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«Traditionen stiften Identität»

Nicht nur der Advent und die Weih­nachts­zeit, sondern unser ganzes Leben ist von Tradi­tio­nen geprägt. Im Inter­view erklärt Manue­la Reiss­mann, Fach­ver­ant­wort­li­che der kanto­na­len Fach­stel­le Kultur­er­be St. Gallen, warum Tradi­tio­nen für unse­re Gesell­schaft wich­tig sind.

Wie entste­hen Traditionen?

Manue­la Reiss­mann: Wenn beispiels­wei­se bestimm­te Kennt­nis­se, Werte oder Über­zeu­gun­gen, Ereig­nis­se oder Tätig­kei­ten von mehre­ren Menschen regel­mäs­sig wieder­holt und weiter­ge­ge­ben werden, können sich daraus über den Zeit­raum von mehre­ren Gene­ra­tio­nen Tradi­tio­nen bilden. Die Grün­de für die Entste­hung von Tradi­tio­nen sind dabei sicher so viel­fäl­tig wie die Tradi­tio­nen selbst.

Was können solche Grün­de für neue ­Tradi­tio­nen sein?

Manue­la Reiss­mann: Die Alpwirt­schaft zum Beispiel brach­te verschie­de­ne Tradi­tio­nen hervor wie die Alpfahr­ten, Betru­fe und die Käse­pro­duk­ti­on. Das Wissen um land­wirt­schaft­li­che oder hand­werk­li­che Tech­ni­ken konn­te das Einkom­men sichern. Aus der Notwen­dig­keit von Hirten und Bauern, in den Bergen über weite Entfer­nun­gen zu kommu­ni­zie­ren, entstand das Alphorn­spie­len und vermut­lich auch der Jodel. Dann gibt es zahl­rei­che Bräu­che im Zusam­men­hang mit den Jahres­zei­ten, wie die Fasnachts­bräu­che zum Vertrei­ben des Winters. Und natür­lich spie­len auch die Reli­gio­nen eine wich­ti­ge Rolle bei der Entste­hung von Tradi­tio­nen, wie beispiels­wei­se das Chris­ten­tum beim Weih­nachts­fest, das heute in vielen Ländern gefei­ert wird.

Wann spricht man von einer Tradition?

Manue­la Reiss­mann: Hinter dem Begriff «Tradi­ti­on» verber­gen sich Bräu­che, Gepflo­gen­hei­ten, Fertig­kei­ten und Ausdrucks­for­men, die inner­halb einer Grup­pe oder Gemein­schaft gelebt, gepflegt und von einer Gene­ra­ti­on an die nächs­te weiter­ge­ge­ben werden. Tradi­tio­nen finden sich in verschie­de­nen Berei­chen und umfas­sen beispiels­wei­se Formen des Musi­zie­rens, Bräu­che und Kennt­nis­se in land­wirt­schaft­li­chen Berei­chen, Tradi­tio­nen im Zusam­men­hang mit den Jahres­zei­ten und hand­werk­li­che Fertig­kei­ten. Sie können unter ande­rem in Fami­li­en, durch Träger­schaf­ten wie Verei­ne, Berufs­grup­pen, reli­giö­se Gemein­schaf­ten sowie durch Gemein­den oder Regio­nen ausge­übt und weiter­ent­wi­ckelt werden.

Wie wich­tig sind Tradi­tio­nen für uns?

Manue­la Reiss­mann: Welche Bedeu­tung Tradi­tio­nen beigemes­sen wird, ist sehr unter­schied­lich. Für manche mag es eher nach etwas Verstaub­tem und Über­flüs­si­gem klin­gen, ande­re setzen sich inten­siv für ihre Bewah­rung und Über­lie­fe­rung ein. Bei den meis­ten Menschen dürf­te die Verbun­den­heit mit Tradi­tio­nen wohl irgend­wo dazwi­schen liegen. Grund­sätz­lich kann man aber sagen, dass Tradi­tio­nen Iden­ti­tät stif­ten und die Zusam­men­ge­hö­rig­keit in einer Gemein­schaft stär­ken sowie Orien­tie­rung und Stabi­li­tät vermit­teln können. Durch sie erhal­ten wir Infor­ma­tio­nen zu unse­rer Herkunft und Geschich­te und können somit aus der Vergan­gen­heit lernen und einen Nutzen für die Gestal­tung unse­rer Gegen­wart und viel­leicht auch Zukunft gewinnen.

Wie stark hängen Tradi­tio­nen und Erwar­tungs­hal­tun­gen zusammen?

Manue­la Reiss­mann: Tradi­tio­nen und Erwar­tungs­hal­tun­gen können auf verschie­de­ne Weise zusam­men­hän­gen. Dazu gehö­ren sicher die Erwar­tun­gen an Perso­nen einer Gemein­schaft, dass tradier­te Regeln, Gepflo­gen­hei­ten oder Prak­ti­ken beibe­hal­ten und fort­ge­führt werden. So haben viele Menschen bestimm­te Ritua­le, Abläu­fe und Spei­sen für das Weih­nachts­fest, vieles davon wurde über Gene­ra­tio­nen weiter­ge­ge­ben. Auch daran sind Erwar­tun­gen geknüpft, zum Beispiel Besinn­lich­keit und Gebor­gen­heit im Krei­se der Liebs­ten zu erfah­ren und zu bewah­ren. Es lässt sich wohl sagen, dass Erwar­tungs­hal­tun­gen dazu beitra­gen können, dass Tradi­tio­nen erhal­ten blei­ben oder aber auch dazu, dass sie abge­lehnt werden, zum Beispiel dann, wenn sie persön­li­chen Werten zu stark entgegenstehen.

Wann verän­dern sich Traditionen?

Manue­la Reiss­mann: Tradi­tio­nen müssen sich manch­mal ändern, um weiter fort­be­stehen zu können. Manch­mal endet eine Tradi­ti­on auch. Ob und wie sich Tradi­tio­nen ändern, hängt von verschie­de­nen Einfluss­fak­to­ren ab. Dies können beispiels­wei­se die bereits erwähn­ten Erwar­tungs­hal­tun­gen, neue tech­no­lo­gi­sche Errun­gen­schaf­ten oder kultu­rel­ler Wandel, verän­der­te Werte, Bedürf­nis­se und Lebens­wei­sen sein, die auf eine Tradi­ti­on wirken. Eben­so kann die kommer­zi­el­le oder touris­ti­sche Verwer­tung einer Tradi­ti­on diese verän­dern oder aber auch vermeint­lich authen­tisch erhal­ten. Das Inter­es­se der jeweils jünge­ren Gene­ra­ti­on an einer Tradi­ti­on sowie die Art, wie diese das Über­lie­fer­te für sich inter­pre­tiert, lebt und weiter­ent­wi­ckelt, ist eben­falls von gros­ser Bedeutung.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 23. Novem­ber 2023

Einem Käfer ebenbürtig

Mina Inauen-Neff von Appen­zell (73) singt den Betruf seit sie als zwölf­jäh­ri­ges Mädchen bei ihrem Vater auf der Alp gear­bei­tet hat. «Es hat sich so erge­ben», sagt die Älple­rin, die 2012 im Kino­film «Alpse­gen» porträ­tiert wurde. 

Seit zwan­zig Jahren verbringt Mina Inauen-Neff die Sommer­mo­na­te zusam­men mit ihrem Mann sowie rund 40 Tieren auf der Alp Streck­wees (1257 m. ü. M) im Alpstein, wo sie jeden Abend den tradi­tio­nel­len Betruf durch den Trich­ter singt. Als Mesme­rin ist sie zudem für die Berg­got­tes­diens­te in der nahge­le­ge­nen Kapel­le «Maria Heim­su­chung» zustän­dig. Die pensio­nier­te Handarbeits- und Haus­wirt­schafts­leh­re­rin ruft den Alpse­gen aus tiefer, inne­rer Über­zeu­gung: «Der Betruf gibt mir Kraft und ich kann damit meine Dank­bar­keit ausdrü­cken. Wir sind in der Natur in Gottes Hand gebor­gen, aber wir sind nicht mehr als ein Teil davon.» Wer den Natur­ge­wal­ten in der Berg­welt ausge­setzt ist, erlebt die eige­ne Exis­tenz ganz bewusst als Teil des Ganzen. «Du bist nicht mehr als so ein Käfer – du bist ande­ren Lebe­we­sen eben­bür­tig und du sollst dich nicht als Beherr­scher der Natur aufspie­len», sagt sie. 

