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Kirche erklären in 80 Sekunden

Brot teilen statt in einer Schla­ger­show zu tanzen: «Früher haben wir das Meer geteilt, heute verbin­den wir Welten», sagt Carme­la Bono­mi (25), Schau­spie­le­rin und Tänze­rin, in einem neuen Info­film des Katho­li­schen Konfes­si­ons­teils des Kantons St. Gallen. Das Video soll aufzei­gen, was Kirchen­steu­ern in der Ostschweiz ermög­li­chen. Im Inter­view sagt Carme­la Bono­mi, was sie am Video über­rascht hat und warum der Glau­be gera­de in ihrem Beruf wich­tig ist.

Came­la Bono­mi, Sie sind Schau­spie­le­rin und Tänze­rin, wie reagiert man, wenn man die Anfra­ge bekommt, in einem Video über die Kirchen­steu­ern mitzuwirken?

Came­la Bono­mi: Wenn ich von kirch­li­chen Insti­tu­tio­nen ange­fragt werde, freue ich mich und bin auch immer gleich posi­tiv gestimmt. Das war auch bei dieser Anfra­ge des Kath. Konfes­si­ons­teils der Fall. Ich habe schon in mehre­ren kirch­li­chen Produk­tio­nen mitge­wirkt. Aber natür­lich schaue ich dann schon genau­er hin, worum es inhalt­lich geht und ob ich dahin­ter­ste­hen kann. Und gera­de bei kirch­li­chen und reli­giö­sen Themen ist es mir wich­tig, dass ich mich mit den Formu­lie­run­gen im Text, den ich spre­che, iden­ti­fi­zie­ren kann.

Ist ein Video über die Verwen­dung der Kirchen­steu­ern nicht ein viel zu theo­re­ti­sches Thema?

Ich habe gleich gemerkt, dass die Produktions­firma einen coolen Ansatz gewählt hat. Das hat mich persön­lich sofort ange­spro­chen. Zudem: Ich habe die Diskus­sio­nen auch schon in meinem priva­ten Umfeld erlebt: Warum braucht es die Kirchen­steu­ern? Wie werden sie einge­setzt? Oft wird auch vieles für selbst­ver­ständ­lich genom­men und man über­legt sich nicht, was fehlen würde, wenn es dieses oder jenes Ange­bot nicht mehr geben würde. Deshalb finde ich es sinn­voll, dass man versucht, mit einem Video Aufklä­rungs­ar­beit zu leisten.

Das Video ist seit eini­gen ­Wochen online. Wie gefällt ­Ihnen das Ergebnis?

Ich habe die Texte ja vor einer Greenscreen-Wand im Studio einge­spro­chen und konn­te mir deshalb kaum vorstel­len, wie das dann zusam­men­schnit­ten wurde. Es ist sehr dyna­misch gewor­den, es ist witzig, und obwohl es ein kurzes Video ist, kommen so viele Beispie­le vor, die Kirchen­steu­ern ermög­li­chen. Deshalb ist es aus meiner Sicht sehr gelungen.

Was ist Ihnen durch dieses ­Video neu über die Kirchen ­bewusst geworden?

Es ist erfreu­lich, dass im Video gleich zu Beginn die Bibel thema­ti­siert wird, sie ist die Grund­la­ge des christ­li­chen Glau­bens und der Kirchen. Alles geht auf sie zurück. Es werden verschie­de­ne Aufga­ben im sozia­len Bereich gezeigt, aber auch die Bedeu­tung der Kirchen­mu­sik, die nicht nur Kultur, sondern auch Gemein­schaft ermög­licht. Es wird auch erwähnt, dass die Kirche Orien­tie­rungs­hil­fe im Leben bieten kann. Auf mich hat auch die Stifts­bi­blio­thek gros­sen Eindruck gemacht, ein wich­ti­ges Kultur­gut und wohl eine Beson­der­heit in St. Gallen, auf die man stolz sein kann. Dass auch hier Kirchen­steu­ern invol­viert sind, war für mich neu. Mir ist aber noch ein ganz ande­rer Aspekt bewusst gewor­den, dem ich bisher nicht so viel Beach­tung geschenkt habe: Die Kirchen als Gebäu­de prägen unser Land, sie sind im ganzen Land sicht­bar. Sie stehen für unse­re Geschich­te und unse­re Kultur. Auch die Erhal­tung dieser Gebäu­de muss finan­ziert werden.

Gab es Beispie­le, die Sie vermissen?

Mir fällt nichts ein. Eines kann dieses Video natür­lich nicht leis­ten: Aus meiner Sicht ist unse­re Gesell­schaft zu sehr von einem Kosten-Nutzen-Denken geprägt. Das prägt auch die Ausein­an­der­set­zung mit den Kirchen­steu­ern. Oft hat man persön­lich viel­leicht keinen direk­ten Nutzen, aber man unter­stützt ja die Gemein­schaft, die ganze Gesellschaft.

