hilfsorganisation Bauorden Schweiz sowie im Dorftheater Widnau. Während sie im Dorftheater seit vielen Jahren als Schauspielerin und im Vorstand mitwirke, seien die kirchlichen Ämter eine neue Herausforderung für sie gewesen. «Ich kannte die Kirche bis dahin nur von den Gottesdiensten und aus den vielen Erinnerungen von meinem Vater», sagt sie und erzählt, wie ihr Vater einst aus der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik in die Schweiz geflüchtet war. «Während der Zeit des Sozialismus musste er seinen Glauben heimlich ausüben. Mitunter am wichtigsten war es ihm, das hier nicht mehr tun zu müssen», sagt sie. Als ihr Vater älter geworden sei und nicht mehr selbst Autofahren konnte, habe sie ihn jeweils in die Gottesdienste begleitet. «Da merkte ich, wie gut mir diese Stunde jeweils tat, in der ich eine Pause vom Alltag hatte und einfach nur zuhören konnte.»
Stimmen aus anderen Regionen
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Patrik Schönenberger, Kollegienrat Region Gossau/Untertoggenburg
Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in welcher die Kirche und christliches Gedankengut zum Alltag gehörten. Vater und Mutter waren aktiv in Kirchenchor und kirchlichen Gruppierungen sowie Vereinen tätig. Das Verhältnis zur Kirche war positiv geprägt im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Synode 72. Ich war bis in die Kantonsschule Ministrant und später Lektor und Kommunionhelfer. Deshalb kannte man mich in Pfarrei und Kirchgemeinde. So wurde ich für das Amt des Kirchenpflegers im Kirchenverwaltungsrat von Gossau angefragt und habe zugesagt. Heute als Kollegienrat im weltweit einmaligen Wahlprozedere für den Bischof der Diözese St. Gallen direkt beteiligt zu sein, ist für mich ein Privileg. Diese Chance ergibt sich nicht häufig, und genau während einer Bischofswahl Mitglied des Kollegiums zu sein, kann man nicht planen. Die Kandidaten sind noch nicht bekannt. Es kann nur darüber gemutmasst werden, wer in den Kreis gehören könnte. Deshalb ist auch eine Vorbereitung schwierig. Ich verfolge Berichterstattungen aus dem Bistum etwas aufmerksamer. Mein Vorteil ist es, dass ich als Mitglied der Geschäftsprüfungskommission des Konfessionsteils im Austausch mit den Vertretern aus allen Regionen des Konfessionsteils weitere Informationen zu möglichen Kandidaten erhalte. Die definitive Liste erfahren wir erst am Wahltag.
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Stefan Meier, Kollegienrat Region Rorschach
Ich wurde in der Jungwacht Blauring (Jubla) «gross» – etwas vom Besten, das die Kirche hierzulande zu bieten hat. Die Erlebnisse, die ich dort hatte, motivieren mich heute, mich dafür einzusetzen, dass die Kirche weiterhin für die unterschiedlichsten Menschen da ist. Die Rolle des Kollegiums im Prozess der Bischofswahl finde ich nicht so wichtig. Wichtiger finde ich das Zusammenspiel der verschiedenen kirchenrechtlichen und staatskirchenrechtlichen Akteure. Dieser Dualismus garantiert nicht nur bei der Bischofswahl eine ausgewogene, menschgewandte Kirche. Ich kenne die vom Domkapitel erstellte Liste der Kandidaten nicht. Über mögliche Kandidaten informiere ich mich aber. Dafür nutze ich zum einen die Porträts des Domkapitels auf der Bistumswebsite, das Internet, aber auch die eine oder andere Frage an Bekannte aus Kirchenkreisen ergänzen meine Recherche.
Im verschlossenen Briefumschlag Auch wenn das genaue Datum noch offen ist, so wird in diesem Jahr der neue Bischof des Bistums St. Gallen gewählt. Das Kollegium – das katholische Parlament – hat dabei ein sogenanntes Streichungsrecht. In den Rechtsquellen wird dies als «Exklusive» bezeichnet oder auch als «das von katholischen Monarchen beanspruchte Recht, unerwünschte Bewerber» von der Wahl auszuschliessen. In der Geschäftsordnung des Kollegiums ist festgehalten, was passiert, wenn die vom Domkapitel erstellte Sechserliste feststeht. Die Liste mit den sechs Kandidaten wird 180 Mal kopiert und in einem verschlossenen Briefumschlag dem Administrationsrat – der Regierung der Katholiken und Katholikinnen – übergeben. Das Kollegium trifft sich zu einer ausserordentlichen Versammlung, an der der Umschlag geöffnet wird. Die Mitglieder haben die Möglichkeit, bis zu drei Namen zu streichen, und zwar von solchen Kandidaten, die ihnen «mindergenehm» erscheinen. Dabei entscheidet eine Mehrheit. Vor der Wahl 2006 hatte eine informelle Verständigung stattgefunden, welche Kandidaten zu streichen wären, falls sie auf der Liste aufgetaucht wären. In der Geschichte des St. Galler Bischofswahlrechts kam eine Streichung einzelner Namen per Mehrheitsentscheid aber noch nie vor.