Volks­tüm­li­cher Charakter

Den Betruf bezeich­net Inau­en als «singen­des Gebet», von dem man sagt, es sei doppelt so viel wert. Man bittet die Heili­gen und Schutzpatrone, sie mögen Mensch, Tier und Alp von Unge­mach fern­hal­ten. Am besten gefällt ihr die Text­stel­le «Bhüets Gott allsa­me, seis Fründ oder Feind ond di lieb Mutter Gottes mit erem Chend», weil mit «allsa­me», alle gemeint sind und somit alle Menschen ins Gebet aufge­nom­men werden. «Wir bitten Gott, dass er uns alle beschützt und behü­tet», so Inau­en. Der Wort­laut des Betrufs vari­iert von Regi­on zu Regi­on. Der Text des Inner­rho­der Betrufs in der Fassung von 1948 stammt von Pater Erich Eber­le und basiert auf der Melo­die von Pater Ekke­hard Högger, «wobei es bei der Tonla­ge schon klei­ne­re Abwei­chun­gen gibt, je nach­dem wer den Betruf ausruft», ergänzt Inau­en. Der halb gespro­che­ne, halb gesun­ge­ne Alpse­gen erhält zusam­men mit dem mund­art­lich gefärb­ten Hoch­deutsch seinen unver­kenn­ba­ren, volks­tüm­li­chen Charakter. 

Keine Sonder­rol­le als Frau

Übli­cher­wei­se ruft der Senn den Betruf aus. Dass sie die einzi­ge Frau sein soll, die den Alpse­gen pflegt, hat für sie wenig Bedeu­tung. Ihrer Meinung nach können Frau­en und Männer gleich wohl beten. Es habe sich damals einfach so erge­ben. Sie erin­nert sich: «Als ich damals als zwölf­jäh­ri­ges Mädchen als ‹Hand­bueb› bei meinem Vater auf der Alp gear­bei­tet habe, hat mich der Milch­kon­trol­leur eines Tages auf den Trich­ter ange­spro­chen. Es herrsch­te schlech­tes Wetter und er hatte gera­de Zeit, mir den Betruf beizu­brin­gen.» Seit­her holt sie den Holz­trich­ter jeden Abend zwischen 19 und 20 Uhr hervor und steht auf den Stein neben der Alphüt­te. «Ich mache es immer zu dieser Zeit – und ich mache es auch nicht den Touris­ten zulie­be früher oder später», sagt die Älplerin. 

Tradi­ti­on soll weitergehen

Sie wird heute noch oft auf ihre Rolle im Kino­film «Alpse­gen» von Bruno Moll ange­spro­chen, der 2012 ausge­strahlt wurde. Es sei eine schö­ne Erfah­rung gewe­sen, aber auch streng, weil sie vor laufen­der Kame­ra spon­tan auf tief­grün­di­ge Fragen antwor­ten muss­te. «Ich habe sehr viele, posi­ti­ve Rück­mel­dun­gen erhal­ten und ich habe gemerkt, dass viele Leute nur wenig Ahnung vom Alple­ben haben.» Laut Inau­en zeigt der Film neben den schö­nen Seiten auch die anstren­gen­de Arbeit und die unmit­tel­ba­ren Gefah­ren in der Berg­welt. Wie es mit der Fami­li­en­tra­di­ti­on einmal weiter­ge­hen soll, weiss sie noch nicht. Wich­tig sei ihr, dass der Alpse­gen nicht zur Touris­ten­ak­ti­on verkom­me. «Ich bin zuver­sicht­lich, dass diese schö­ne Tradi­ti­on auf der Alp Streck­wees weiter­ge­pflegt wird».

Text: Katja Hongler

Bild: Annet­te Boutellier

Veröf­fent­licht: 05. Juni 2023

Weder Gold noch Protz

Im Dach­saal der Props­tei St. Peter­zell insze­niert der Künst­ler Det Blum­berg Fund­stü­cke aus Kirchen neu – und fordert zum kriti­schen Nach­den­ken auf.

«Wenn alte Zeiger stehen blei­ben, muss etwas Neues kommen», sagt Det Blum­berg, als er in den Dach­saal der Props­tei St. Peter­zell führt. Den bespielt der Künst­ler anläss­lich des 300-Jahr-Jubiläums der Kirche Peter und Paul vom 17. Mai bis 17. Dezem­ber. Wer den Saal betritt, findet sich zunächst vor den zwei grossen, alten Uhrzei­gern des Kirch­turms und ist mitten­drin im Thema der Ausstel­lung «Licht­blick Dorf 9» von Det Blum­berg. Mit dieser möch­te der 69-jährige Künst­ler mit Allgäu­er Wurzeln zum kriti­schen Nach­den­ken auffor­dern: Wie soll Kirche sein, wenn sie auch in Zukunft bestehen möchte?

Vom Poli­zis­ten zum Künstler

Bevor es weiter durch die Ausstel­lung geht, öffnet Det Blum­berg aber die Türe zu einer Kammer gleich neben dem Dach­saal. In der Kammer reihen sich unzäh­li­ge Fund­stü­cke aus der Props­tei, wie alte Statu­en von Heili­gen, Kerzen­stän­der, Kisten gefüllt mit Kreu­zen und eini­ge stau­bi­ge Schrän­ke. Zwischen all diesen Schät­zen erzählt Det Blum­berg, wie er Mona­te damit verbracht hatte, die Fund­stü­cke zu sich­ten, inter­es­san­te Gegen­stän­de heraus­zu­su­chen und die Themen für die Ausstel­lung zu gestal­ten. Und er erzählt, wie er vor drei Jahr­zehn­ten seinen Beruf als Einsatz­lei­ter bei der Poli­zei aufgab, beschloss Kunst zu machen und während einer Reise in Mexi­ko über­ra­schend Gott wieder fand. «Als Einsatz­lei­ter stumpf­te ich ab, wurde zu herrisch und konn­te keine Kritik mehr dulden», sagt er. Auch aus der Kirche war Det Blum­berg zu dieser Zeit ausge­tre­ten. Zu vieles hatte ihn irri­tiert – so auch während einer Reise durch Mexi­ko. «Über­all gab es diese gros­sen, präch­ti­gen Kathe­dra­len. Während einer Führung frag­te ich mich, wo ich zwischen all dem Gold denn Gott finden soll und woll­te zornig die Kathe­dra­le verlas­sen», sagt er. «Dann stand ich dann plötz­lich vor einer klei­nen, mit buntem Papier, Glas und Saat­gut ausge­schmück­ten Seiten­ka­pel­le. Es war, als ob mir Gott auf die Schul­tern gestupst und gesagt hätte: Da findest du mich.»

Ein leerer Tabernakel

Heute ist Det Blum­berg wieder Kirchen­mit­glied. Auch Glau­be und Kunst haben sich für ihn nach und nach zusam­men­ge­fügt. In den vergan­ge­nen Jahren hat er zahl­rei­che Ausstel­lun­gen in Kirchen und Klös­tern der Regi­on reali­siert. Altes zeigen vor moder­nem Kontext, ist eines der Themen, das sich durch seine Arbei­ten zieht. So geht es auch in der Ausstel­lung in der Props­tei von den Zeigern des Kirch­turms weiter zu einer Art Altar­raum. Dort stehen Kirchen­bän­ke mit origi­na­len, guss­ei­ser­nen Seiten­leh­nen. Statt eines Altars findet sich aber ein Flach­bild­fern­se­her, in dem medi­ta­ti­ve Film­aus­schnit­te zu sehen sind. In einer weite­ren Ecke steht ein leerer und stau­bi­ger Taber­na­kel, in dem eigent­lich die Hosti­en aufbe­wahrt werden. «Wo wohnt Gott?» – darüber sollen die Besu­che­rin­nen und Besu­cher hier nach­den­ken. Letz­te Stati­on ist ein langer Tisch mit zwölf grau­en Stüh­len und einem gelben Stuhl. Die Szene erin­nert an das letz­te Abend­mahl. An den Wänden hängen Fotos von Det Blum­bergs Part­ne­rin Clau­dia Gruber – die beiden wohnen zusam­men gleich gegen­über der Props­tei. Die Fotos wurden alle im Umkreis von 500 Metern um die Props­tei aufge­nom­men und halten in Farb- und Form­fül­le die Schön­heit der Schöp­fung fest. Det Blum­berg sagt: «Die Fotos brin­gen Gott in den Raum. Das ist auch die Idee von diesem Tisch. Er lädt verschie­de­ne Grup­pen ein, sich hinzu­setz­ten, zu disku­tie­ren und sich über aktu­el­le Themen auszutauschen.»

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 8. Mai 2023

Aus altem Wissen schöpfen

Wieso uns die ganz­heit­li­che Medi­zin des Mittel­al­ters bis heute faszi­niert und was wir aus ­Legen­den der dama­li­gen Zeit erfah­ren, sagt Stifts­bi­blio­the­kar Cornel Dora im Interview.

Klos­ter­me­di­zin und Natur­heilkunde sind im Trend. Wie hängen aber Chris­ten­tum und Medi­zin zusammen?