Welchen Bezug haben Sie zu den Kirchen und zum christ­li­chen Glauben?

Der Glau­be hat schon immer eine Rolle in meinem Leben gespielt, ich bin in einer Frei­kir­che aufge­wach­sen. Das Vertrau­en auf Gott ist mein Funda­ment, er trägt mich durch das Leben und gib mir immer wieder Kraft. Mein Glau­be ist für mich auch ein Wegwei­ser, wie ich mit mir selbst und mit ande­ren umgehe.

Sie treten in Musik­shows im Fern­se­hen auf, spie­len in Spiel­fil­men und Seri­en mit. Was sind da die Reak­tio­nen auf eine Schau­spie­le­rin und Tänze­rin, die so selbst­be­wusst zu ihrem Glau­ben steht?

Wer im Show­busi­ness tätig ist, weiss, wie wich­tig das Vertrau­en ist. Man weiss oft nicht, wie es weiter­geht, was die Zukunft für einen bereit­hält. Ich persön­lich könn­te mir gar nicht vorstel­len, ohne meinen Glau­ben im Show­busi­ness zu bestehen. Du brauchst das Vertrau­en, dass alles gut kommt und dass sich immer wieder eine Tür öffnet. Du kannst oft nur abwar­ten, bis die Anfra­gen kommen. Wer seine Prin­zi­pi­en hat, der eckt manch­mal natür­lich auch an und hat es nicht immer leicht. Aber ich mache die Erfah­rung, dass die Akzep­tanz für gläu­bi­ge Menschen gewach­sen ist. Nur ein Beispiel: Mein Glau­ben schlägt sich auch nieder in der Art und Weise, wie ich mit ande­ren Menschen umge­he, das betrifft Liebes- und Sexsze­nen auf eine beson­de­re Weise. In den letz­ten Jahren hat das Bewusst­sein für mehr Sensi­bi­li­tät und einen acht­sa­me­ren, sorg­sa­me­ren Umgang mitein­an­der in diesem Bereich zuge­nom­men. Es wäre zu hoffen, dass im Show­busi­ness, aber auch in allen Berei­chen mehr der einzel­ne Mensch in den Fokus gerät.

Viele junge Menschen sehen das nicht so wie Sie: Sie werfen der Kirche vor, zu konser­va­tiv zu sein und nicht mit der Zeit zu gehen.

Der christ­li­che Glau­be  ist von vielen Tradi­tio­nen geprägt. Ich kann nach­voll­zie­hen, dass manche Gläu­bi­ge oder Verant­wort­li­che in der Kirche  Angst haben, dass diese Tradi­tio­nen verlo­ren gehen. Gleich­zei­tig braucht es die Weiter­ent­wick­lung. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass der Katho­li­sche Konfes­si­ons­teil mit seinem Video Mut bewies, neue Wege zu gehen. Dieses Projekt zeigt ja auch, dass die Kirche den Jungen etwas zutraut und sie ernst nimmt. Auch bei der Produk­ti­ons­fir­ma waren mehr­heit­lich junge Menschen dabei. Auf meine Ideen haben alle offen und inter­es­siert reagiert. Ich sehe das auch als ein Beispiel, dass es sich lohnt, Inno­va­ti­ves auszuprobieren.

Zum Video des Kath. Konfes­si­ons­teil des Kantons St.Gallen

Flori­an Silber­ei­sen, Kino, Model

Carme­la Bono­mi wirkt seit 2011 in unzäh­li­gen Shows, Filmen und Seri­en mit. Sie war Tänze­rin bei DJ Bobo und in den TV-Shows von Flori­an Silber­ei­sen, war mit mehre­ren Bühnen-Produktionen unter­wegs und jüngst in der ZDF-Serie «Der Palast» zu sehen. Für das katho­li­sche News­por­tal kath.ch mode­rier­te sie ein Video­for­mat für Jugend­li­che. Vor ihrer Karrie­re studier­te sie ein paar Semes­ter evangelisch-reformierte Theo­lo­gie. Carme­la Bono­mis Eltern sind beide katho­lisch aufge­wach­sen. Der Vater stammt aus Nord­ita­li­en, die Mutter aus Mada­gas­kar. Leider sei Mada­gas­kar so weit weg, dass sie ihre Verwand­ten viel zu selten sehe.

Inter­view: Stephan Sigg

Bilder: Kath. Konfessionsteil

Veröf­fent­li­chung: 23. Janu­ar 2025

«Traditionen stiften Identität»

Nicht nur der Advent und die Weih­nachts­zeit, sondern unser ganzes Leben ist von Tradi­tio­nen geprägt. Im Inter­view erklärt Manue­la Reiss­mann, Fach­ver­ant­wort­li­che der kanto­na­len Fach­stel­le Kultur­er­be St. Gallen, warum Tradi­tio­nen für unse­re Gesell­schaft wich­tig sind.

