«Die Recherchen für das Drehbuch haben mich erschüttert», sagt die Melser Theatermacherin Romy Forlin. Mit ihrem Theaterstück, das sie zusammen mit Caritas entwickelt hat, will sie Armutsbetroffenen eine Stimme geben. Im Januar ist Premiere im Alten Kino Mels.
Eine Frau führt ein gut situiertes Leben, dann plötzlich die Krebsdiagnose, sie macht Schulden und rutscht in die Armut ab. Diese und ähnliche Szenen sind bei «… und du bisch duss» zu sehen. «Wer in die Armut gerät, kann schnell draussen sein», hält die Theatermacherin Romy Forlin fest. Aus der Gesellschaft ausgeschlossen, ohne Freund- oder Bekanntschaften. «Bei den Proben sind oft Tränen geflossen, mich hat noch nie eine Produktion so zum Nachdenken gebracht und das geht auch den anderen Beteiligten so», erzählt Romy Forlin. «Gleichzeitig ist es eine schöne Aufgabe: Wir dürfen Armutsbetroffenen einen Stimme geben und ihre Geschichten auf die Bühne bringen.»
Ohnmacht aufzeigen
Wie geht es armutsbetroffenen Menschen, welche Hürden müssen sie bewältigen und mit welchen Vorurteilen haben sie zu kämpfen? Mit dieser Fragestellung ist Romy Forlin Geschichten von Betroffenen nachgegangen – Geschichten, wie sie sich wirklich zugetragen haben. Dabei wurde sie von Olivia Bernold und Lorenz Bertsch von Caritas St. Gallen-Appenzell / Regionalstelle Sargans unterstützt. Das Drehbuch ist fiktiv, basiert aber auf wahren Geschichten. Im Fokus stehen die Ohnmacht von Alleinerziehenden, Verschuldeten und Working Poors, die strukturellen Probleme in der Schweiz und in der Region sowie die Schauspielerinnen und Schauspieler, die dies auf die Bühne bringen. Mal spielen die Szenen vor der Lebensmittelabgabestelle, mal bei der Schuldenberatung oder auf dem Sozialamt. «Das Bühnenbild nimmt Bezug auf das Thema: Auf der Bühne sind nur durchsichtige Stühle und filigrane Tische zu sehen, auch das Licht und Musikeinspielungen werden sehr dezent eingesetzt.» Das Ensemble, bestehend aus fünf Schauspielerinnen und Schauspielern, probt seit Spätsommer.
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Auf andere zugehen
Die Arbeit am Stück hat Romy Forlin selbst neu sensibilisiert: «Armut ist meistens nicht sichtbar. Aber die Zahlen zeigen deutlich, wie viele Menschen in der Schweiz von Armut betroffen sind. Armut gibt es also auch in unserer Gemeinde. Doch viel zu oft schaut man weg. Ich habe mir vorgenommen, mehr auf andere zuzugehen.» Wenn man das Gefühl habe, eine Person sei in finanzieller Not, warum nicht mal fragen: Kann ich dir helfen? Darf ich dich einladen? Soll ich einen Nachmittag deine Kinder hüten? «Die Statistiken sprechen schon lange eine deutliche Sprache und trotzdem wird das bis heute unter den Teppich gekehrt», sagt Romy Forlin. «Viele machen sich vor: Armut in der Schweiz, das gibt es nicht!» Die Theatermacherin will nicht nur wachrütteln, sondern auch eine sozialpolitische Botschaft vermitteln. «Eine Szene zeigt eine Budgetversammlung einer Gemeindeversammlung, bei der die Ausgaben für Soziales gekürzt werden sollen.»
Miteinander sprechen
Das Theater ist eine Coproduktion der Caritas St. Gallen-Appenzell, Regionalstelle Sargans, und der Kulturvereinigung Altes Kino Mels. Entstanden ist die Idee aus den Armutsrundgängen, die Caritas in den vergangenen zwei Jahren mehrmals angeboten hat. Romy Forlin wirkte als Schauspielerin mit. «Auch dort haben wir die Realität von Armutsbetroffenen sichtbar gemacht», so Romy Forlin. «Bei den Beteiligten wuchs das Bewusstsein, dass es ein weiteres, ausführlicheres Gefäss braucht, um differenziert Beispiele erzählen zu können.» Ihr Stück zeige schonungslos deren Situation auf. «Trotzdem enthält das Stück auch hoffnungsvolle Momente.» Sie hofft, dass die Produktion einen Beitrag zur Enttabuisierung leistet. «Wenn das Publikum nach der Vorstellung miteinander über das Stück und Armut in der Schweiz spricht, dann haben wir schon etwas erreicht.»
Text: Stephan Sigg
Bilder: Gabriela Müller
Veröffentlichung: 14. Januar 2025
«… und du bisch duss»
Im Stück «… und du bisch duss» wirken mit: Lilian Meier, Chiara Ilic-Meier, Romy Forlin, Sven Schneeberger und Christian Lochner, Co-Regie: Romy Forlin, Lilian Meier und Chiara Ilic-Meier. Premiere ist am 16. Januar, weitere Spieldaten: Freitag, 17. Januar, Donnerstag, 23. Januar, Freitag, 24. Januar, jeweils um 20.15 Uhr, Altes Kino Mels, Tickets: www.alteskino.ch Im Frühling weitere Aufführungen an verschiedenen Orten im Bistum.
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