Cornel Dora: Wurde früher jemand krank, war es lange Zeit Aufga­be der Fami­lie, diese Person zu pfle­gen. Erste Vorläu­fer von Spitä­lern gab es bei den Römern, wobei es dort vor allem um die Versor­gung der Wunden der Solda­ten ging. Als das Chris­ten­tum aufkam, änder­te sich das. Die Erzäh­lung vom Barm­her­zi­gen Sama­ri­ter im Neuen Testa­ment beispiels­wei­se ruft zur Nächs­ten­lie­be auf und erin­nert daran, dass alle für ihre Mitmen­schen verant­wort­lich sind. Es ist also Teil des christ­li­chen Funda­men­tes, für Kran­ke und Arme da zu sein.

Cornel Dora

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Welche Rolle spiel­te das ­Klos­ter St. Gallen?

Cornel Dora: Das Klos­ter St. Gallen hatte ein gros­ses Einfluss­ge­biet sowie den medi­zi­ni­schen Auftrag, für die Armen zu sorgen. Dabei müssen wir wissen, dass wer damals krank war mit gros­ser Wahr­schein­lich­keit früher oder später auch arm wurde. Auf dem St. Galler Klos­ter­plan von 825 waren eine Armen­her­ber­ge, zwei Häuser für Ader­lass und Baden, ein Ärzte­haus für Opera­tio­nen sowie ein Heil­kräu­ter­gar­ten vorge­se­hen. Die Menschen im Umfeld des Klos­ters fanden hier auch Fach­per­so­nal. Im 10. Jahr­hun­dert war Notker, der Arzt aus St. Gallen, weit herum bekannt – er wirk­te auch am Hof Ottos des Gros­sen. Zu Notker dem Arzt gibt es dazu zahl­rei­che Über­lie­fe­run­gen in der Stifts­bi­blio­thek wie etwa jene des Herzogs von Bayern, der Notker testen woll­te und ihm den Urin seiner gesun­den Zofe statt seines eige­nen gab. Nach der Unter­su­chung verkün­de­te Notker, es sei ein Wunder gesche­hen, der Herzog erwar­te ein Kind.

Das klingt eher nach einer Legende.

Cornel Dora: Ja, das mag sein. Aber, ob Legen­de oder nicht, bele­gen solche Über­lie­fe­run­gen, dass damals schon bekannt war, dass man im Urin eine Schwan­ger­schaft able­sen konnte.

Welche weite­ren medi­zi­ni­schen Hand­schrif­ten sind in der Stifts­bi­blio­thek erhalten?

Cornel Dora: Wir haben Über­lie­fe­run­gen von anti­ken und früh­mit­tel­al­ter­li­chen Rezept- und Arznei­bü­chern. Dazu gehört etwa das Liber Medi­cina­lis, ein medi­zi­ni­sches Hand­buch des römi­schen Gelehr­ten Quin­tus Sere­nus Sammo­ni­cus. Die Werke aus dieser Zeit zeigen auf, wie die Medi­zin bis ins Früh­mit­tel­al­ter mit Magie durch­drun­gen war. Gemäss dem Liber Medi­cina­lis galt etwa das Wort Abra­ka­da­bra als Mittel gegen Mala­ria. Man schrieb das Wort auf eine Karte und wieder­hol­te es immer wieder, wobei man jedes Mal einen weite­ren Buch­sta­ben wegliess. So wie das Wort soll­te auch die Krank­heit verschwinden.

Im Juni wird in der Stifts­bi­blio­thek die Verei­ni­gung für euro­päi­sche tradi­tio­nel­le Medi­zin (TEM) gegrün­det. Wieso faszi­niert uns tradi­tio­nel­le Medi­zin wie Klos­ter­me­di­zin bis heute?

Cornel Dora: Die heuti­ge moder­ne Medi­zin ist wirkungs­ori­en­tiert. Es gibt einen Wirk­stoff, der die jewei­li­ge Krank­heit ganz gezielt bekämpft, möglichst ohne Neben­wir­kun­gen. Viele Krank­hei­ten sind aber komple­xer und kompli­zier­ter. Im Mittel­al­ter war die Medi­zin zwar weni­ger wirkungs­voll, sie schau­te aber gemäss der damals verbrei­te­ten 4‑Säfte-Lehre immer ganz­heit­lich auf den Menschen. Die Theo­rie ging davon aus, dass die Gesund­heit des Menschen davon abhing, ob die vier Säfte Blut, Schleim (Phleg­ma), gelbe Galle (Chole­ra) und schwar­ze Galle (Melan­cho­lie) im Gleich­ge­wicht waren. Basie­rend darauf beka­men die Erkrank­ten dann keinen einzel­nen Wirk­stoff, sondern einen Medi­ka­men­ten­cock­tail, welcher der oder dem Kran­ken insge­samt helfen sollte.

Sie sagen also, dass der ganz­heit­li­che Ansatz heute zu kurz kommt?

Cornel Dora: Ich denke, dass der ganz­heit­li­che Ansatz für viele Menschen heute zu kurz kommt und die tradi­tio­nel­le Medi­zin dies­be­züg­lich posi­tiv etwas beitra­gen kann. Es geht nicht darum, eine Ideo­lo­gie zu pfle­gen, sondern das Poten­zi­al dieses alten Wissens ergän­zend zur sehr leis­tungs­fä­hi­gen moder­nen Medi­zin zu nutzen. Dank unse­rer histo­ri­schen Samm­lung passen die Stifts­bi­blio­thek und die Euro­päi­sche Verei­ni­gung für TEM gut zusammen.

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Cornel Dora: Foto Marlies Thurn­heer, ­Leader; Putte: Urs Baumann, Stifts­bi­blio­thek St. Gallen

Veröf­fent­li­chung: 22. Mai 2023

Eine Zeit lang auf demselben Weg

Wieso entschei­den sich junge Erwach­se­ne für die Firmung? Und wie erle­ben sie den Firm­weg mit den regel­mäs­si­gen Tref­fen und den gemein­sa­men Ausflü­gen? Darüber ­haben fünf Firman­din­nen und ein Firmand der Firm­grup­pe in Buchs mit dem Pfar­rei­fo­rum diskutiert.

Ceci­lia, Sara und Joan­na, ­wieso habt ihr euch für den Firm­weg entschieden?

Ceci­lia Weid­mann (17): Das ist eine etwas spezi­el­le Geschich­te. Ich und Sara haben uns draus­sen vor der katho­li­schen Kirche in Buchs getrof­fen. Wir waren beide nicht ganz sicher, ob wir die Firmung machen wollen. Daher disku­tier­ten wir allge­mein über Glau­ben und die Firmung. Als wir nach dem Gespräch hoch­schau­ten, hatten sich die Wolken wie zu einem Kreuz geformt. Es war ein Zufall, für uns aber ein Zeichen, dass wir die Firmung machen sollten.

Sara Broz­vic (18): Unsi­cher waren wir, weil wir zu diesem Zeit­punkt nicht mehr so viel mit dem Glau­ben zu tun hatten. Das ist allei­ne schon dadurch der Fall, dass es in der Lehre keinen Reli­gi­ons­un­ter­richt mehr gibt.

Joan­na Auer (18): Ich bin eine sehr ratio­na­le Person, die stark an die Wissen­schaft glaubt. Trotz­dem denke ich, dass es etwas Über­mensch­li­ches gibt, das nicht greif­bar ist. Ich erhof­fe mir, dass ich durch den Firm­weg den Zugang dazu bekom­me. Ausser­dem will ich dadurch dem Glau­ben in meinem Leben mehr Raum geben. Wie Ceci­lia und Sara  es schon gesagt haben, war man früher durch den Reli­gi­ons­un­ter­richt auto­ma­tisch näher an den Themen Reli­gi­on und Glau­be dran, hat sich aber mitt­ler­wei­le etwas davon entfernt.

Also ist es für euch die ­Annä­he­rung an den Glau­ben, die den Firm­weg ausmacht?

Joan­na Auer: Für mich ist es auch das Gemein­schafts­er­leb­nis. Man kommt mit vielen unter­schied­li­chen Menschen zusam­men. Ich finde es schön, dass man sich austau­schen kann. Ich gehe an die Kantons­schu­le und habe im Alltag meis­tens einfach mit meinen Freun­den zu tun. Durch den Firm­weg konn­te ich Perso­nen kennen­ler­nen, die eine Lehre machen. Da bespricht man auch einmal ande­re Themen. Eindrück­lich fand ich dies­be­züg­lich auch, dass wir während unse­rer Firm­rei­se Einbli­cke in Insti­tu­tio­nen für Menschen am Rande der Gesell­schaft erhal­ten haben und mit Betrof­fe­nen disku­tie­ren konnten.