Wie entste­hen Traditionen?

Manue­la Reiss­mann: Wenn beispiels­wei­se bestimm­te Kennt­nis­se, Werte oder Über­zeu­gun­gen, Ereig­nis­se oder Tätig­kei­ten von mehre­ren Menschen regel­mäs­sig wieder­holt und weiter­ge­ge­ben werden, können sich daraus über den Zeit­raum von mehre­ren Gene­ra­tio­nen Tradi­tio­nen bilden. Die Grün­de für die Entste­hung von Tradi­tio­nen sind dabei sicher so viel­fäl­tig wie die Tradi­tio­nen selbst.

Was können solche Grün­de für neue ­Tradi­tio­nen sein?

Manue­la Reiss­mann: Die Alpwirt­schaft zum Beispiel brach­te verschie­de­ne Tradi­tio­nen hervor wie die Alpfahr­ten, Betru­fe und die Käse­pro­duk­ti­on. Das Wissen um land­wirt­schaft­li­che oder hand­werk­li­che Tech­ni­ken konn­te das Einkom­men sichern. Aus der Notwen­dig­keit von Hirten und Bauern, in den Bergen über weite Entfer­nun­gen zu kommu­ni­zie­ren, entstand das Alphorn­spie­len und vermut­lich auch der Jodel. Dann gibt es zahl­rei­che Bräu­che im Zusam­men­hang mit den Jahres­zei­ten, wie die Fasnachts­bräu­che zum Vertrei­ben des Winters. Und natür­lich spie­len auch die Reli­gio­nen eine wich­ti­ge Rolle bei der Entste­hung von Tradi­tio­nen, wie beispiels­wei­se das Chris­ten­tum beim Weih­nachts­fest, das heute in vielen Ländern gefei­ert wird.

Wann spricht man von einer Tradition?

Manue­la Reiss­mann: Hinter dem Begriff «Tradi­ti­on» verber­gen sich Bräu­che, Gepflo­gen­hei­ten, Fertig­kei­ten und Ausdrucks­for­men, die inner­halb einer Grup­pe oder Gemein­schaft gelebt, gepflegt und von einer Gene­ra­ti­on an die nächs­te weiter­ge­ge­ben werden. Tradi­tio­nen finden sich in verschie­de­nen Berei­chen und umfas­sen beispiels­wei­se Formen des Musi­zie­rens, Bräu­che und Kennt­nis­se in land­wirt­schaft­li­chen Berei­chen, Tradi­tio­nen im Zusam­men­hang mit den Jahres­zei­ten und hand­werk­li­che Fertig­kei­ten. Sie können unter ande­rem in Fami­li­en, durch Träger­schaf­ten wie Verei­ne, Berufs­grup­pen, reli­giö­se Gemein­schaf­ten sowie durch Gemein­den oder Regio­nen ausge­übt und weiter­ent­wi­ckelt werden.

Wie wich­tig sind Tradi­tio­nen für uns?

Manue­la Reiss­mann: Welche Bedeu­tung Tradi­tio­nen beigemes­sen wird, ist sehr unter­schied­lich. Für manche mag es eher nach etwas Verstaub­tem und Über­flüs­si­gem klin­gen, ande­re setzen sich inten­siv für ihre Bewah­rung und Über­lie­fe­rung ein. Bei den meis­ten Menschen dürf­te die Verbun­den­heit mit Tradi­tio­nen wohl irgend­wo dazwi­schen liegen. Grund­sätz­lich kann man aber sagen, dass Tradi­tio­nen Iden­ti­tät stif­ten und die Zusam­men­ge­hö­rig­keit in einer Gemein­schaft stär­ken sowie Orien­tie­rung und Stabi­li­tät vermit­teln können. Durch sie erhal­ten wir Infor­ma­tio­nen zu unse­rer Herkunft und Geschich­te und können somit aus der Vergan­gen­heit lernen und einen Nutzen für die Gestal­tung unse­rer Gegen­wart und viel­leicht auch Zukunft gewinnen.

Wie stark hängen Tradi­tio­nen und Erwar­tungs­hal­tun­gen zusammen?