Sara Broz­vic: Das fand ich auch sehr span­nend. Zudem haben wir auch selbst bei Aktio­nen wie dem Rosen­ver­kauf am Fasten­ak­ti­ons­tag mitge­hol­fen. Anders als Joan­na sind Ceci­lia und ich aber erst nach der Firm­rei­se mit einem Firm-Weekend in den Firm­weg einge­stie­gen. Ich glau­be, das Firm-Weekend war thema­tisch etwas gedräng­ter als die Firm­rei­se, weil wir alles in zwei Tagen nach­ho­len muss­ten, wofür die ande­ren eine Woche lang Zeit gehabt haben.

Ceci­lia Weid­mann: Ja, im Wesent­li­chen ging es darum, uns über unse­ren Glau­ben auszu­tau­schen. Das fand ich sehr span­nend. Ich habe gemerkt, dass zwar alle an densel­ben Gott glau­ben, aber auf unter­schied­li­che Art und Weise.

Joan­na Auer: Genau. Es ist mega span­nend zu sehen, wie die verschie­de­nen Perso­nen den Glau­ben im Alltag unter­schied­lich leben. In unse­rer Firm­grup­pe gibt es eini­ge, die jeden Tag beten und regel­mäs­sig in Gottes­diens­te gehen, und für ande­re ist das nicht so wichtig.

Habt ihr mal gezwei­felt, ob der Entscheid für den Firm­weg rich­tig war?

Sara Broz­vic: Bei mir gab es solche Momen­te. Vor allem wenn ich während meiner Ausbil­dung zur Fach­frau Gesund­heit eine stren­ge Woche hatte und dann noch am Wochen­en­de ein Tref­fen für den Firm­weg bevor­stand. Aber die Tref­fen haben sich jedes Mal gelohnt.

Ceci­lia Weid­mann: Ich mache eben­falls eine Lehre als Fach­frau Gesund­heit und hatte diese Gedan­ken auch. Ich glau­be ausser­dem, man ist hin und wieder in Bezug auf den Firm­weg unsi­cher, weil man denkt, man kann ja auch allei­ne glau­ben, ohne irgend­wo teil­zu­ha­ben. Aber es ist dann eben doch besser, wenn man Teil einer Grup­pe ist.

Joan­na Auer: Bei mir gab es diesen Moment auch, vor allem weil man mit dem Firm­weg ja Verpflich­tun­gen eingeht. Die Firm­tref­fen sind etwas Schö­nes. Aber trotz­dem sind sie auch leicht mit Druck verbun­den, im Sinne von «Ihr müsst das machen, damit ihr gefirmt werdet». Dann denke ich mir, wie du Ceci­lia gera­de auch gesagt hast, Glau­be ist so etwas Persön­li­ches, da soll­te mir ja niemand etwas vorge­ben. Aber Grund, mich nicht firmen zu lassen, waren diese Über­le­gun­gen nie.

Wie hat sich durch den ­Firm­weg eure Sicht auf Kirche und Glau­be verändert?

Joan­na Auer: Da komme ich noch­mals auf die Gassen­kü­che zurück. Wir haben durch den Firm­weg viele Einbli­cke erhal­ten, was die Kirche alles macht. Kirche besteht nicht einfach nur aus Gottes­diens­ten, die bei vielen Jugend­li­chen viel­leicht ein Gefühl der Lange­wei­le auslö­sen. Kirche ist viel­fäl­tig. Das fand ich schön zu entdecken.

Ceci­lia Weid­mann: Bei mir ist es eher, dass ich selber gemerkt habe, woran ich glau­be. Dieser Prozess hat am Firm-Weekend ange­fan­gen, als ich mit Sara über meinen Glau­ben rede­te. Obwohl wir befreun­det sind, war das bislang nie Thema.

Sara Broz­vic: Ich sehe durch den Firm­weg, was Kirche auch noch ist und wie wich­tig schon klei­ne Gesten sind. Kirche besteht nicht nur aus Bibel­le­sen, sondern wie im Fall der Gassen­kü­che auch daraus, sich für ande­re einzusetzen.

Simon, Yaritza und Sere­na, wie war das bei euch, hattet Ihr Aha-Erlebnisse in Bezug auf Kirche und Glaube?

Simon Tinner (17): Eigent­lich nicht. Ich minis­trie­re seit meiner 1. Kommu­ni­on und bin stark mit der Kirche in Kontakt. Mein Bild über die Kirche habe ich mir schon vor dem Firm­weg gemacht, es hat sich jetzt nicht verän­dert. Aber ich würde sagen, mein Bild von Kirche und Glau­be hat sich bestä­tigt und noch etwas intensiviert.

Yaritza Brisi­ta (17): Bei mir ist es genau­so. Durch den Firm­weg bin ich einfach näher bei Gott, allei­ne dadurch, dass wir uns an den Tref­fen regel­mäs­sig über den Glau­ben ausge­tauscht haben. Das geht im Alltag sonst eher unter. Mir war bewusst, dass die Kirche viele verschie­de­ne Dinge macht, aber nicht, wie viel­fäl­tig diese sind und was etwa Seel­sor­gen­de alles leis­ten. Ich mache eine Ausbil­dung zur Assis­ten­tin Gesund­heit und Sozia­les. Als einer unse­rer Bewoh­ner der Einrich­tung, für die ich arbei­te, ins Spital kam, besuch­te ihn dort ein Seel­sor­ger. Er rede­te mit ihm und hielt seine Hand. Ich fand das so schön zu sehen und vor allem zu merken, wie gut ihm das tat.

Sere­na Rei (17): Ich schlies­se mich Simon und Yaritza an. Die Kurse haben mich näher zu Gott gebracht. Aber meine Sicht auf die Kirche hat sich nicht verändert.

Was war euer Grund, euch für den Firm­weg zu entscheiden?

Yaritza Brisi­ta: Ich habe mich für den Firm­weg entschie­den, weil ich getauft bin und die Erst­kom­mu­ni­on gemacht habe. Die Firmung ist jetzt wie der nächs­te Schritt. Auch in meiner Fami­lie sind alle gefirmt und ich möch­te später einmal in der Kirche heira­ten. Für mich gehört die Firmung also einfach dazu.

Sere­na Rei: Auch für mich war es einfach klar, dass ich mich firmen lassen möch­te. Ich bin Italie­ne­rin und meine Fami­lie ist sehr katho­lisch. Zuerst über­leg­te ich, ob ich mich in Itali­en firmen lassen möch­te, weil das dort schon früher möglich ist als hier mit 18 Jahren. Aber dann stand die Lehr­stel­len­su­che an und es wäre zu viel gewe­sen. Daher habe ich mich für den Firm­weg ab 18 entschieden.

Simon Tinner: Auch für mich ist die Firmung der nächs­te Schritt und gehört einfach dazu. Ich möch­te mein ganzes Leben bei der Katho­li­schen Kirche mit dabei sein und mit Gott in Verbin­dung sein.

Das klingt nicht danach, als ob ihr jemals am Firm­weg ­gezwei­felt habt?

Sere­na Rei: Nein, am Firm­weg selbst habe ich nicht gezwei­felt. Aber verun­si­chert hat mich, ob ich von meinem Arbeit­ge­ber im Bereich Detail­han­del die frei­en Tage bekom­men würde, die ich für den Firm­weg brauch­te, und ob sich alles, also Firm­weg und Ausbil­dung, verein­ba­ren lässt.

Yaritza Brisi­ta: Ich habe mich schon im Vorfeld gefragt, ob ich immer Lust oder Zeit haben werde, an den Tref­fen teil­zu­neh­men. Aber Zwei­fel waren das nicht wirk­lich, denn die Firmung ist etwas, das ich machen will.

Simon Tinner: Es gab auch bei mir Momen­te, in denen es zum Beispiel gele­ge­ner gewe­sen wäre, für eine Prüfung an der Kantons­schu­le zu lernen oder etwas ande­res zu machen, statt abends an ein Firm­tref­fen zu gehen. Für mich ist aber klar, dass ich die Firmung machen möch­te. Ausser­dem redet man an den Tref­fen über Dinge, die sonst im Alltag eher unter­ge­hen, und es gibt einem jedes Mal neue Denk­an­stös­se, wenn man hier ist.

Was hat euch während des Firm­wegs am meis­ten über­rascht? Was war spannend?

Simon Tinner: Span­nend am Firm­weg ist defi­ni­tiv, ande­re und neue Einbli­cke zu bekom­men, wie zum Beispiel in den Alltag von Perso­nen am Rande der Gesell­schaft. Wir haben über Sucht­pro­blem disku­tiert oder darüber, wie es ist, in der Schweiz von Armut betrof­fen zu sein. Eindrück­lich war, dass wir direkt mit Betrof­fe­nen reden konnten.

Sere­na Rei: Mir gefiel das Firm-Weekend und der Besuch in St. Gallen bei der Gassen­kü­che am besten. Für mich war es aber auch über­ra­schend und schön zu sehen, dass es so viele verschie­de­ne Einstel­lun­gen zum Thema Glau­be in unse­rer Firm­grup­pe gibt. Trotz der Unter­schie­de sind wir alle auf demsel­ben Weg. Ausser­dem war ich am Anfang schüch­tern und zurück­hal­tend. Dass nun alle locker mitein­an­der reden, zeigt für mich, dass in der Grup­pe ein Zusam­men­halt entstan­den ist.

Yaritza Brisi­ta: Eine der schöns­ten Erleb­nis­se war für mich defi­ni­tiv der Ausflug ins Klos­ter Einsie­deln. Die Grös­se und Schön­heit und die Gesprä­che mit den Mönchen haben mich beein­druckt. Wie Sere­na war auch ich am Anfang des Firm­wegs sehr zurück­hal­tend. Aber nach und nach lernt man die verschie­de­nen Menschen und ihre Einstel­lun­gen kennen. Dass alle so offen sind und «sich selbst zu öffnen» gar nicht so schlimm ist, hat mich dann doch überrascht.

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 21. Arpil 2023

Firmgeschenke?

Zusam­men Zeit verbrin­gen, ein Glücks­brin­ger oder ein finan­zi­el­ler Zustupf: ​Was schenkt man jungen Menschen zur Firmung? Barba­ra Gahler, Firm­ver­ant­wort­li­che in Teufen, Bühler, Gais und Mörschwil, gibt Tipps, was zu diesem Schritt ins Erwach­se­nen­le­ben passt. 

Gemein­sa­mes Essen

Barba­ra Gahler hat bei ihren Firm­grup­pen nach­ge­fragt: «Die Firman­din­nen und Firman­den erwar­ten grund­sätz­lich keine Geschen­ke, jeden­falls nicht im gros­sen Stil. Eini­ge von ihnen hätten bei älte­ren Geschwis­tern oder Freun­den miter­lebt, dass diese zur Firmung etwa ein Buch oder einen klei­nen Geld­be­trag erhal­ten haben. Für die meis­ten ist das gemein­sa­me Essen und Feiern das Wich­tigs­te an diesem Tag.» Sie habe auch erfah­ren, dass sich die Jugend­li­chen im Anschluss an die Fami­li­en­fei­er eine Party mit Freun­den wünschen. Die Eltern würden dann anstel­le eines Geschen­kes die Kosten für die Party über­neh­men. Im Vorder­grund stehen offen­bar die Erleb­nis­se und der emotio­na­le Wert, nicht mate­ri­el­le  Geschen­ke, die man im Laden um die Ecke kaufen oder online bestel­len kann. Gahler weiss auch, dass die Bezie­hung zu den Firm­pa­tin­nen und ‑paten eine gros­se Rolle spielt. Oft sind es Eltern, Geschwis­ter, der Part­ner oder jemand aus dem Freun­des­kreis. Die Jugend­li­chen suchen sich bewusst nahe­ste­hen­de Menschen aus, auf die sie sich in jeder Hinsicht verlas­sen können. «Sie sehen die Bezie­hung als wert­volls­tes Geschenk an.» 

Schmuck

Ein Schmuck-Geschenk muss nicht immer aus teuren Diaman­ten bestehen. Ausge­wähl­te Glücks­brin­ger als Anhän­ger, Ketten und Armbän­der können einen persön­li­chen Wunsch für Glück, Schutz, inne­re Kraft und Mut über­brin­gen. «Die klas­si­schen Geschen­ke wie eine elegan­te Armband­uhr oder ein Schmuck­stück mit reli­giö­sem Motiv sind häufig nicht mehr gewünscht. Mode­schmuck ist hinge­gen beliebt», sagt Gahler. 

Finan­zi­el­ler Zustupf

Junge Leute haben gros­se Pläne. Besten­falls kann man sie dabei tatkräf­tig und mental unter­stüt­zen. Manch­mal ist auch eine finan­zi­el­le Betei­li­gung ein will­kom­me­nes Geschenk. Ein Grosi hat Gahler einmal erzählt, dass sie ihrem Gross­kind zur Firmung einen Betrag für die Auto­prü­fung geschenkt habe. «Das fand ich sehr passend», sagt sie.

Möbel­stück

Von einer Fami­lie hat Gahler erfah­ren, dass die gela­de­nen Gäste sich für ein gemein­sa­mes Geschenk entschie­den haben. Sie haben die Firman­din mit einem Möbel über­rascht. Ein Bett, ein Nacht­tisch, ein Schrank oder ein Side­board: Ein Möbel ist auf alle Fälle ein nach­hal­ti­ges Geschenk, das lang­fris­tig an die Firmung und Firm­gäs­te erin­nert. Allen­falls kann es auch ein mass­ge­fer­tig­tes Möbel­teil vom Schrei­ner sein.

Gemein­sa­me Zeit

Ein Gutschein für eine gemein­sa­me Akti­vi­tät hat eine beson­ders persön­li­che Note. Der Schen­ken­de über­legt sich nämlich, «über was würde er oder sie sich freu­en?» Je nach Vorlie­be kann dies ein gemein­sa­mes Essen, eine Berg­tour, eine Städ­te­rei­se, ein Frei­zeit­kurs, ein Musical- oder Konzert­be­such, eine Shop­ping­tour oder ein Well­ness­tag sein. 

Symbo­li­sches Geschenk

Symbo­li­sche Geschen­ke stehen als Zeichen der Zunei­gung und Verbun­den­heit. Ein solches Geschenk kommt von Herzen und hat einen hohen, emotio­na­len Wert. Dies kann ein Talis­man oder eine Pflan­ze sein oder etwas Selbst­ge­fer­tig­tes, wie beispiels­wei­se ein Traum­fän­ger, ein Gemäl­de oder ein Gedicht.

Text: Katja Hongler

Bild: Pixabay.com

Veröf­fent­licht: 20.04.023

Bei Konflikten beraten

15 bis 20 Fälle bear­bei­tet die Ombuds­stel­le des Bistums St. Gallen im Jahr. ­«Ursa­chen für ­Konflik­te sind oft unge­klär­te Rollen oder Ziel­vor­ga­ben», sagt Ombuds­per­son Kath­rin Hilber. Das Ange­bot steht kirch­li­chen Mitar­bei­ten­den und frei­wil­lig Enga­gier­ten zur Verfügung.

«Viele, die mit uns Kontakt aufneh­men, melden sich rela­tiv spät», sagt Kath­rin Hilber, «die Konflikt­dy­na­mik ist schon weit voran­ge­schrit­ten und die Not deshalb gross. Wenn möglich, versu­chen wir, in solchen Fällen auch den Erst­kon­takt inner­halb 24 Stun­den zu reali­sie­ren.» Für die Betrof­fe­nen sei es zunächst mal wich­tig, dass ihnen jemand zuhört. «Als Ombuds­per­son können wir keine Wunder voll­brin­gen. Wir unter­stüt­zen als Coach. Unse­re Rolle besteht darin, zu bera­ten und Mut zu machen. Wir möch­ten die Ratsu­chen­den befä­hi­gen, wenn immer möglich ihren Konflikt selber zu lösen. Vorge­setz­te haben meist keine Freu­de dran, wenn Ombuds­per­so­nen auftre­ten.» So probie­ren sie zum Beispiel verschie­de­ne Verhal­tens­mög­lich­kei­ten aus und bespre­chen, welche unter­schied­li­che Dyna­mi­ken damit ausge­löst werden.

Tino Bente­le, Kath­rin Hilber und Alex­an­dra Gloor (v. links) haben ein offe­nes Ohr für kirch­li­che Mitar­bei­ten­de und Freiwillige.

Unge­klär­te Fragen

«Bis jetzt haben sich prak­tisch alle Berufs­gruppen, die im kirch­li­chen Umfeld tätig sind, gemel­det: Pries­ter, Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sorger, Mess­me­rin­nen und Mesmer, Reini­gungs­kräf­te …», so Kath­rin Hilber. Die Ombuds­stel­le steht auch für frei­wil­lig Enga­gier­te offen. «Von diesen hat sich bis jetzt kaum jemand gemel­det», sagt Kath­rin Hilber, «denn frei­wil­lig Enga­gier­te legen meist ihr Ehren­amt nieder, wenn sie unter einem Konflikt leiden.» Etwas beob­ach­tet Kath­rin Hilber bei ihren Ratsu­chen­den immer wieder: «Die Menschen, die zu mir kommen, bren­nen für die Kirche. Trotz der Konflik­te stel­len sie ihre Beru­fung nicht infra­ge.» Oft komme es zu Konflik­ten, weil eini­ges zu wenig genau geklärt ist: Wer hat welche Kompe­ten­zen? Was steht genau im Stel­len­be­schrieb? «Immer wieder geht es auch um die Erfah­rung, nicht gehört zu werden, oder es fehlt an echter Wert­schät­zung.» Manch­mal umfasst ein Fall einfach nur ein Bera­tungs­ge­spräch am Tele­fon, manch­mal trifft man sich zu mehre­ren Termi­nen. Was auf der Ombudsstelle bespro­chen wird, ist vertrau­lich. «Jeder Schritt passiert nur mit dem Einver­ständ­nis des Klien­ten. Wir bera­ten unab­hän­gig und neutral. Die Ombuds­stelle ist nieman­dem gegen­über zu einer Auskunft verpflich­tet und entschei­det selbst, ob und in welcher Form sie tätig sein will.» Wird es gewünscht, leitet die Ombuds­per­son ein Gespräch mit allen Betrof­fe­nen ein. Durch ihre Arbeit als Ombuds­frau sei ihr bewusst gewor­den, was für ein beson­de­res System das duale Kirchen­mo­dell sei: «Dass das Mitein­an­der von kirch­li­chen und staats­kir­chen­recht­li­chen Gremi­en funk­tio­niert, hängt von den konkre­ten Perso­nen ab.» Kirch­li­che Mitar­bei­ten­de haben meist zwei Vorge­setz­te – den Bischof und die Kirchenverwaltung.

Inno­va­ti­ver Schritt

2017 haben das Bistum St. Gallen und der Katho­li­sche Konfes­si­ons­teil die Ombuds­stel­le einge­rich­tet. «Das war im kirch­li­chen Bereich ein inno­va­ti­ver Schritt», sagt Kath­rin Hilber. Die ehema­li­ge St. Galler Regie­rungs­rä­tin ist seit Anfang an dabei. Sie wird unter­stützt von Tino Bente­le, Wittenbach, und Alex­an­dra Gloor, Buchs. «Die Betrof­fe­nen sollen auswäh­len können und zudem sind mit der Juris­tin Alex­an­dra Gloor noch weite­re Kompe­ten­zen vertre­ten. Oft sind bei unse­ren Fällen schnell juris­ti­sche Fragen im Spiel.» Fünf­zehn bis zwan­zig Fälle bear­bei­tet die Ombuds­stel­le im Jahr. Laut Kath­rin Hilber, die auch Erfah­rung als Ombuds­frau von ande­ren Insti­tu­tio­nen mitbringt, ist das über­ra­schend wenig. «Woran das liegt, lässt sich schwer sagen. Ich vermu­te, dass die Hemm­schwel­le, sich zu melden, bei vielen noch gross ist.» Sie ermu­tigt alle, die Ombuds­stel­le auch präven­tiv in Anspruch zu nehmen. «Oft lassen sich Konflik­te für alle Betei­lig­ten viel einfa­cher lösen, wenn man sich profes­sio­nell bera­ten und beglei­ten lässt, bevor sich eine nega­ti­ve Dyna­mik in Gang gesetzt hat.»

Anlie­gen werden gehört

Alle zwei Jahre tref­fen sich die Ombuds­per­so­nen mit ihren Auftrag­ge­bern, dem Bistum und dem Katho­li­schen Konfes­si­ons­teil. «Beob­ach­ten wir, dass gewis­se Themen immer wieder vorkom­men, dann machen wir unse­re Auftrag­ge­ber darauf aufmerk­sam, wo Hand­lungs­be­darf besteht.» Das können zum Beispiel das Ange­bot von Weiter­bil­dun­gen oder Anpas­sun­gen bei den Anstel­lungs­be­din­gun­gen sein. «Auch bei diesen Gesprä­chen erle­be ich die kirch­li­chen Verant­wor­tungs­trä­ger als offen und konstruk­tiv. Wir werden mit unse­ren Anlie­gen gehört.» Die Ombuds­stel­le des Bistums St. Gallen wird schweiz­weit wahr­ge­nom­men: Jüngst hat Kath­rin Hilber von einem ande­ren Bistum den Auftrag erhal­ten, das Konzept für eine Ombuds­stel­le zu entwickeln.

Kontakt­auf­nah­me mit Kath­rin Hilber

Text: Stephan Sigg

Bild: Regi­na Kühne

Veröf­fent­licht: 12. 04. 2023

Fake News oder Wahrheit

Eine eige­ne Repor­ta­ge machen, einmal selber Fake News verbrei­ten sowie die Medi­en­stadt St. Gallen entde­cken: Das ermög­licht die neue Ausstel­lung im Kultur­mu­se­um St. Gallen – und möch­te dabei die Medi­en­kom­pe­tenz der Besu­che­rin­nen und Besu­cher stärken.

Das Klos­ter St. Gallen, das Rathaus, die Sticke­rei­bör­se, der Markt­platz, die Fürst­ab­tei und das Home­of­fice: Per Projek­tor erschei­nen auf der Wand der «St. Galler Arena» im Kultur­mu­se­um St. Gallen eins­ti­ge und aktu­el­le Orte, die für die Medi­en­stadt St. Gallen wich­tig waren und sind. Durch Pilger, die ins Klos­ter kamen, gelang­ten etwa Neuig­kei­ten aus ganz Euro­pa nach St. Gallen. Noch heute ist der Stifts­be­zirk als Unesco-Welterbe Treff­punkt für Gläu­bi­ge aus aller Welt. Die Sticke­rei­bör­se um 1900 wurde auch als Schwatz­bör­se bezeich­net, da sie Raum für Klatsch und Stadt­ge­sprä­che bot. Heute geht, wer sich infor­mie­ren möch­te, viel­leicht in ein Café mit Zeitungs­aus­wahl oder tut dies gleich von zu Hause aus via Home­of­fice im Internet.

Rück­zug in die St. Galler Arena

Nach einer Stun­de Rund­gang durch die neue Ausstel­lung «Auf der Suche nach der Wahr­heit – Wir und der Jour­na­lis­mus» im Kultur­mu­se­um  ist die «St. Galler Arena» der idea­le Ruheort, um sich das Gese­he­ne noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen und mit Eindrü­cken aus St. Gallen abzu­schlies­sen. In dunk­ler, ruhi­ger Atmo­sphä­re laden Stüh­le zum Hinset­zen ein. Bei eini­gen handelt es sich um soge­nann­te Ereig­nis­stüh­le. Wer sich dort nieder­lässt, findet seit­lich befes­tig­te Tafeln, die jeweils eines von neun St. Galler Ereig­nis­sen aufgrei­fen. Dazu gehö­ren etwa die Oster­kra­wal­le 2021 in St. Gallen. Thema­ti­siert wird, wie Social Media und Pande­mie inein­an­der­grif­fen. Ein weite­rer Ereig­nis­stuhl erzählt die Geschich­te der Kinds­mör­de­rin Frie­da Keller, die Empö­rung über das Todes­ur­teil sowie das Medi­en­echo um 1900 zur sozia­len Benach­tei­li­gung der Frau. Das frühs­te thema­ti­sier­te Ereig­nis in der Medi­en­stadt St. Gallen fand aber vor der Erfin­dung des Buch­drucks statt. Es ist das Schick­sal der Stadt­hei­li­gen Wibora­da, die einge­schlos­sen in eine Zelle als Inklu­sin lebte. 926 wurde sie bei einem Über­fall der Ungarn auf die Stadt erschla­gen. Die Menschen und die Schät­ze des Klos­ters konn­ten dank ihrer Warnung aber in Sicher­heit gebracht werden. Ihre Geschich­te ist hand­schrift­lich fest­ge­hal­ten und beinhal­tet wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen zu jener Zeit.

Sich in Quel­len­kri­tik üben

Doch wieso sind diese St. Galler Ereig­nis­se exem­pla­risch für die Medi­en­ge­schich­te und die Ausstel­lung «Auf der Suche nach der Wahr­heit – Wir und der Jour­na­lis­mus»? «Derzeit erle­ben wir die histo­ri­sche Verän­de­rung im Jour­na­lis­mus sehr stark mit», sagte dazu Muse­ums­di­rek­tor Peter Fux an der Medi­en­ori­en­tie­rung im März. Medi­en­kom­pe­tenz und Quel­len­kri­tik würden immer wich­ti­ger, um sich in der Flut aus Nach­rich­ten zurecht­zu­fin­den. Genau dies sei das Ziel der Ausstel­lung: Sie soll aufzei­gen, wie Medi­en­schaf­fen­de arbei­ten und die Besu­che­rin­nen und Besu­cher und gera­de auch Jugend­li­che dafür sensi­bi­li­sie­ren, wie und wo sie sich infor­mie­ren und mit Infor­ma­tio­nen umge­hen. Die Ausstel­lung funk­tio­niert stark inter­ak­tiv. Die Besu­che­rin­nen und Besu­cher checken sich mittels Badge ein und schlüp­fen während ihres Muse­ums­auf­ent­halts in verschie­de­ne Rollen. Im Burger-Spiel können sie beispiels­wei­se Fake News verbrei­ten und versu­chen, mittels übler Gerüch­te ein Burger-Restaurant in den Ruin zu trei­ben. Je besser sie das tun, desto mehr Punk­te gibt es. Eine weite­re Stati­on ist etwa der News­room. Dieser ist als Escape-Room gestal­tet. Man lässt sich dort als Team einschlies­sen und kommt erst wieder frei, wenn man verschie­de­ne Rätsel gelöst, eine jour­na­lis­ti­sche Geschich­te recher­chiert und diese veröf­fent­licht hat. Das Spiel dauert rund 20 Minuten.

Die Holocaust-­Debatte im Fall Jagmetti und die Enthül­lung der ­Pana­ma Papers sind zwei von ­vielen Medien­ereignissen, die an der ­Ausstel­lung thema­ti­siert werden.

Die Wunder­kam­mer entdecken

Ergänzt wird die Ausstel­lung durch verschie­de­ne Medi­en­er­eig­nis­se wie das Frau­en­stimm­recht, die Pande­mie und den Ukraine-Krieg. Zu sehen sind auch Inter­views mit Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten, die über ihre Arbeit berich­ten. Span­nend wird es zudem in der Wunder­kam­mer. Dort sind verschie­de­ne tech­ni­sche Entwick­lun­gen zu sehen, von den ersten Tonta­feln mit Keil­schrift  über alte Tele­fo­ne, Kame­ras und Compu­ter bis hin zu einem Tisch voller verschie­dens­ter St. Galler Zeitungen, wie es sie um 1900 gab. Zum Schluss, beim Check-out nach dem Museumsbesuch, folgt eine Über­ra­schung: Wer seinen Badge einwirft, bekommt einen Pres­se­aus­weis ausgedruckt. Je nach Punk­te­stand hat man den Status Prak­ti­kum, freie Mitar­beit, Redak­ti­on oder Chef­re­dak­ti­on erreicht.

→ Infos zu Ausstel­lung und Rahmen­pro­gramm: www.kulturmuseumsg.ch

Das Projekt hinter der Ausstel­lung: Hinter der Wander­aus­stel­lung «Auf der Suche nach der Wahr­heit – Wir und der Jour­na­lis­mus» steht der ­Verein ­journalistory.ch. Dieser entstand 2017 durch das gleich­na­mi­ge Oral-­History-Projekt. Initi­iert wurde es vom West­schwei­zer Filme­ma­cher Frédé­ric Gons­eth. Anlass der Vereins­grün­dung war die bevor­ste­hen­de Abstim­mung über die «No Billag»-Initiative. Diese woll­te die Empfangs­ge­bühr für Radio und ­Fern­se­hen abschaf­fen. → www.suchewahrheit.ch

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Regi­na Kühne

Veröf­fent­li­chung: 30. März 2023

Bildstöckliweg Rorschach, Elisabeth Lüthard-Fuchs

Im Park Madonna entdecken

In der Natur unter­wegs sein, den Blick auf den Boden­see und histo­ri­sche Schlös­ser ­genies­sen und an 24 Bild­stöck­li und Wegkreu­zen Zwischen­hal­te einle­gen. «Hinter den Bild­stöck­li stehen span­nen­de Geschich­ten», sagt Elisa­beth Lüthard-Fuchs, Projekt­lei­te­rin des Bild­stöck­li­wegs in der Regi­on Rorschach.

Vom Park­platz des Schlos­ses Wart­egg  sind es nur ein paar Schrit­te durch den Park und schon steht man vor einer beson­de­ren Trou­vail­le: Im Stamm eines 150 Jahre alten Mammut­baums, der 2019 den zuneh­mend trocke­nen Früh­lin­gen zum Opfer fiel, ist ein schwar­zes Marmor­re­li­ef mit einer Madon­na und dem Jesus­kind zu finden. Mathi­as Thal­mann, der Schloss­gärt­ner, hat mit diesem Reli­ef einen Ort der Besin­nung als Dank für die Frucht­bar­keit der Erde geschaf­fen. Das Beson­de­re: Es handelt sich um eine Kopie des welt­be­kann­ten Reli­efs von Michel­an­ge­lo. Dieses Bild­stöck­li ist das jüngs­te, dem man auf dem Bild­stöck­li­weg der Katho­li­schen Kirche Regi­on Rorschach begeg­net. «Hinter den Bild­stöck­li stehen meis­tens persön­li­che Glau­bens­ge­schich­ten», so Elisa­beth Lüthard. Die Rorscha­cher­berg­le­rin ist Projekt­lei­te­rin des Bild­stöck­li­wegs. «Oft wurden Bild­stö­cke errich­tet, weil sich Gläu­bi­ge bei Gott für eine Heilung oder ein ande­res posi­ti­ves Ereig­nis bedan­ken woll­ten. Dank­bar­keit mit ande­ren teilen – ich finde, das ist ein schö­nes Zeichen.» Oft waren es schick­sal­haf­te Ereig­nis­se, die die Menschen dazu brach­ten, ein Mahn­mal zu erstel­len. «Als Aufruf, sich immer wieder zu besin­nen – inne­zu­hal­ten. Es wurden alle Facet­ten des mensch­li­chen Daseins berücksichtigt.»

Bildstöckliweg Rorschach, Elisabeth Lüthard-Fuchs
Elisa­beth Lüthard-Fuchs vor dem Bild­stöck­li im Schloss­park Wart­egg Rorschach.
Mathi­as Thal­mann, der Schloss­gärt­ner, hat das Reli­ef geschaf­fen — eine Kopie eines Reli­efs von Michaelangelo.

Kultur- und Glaubensgut

Die Katho­li­sche Kirche Regi­on Rorschach hat mit dem Bild­stöck­li­weg eine uralte katho­li­sche Tradi­ti­on fit für die Gegen­wart gemacht. «Es ist in der Regi­on Rorschach schon lange Brauch, dass frei­wi­lig Enga­gier­te Bild­stö­cke und Wegkreu­ze schmü­cken», so Elisa­beth Lüthard, «doch dieses Kultur- und Glau­bens­gut verschwin­det immer mehr aus dem Bewusst­sein. Im Austausch zwischen den Frei­wil­li­gen und Seel­sor­gen­den kam die Idee auf, diese Bild­stö­cke mit einem Weg aufzu­wer­ten.» Elisa­beth Lüthard, eine enga­gier­te Frei­wil­li­ge in der Kirche, über­nahm die Projekt­lei­tung. Akri­bisch hat sie sich in die Bedeu­tung der Bild­stöck­li in der katho­li­schen Spiri­tua­li­tät einge­le­sen. Der Rorscha­cher Lokal­his­to­ri­ker Otmar Else­ner bekam den Auftrag, die histo­ri­schen Hinter­grün­de zu recher­chie­ren und aufzu­ar­bei­ten. «Uns war es wich­tig, dass die Menschen an jeder Stati­on einen spiri­tu­el­len Gedan­ken mitneh­men können», sagt Elisa­beth Lüthard. Dafür mach­te sie sich auf die Suche nach spiri­tu­el­len Texten. «Für Statio­nen, für die ich nichts Passen­des gefun­den habe, habe ich selber etwas geschrieben.»

Bildstöckliweg Rorschach, Elisabeth Lüthard-Fuchs

Auch mit dem Velo

Im Septem­ber 2021 war es so weit: Die Wegta­feln wurden instal­liert, eine Karte zum Mitneh­men wurde gedruckt und eine Website ging online. Die Wegta­feln enthal­ten neben Infos zum Bild­stock und einem spiri­tu­el­len Impuls einen QR-Code, der zu weite­ren Infos zum Weg und zu den Bild­stö­cken führt. Der Weg erstreckt sich über das Gebiet der Gemein­den Gold­ach, Rorschach, Rorscha­cher­berg und Unter­eg­gen. «Die Stre­cke mit Zwischen­hal­ten bei allen 24 Statio­nen wäre zu lang, deshalb haben wir sie in zwei Etap­pen aufge­teilt: in einen Rorscha­cher Weg und einen Goldach­er Weg», erklärt Elisa­beth Lüthard. Wie viele inzwi­schen schon von Bild­stock zu Bild­stock unter­wegs waren, weiss sie nicht. «Es gibt Grup­pen, die sich gemein­sam auf den Weg gemacht haben. Aber ich habe auch schon beob­ach­tet, dass manche – darun­ter auch junge Erwach­se­ne – einen Bild­stock per Zufall entde­cken, neugie­rig werden und dann die Texte auf den Tafeln lesen», so Elisa­beth Lüthard. «Das Schö­ne an dieser Glau­bens­tra­di­ti­on: sie ist ein Ange­bot – eine Einla­dung, sich auf Spiri­tua­li­tät einzu­las­sen. Wer nichts damit anfan­gen kann, kann es einfach igno­rie­ren.» Ihr war wich­tig, den Weg möglichst für alle zugäng­lich zu machen. So gibt es Routen, die auch mit dem Velo oder dem Kinder­wa­gen absol­viert werden können. Ein «Lieblings-Bildstöckli» hat Elisa­beth Lüthard nicht. «Es kommt jeweils auf meine aktu­el­le Verfas­sung an, welche Stati­on mich gera­de am meis­ten anspricht. Aber immer wieder beein­druckt mich das Bild­stöck­li mit dem schlich­ten Holz­kreuz nahe beim Schloss Warten­see. Wer dort das Kreuz betrach­tet, blickt dahin­ter direkt auf den Boden­see – ein atem­be­rau­ben­des Panora­ma.» Die gedruck­te Karte liegt in den Kirchen der Regi­on Rorschach auf und steht als PDF auf der Website zur Verfügung.

→ www.bildstoeckliweg.ch

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 24.03.2023

Eine Osterkerze von der Jubla

Jedes Jahr fertigt die Stadt­s­ankt­gal­ler Jubla St. Martin Brug­gen Oster­ker­zen von Hand.Wieso das noch zeit­ge­mäss ist und die medi­ta­ti­ve Arbeit gut fürs Lachen und Erin­nern ist, ­erzäh­len die Jubla-Leiterinnen in ihrer Werk­statt im Keller des Pfar­rei­heims Bruggen.

Wann die Jubla St. Martin Brug­gen die erste Oster­ker­ze selbst mach­te, daran kann sich Nadia Macia­ri­el­lo nicht erin­nern. Eini­ge Exem­pla­re der vergan­ge­nen zwan­zig Jahre stehen aber im Keller des Pfarr­heims im St. Galler Stadt­teil Brug­gen aufge­reiht. «Das sind aber lange nicht alle», sagt Nadia Macia­ri­el­lo und legt das klei­ne Messer beisei­te, mit dem sie eben noch Formen aus einem grünen Wachs­pa­pier ausge­schnit­ten hat. Macia­ri­el­lo ist Mitte vier­zig, Präses bei Jung­wacht Blau­ring und trifft sich an diesem Abend mit den Leite­rin­nen und eini­gen Frei­wil­li­gen, um bis Ostern 300 Kerzen fertigzustellen.

Die Produk­ti­on der Oster­ker­zen dauert mehre­re Aben­de — die Jugend­li­chen arbei­ten und plau­dern mitein­an­der über alles, was sie gera­de beschäftigt.

Abküh­len an der kalten Luft

Auf Wachs­pa­pier wird klei­nen Karton­vor­la­gen entlang geschnit­ten, die klei­nen Einzel­tei­le werden vorsich­tig in der Mitte des Tisches ausge­legt und anschlies­send mit Finger­spit­zen­ge­fühl und Hand­schu­hen an die Kerzen ange­drückt. Zwei Jugend­li­che nehmen eini­ge Wachs­bö­gen und brin­gen sie hinaus in die kalte Febru­ar­luft. Nicht zu warm und nicht zu kalt dürfen sie werden, um sich opti­mal bear­bei­ten zu lassen. Aus dem Keller dringt Lachen. Die Leite­rin­nen erin­nern sich an verschie­de­ne Lager und erzäh­len von Schnee im Sommer, aben­teu­er­li­chen und selbst gebau­ten WC-Anlagen im Wald und langen Näch­ten am Lager­feu­er. «Gera­de wegen solcher Erin­ne­run­gen und Gesprä­che sind die Aben­de so schön, an denen wir gemein­sam Oster­ker­zen machen», sagt die 25-jährige Belin­da Bautis­ta, die zu den ­Ältes­ten in der Runde gehört. Sie vertritt den ­«Grau­ring», wie bei der Jubla die Ehema­li­gen heis­sen. Die übri­gen Leite­rin­nen sind an diesem Abend zwischen 13 und 22 Jahre alt. Im Keller des Pfar­rei­heims tref­fen sie sich von Febru­ar bis April für die Oster­ker­zen­pro­duk­ti­on einmal wöchentlich.

Gemein­sam Oster­ker­zen zu machen, ist immer auch Anlass, zu lachen und sich an ­Erleb­nis­se und Ausflü­ge mit der Jubla zu erin­nern. Es braucht aber auch Ausdau­er: Fast wöchent­lich tref­fen sich die Leite­rin­nen und Frei­wil­li­gen von Febru­ar bis April, bis die 300 Kerzen gefer­tigt sind.

Medi­ta­ti­ver Ausgleich

Verkauft werden die Kerzen im Claro-Laden gleich im Erdge­schoss des Pfar­rei­heims, nach der Oster­mes­se in der Kirche sowie über die Website der Jubla St. Martin Brug­gen je nach Modell für acht bis zehn Fran­ken. «Ich habe mich natür­lich gefragt, ob es noch zeit­ge­mäss ist, dass sich junge Leute abends zum Kerzen­ma­chen tref­fen. Vor allem, da wir wohl eine von sehr weni­gen Jublas sind, die das in einer Pfar­rei über­haupt noch machen», sagt Nadia Macia­ri­el­lo. Doch alle seien moti­viert gewe­sen. «Ich finde es einfach eine schö­ne Tradi­ti­on. Wir tref­fen uns, es ist medi­ta­tiv und dann ist da zusätz­lich noch der Ansporn, möglichst viele Kerzen zu verkau­fen», sagt etwa die 14-jährige Elena Brun­ner. Und die 22-jährige Alena Macia­ri­el­lo fügt an: «Ausser­dem ist es ein gene­ra­tio­nen­über­grei­fen­des Projekt, an dem alle zusam­men­kom­men können, die auf irgend­ei­ne Weise mit der Jubla verbun­den sind.»

Blau­ring Brug­gen entschei­det sich jedes Jahr für ein ande­res Motiv.
Das Symbol in diesem Jahr: der Regenbogen

Fotos und Osterkulissen

Die Einnah­men aus dem Kerzen­ver­kauf flies­sen in die Jubla-Kasse und werden für Lager oder beson­de­re Projek­te gebraucht. Vor eini­gen Jahren stell­te die Jubla St. Martin Brug­gen noch bis zu 500 Oster­ker­zen her. «Da es aber weni­ger Kirchen­be­su­che­rin­nen und ‑besu­cher gibt als früher, verkau­fen wir auch weni­ger Kerzen und müssen mehr auf unse­re Online-Kanäle setzen», sagt Nadia Macia­ri­el­lo und erzählt von Bestel­lun­gen, die sie beson­ders freu­en. Darun­ter sind zum Beispiel jene von Perso­nen, die schon länger aus der Stadt oder dem Quar­tier wegge­zo­gen sind, jedes Jahr aber eine Oster­ker­ze aus Brug­gen bestel­len. «Manch­mal bekom­men wir sogar Fotos der aufge­stell­ten und ange­zün­de­ten Kerzen vor einer Oster­ku­lis­se zuge­schickt. Es ist schön zu sehen, wie ande­re Perso­nen mit unse­ren Kerzen Ostern feiern», sagt sie.

Jede Kerze — ein Unikat.

Ein abstrak­tes Kreuz, aus dem Neues entsteht

Auch die jewei­li­gen Symbo­le auf den Kerzen entwirft die Jubla St. Martin Brug­gen im Team. In diesem Jahr ist das Symbol abstrakt und besteht aus einem dünnen, golde­nen und schräg ausein­an­der­ge­hen­den Kreuz. Dessen eine Hälf­te ist in den Farben des Regen­bo­gens als Zeichen des Frie­dens gestal­tet, die ande­re Hälf­te mündet in einen Baum mit jungen, hell­grü­nen Blät­tern. Diese symbo­li­sie­ren, dass stän­dig Neues entsteht. «Alle Perso­nen sollen in den Oster­ker­zen etwas entde­cken können, das ihnen Kraft gibt und auch optisch gefällt», sagt Nadia Macia­ri­el­lo. Rund 30 Minu­ten dauert es, bis eine Kerze von Hand gefer­tigt und verpackt ist. Die Aben­de im Keller werden sich bis Ostern also noch etwas ziehen – oder auch dank der vielen lusti­gen Anek­do­ten und Erin­ne­run­gen an gemein­sa­me Jubla-Erlebnisse wie im Flug vergehen.

Kerzen bestel­len: bruggen.blauring@gmail.com

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 23. März 2023

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