Manue­la Reiss­mann: Tradi­tio­nen und Erwar­tungs­hal­tun­gen können auf verschie­de­ne Weise zusam­men­hän­gen. Dazu gehö­ren sicher die Erwar­tun­gen an Perso­nen einer Gemein­schaft, dass tradier­te Regeln, Gepflo­gen­hei­ten oder Prak­ti­ken beibe­hal­ten und fort­ge­führt werden. So haben viele Menschen bestimm­te Ritua­le, Abläu­fe und Spei­sen für das Weih­nachts­fest, vieles davon wurde über Gene­ra­tio­nen weiter­ge­ge­ben. Auch daran sind Erwar­tun­gen geknüpft, zum Beispiel Besinn­lich­keit und Gebor­gen­heit im Krei­se der Liebs­ten zu erfah­ren und zu bewah­ren. Es lässt sich wohl sagen, dass Erwar­tungs­hal­tun­gen dazu beitra­gen können, dass Tradi­tio­nen erhal­ten blei­ben oder aber auch dazu, dass sie abge­lehnt werden, zum Beispiel dann, wenn sie persön­li­chen Werten zu stark entgegenstehen.

Wann verän­dern sich Traditionen?

Manue­la Reiss­mann: Tradi­tio­nen müssen sich manch­mal ändern, um weiter fort­be­stehen zu können. Manch­mal endet eine Tradi­ti­on auch. Ob und wie sich Tradi­tio­nen ändern, hängt von verschie­de­nen Einfluss­fak­to­ren ab. Dies können beispiels­wei­se die bereits erwähn­ten Erwar­tungs­hal­tun­gen, neue tech­no­lo­gi­sche Errun­gen­schaf­ten oder kultu­rel­ler Wandel, verän­der­te Werte, Bedürf­nis­se und Lebens­wei­sen sein, die auf eine Tradi­ti­on wirken. Eben­so kann die kommer­zi­el­le oder touris­ti­sche Verwer­tung einer Tradi­ti­on diese verän­dern oder aber auch vermeint­lich authen­tisch erhal­ten. Das Inter­es­se der jeweils jünge­ren Gene­ra­ti­on an einer Tradi­ti­on sowie die Art, wie diese das Über­lie­fer­te für sich inter­pre­tiert, lebt und weiter­ent­wi­ckelt, ist eben­falls von gros­ser Bedeutung.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 23. Novem­ber 2023

Einem Käfer ebenbürtig

Mina Inauen-Neff von Appen­zell (73) singt den Betruf seit sie als zwölf­jäh­ri­ges Mädchen bei ihrem Vater auf der Alp gear­bei­tet hat. «Es hat sich so erge­ben», sagt die Älple­rin, die 2012 im Kino­film «Alpse­gen» porträ­tiert wurde. 

Seit zwan­zig Jahren verbringt Mina Inauen-Neff die Sommer­mo­na­te zusam­men mit ihrem Mann sowie rund 40 Tieren auf der Alp Streck­wees (1257 m. ü. M) im Alpstein, wo sie jeden Abend den tradi­tio­nel­len Betruf durch den Trich­ter singt. Als Mesme­rin ist sie zudem für die Berg­got­tes­diens­te in der nahge­le­ge­nen Kapel­le «Maria Heim­su­chung» zustän­dig. Die pensio­nier­te Handarbeits- und Haus­wirt­schafts­leh­re­rin ruft den Alpse­gen aus tiefer, inne­rer Über­zeu­gung: «Der Betruf gibt mir Kraft und ich kann damit meine Dank­bar­keit ausdrü­cken. Wir sind in der Natur in Gottes Hand gebor­gen, aber wir sind nicht mehr als ein Teil davon.» Wer den Natur­ge­wal­ten in der Berg­welt ausge­setzt ist, erlebt die eige­ne Exis­tenz ganz bewusst als Teil des Ganzen. «Du bist nicht mehr als so ein Käfer – du bist ande­ren Lebe­we­sen eben­bür­tig und du sollst dich nicht als Beherr­scher der Natur aufspie­len», sagt sie. 

Volks­tüm­li­cher Charakter

Den Betruf bezeich­net Inau­en als «singen­des Gebet», von dem man sagt, es sei doppelt so viel wert. Man bittet die Heili­gen und Schutzpatrone, sie mögen Mensch, Tier und Alp von Unge­mach fern­hal­ten. Am besten gefällt ihr die Text­stel­le «Bhüets Gott allsa­me, seis Fründ oder Feind ond di lieb Mutter Gottes mit erem Chend», weil mit «allsa­me», alle gemeint sind und somit alle Menschen ins Gebet aufge­nom­men werden. «Wir bitten Gott, dass er uns alle beschützt und behü­tet», so Inau­en. Der Wort­laut des Betrufs vari­iert von Regi­on zu Regi­on. Der Text des Inner­rho­der Betrufs in der Fassung von 1948 stammt von Pater Erich Eber­le und basiert auf der Melo­die von Pater Ekke­hard Högger, «wobei es bei der Tonla­ge schon klei­ne­re Abwei­chun­gen gibt, je nach­dem wer den Betruf ausruft», ergänzt Inau­en. Der halb gespro­che­ne, halb gesun­ge­ne Alpse­gen erhält zusam­men mit dem mund­art­lich gefärb­ten Hoch­deutsch seinen unver­kenn­ba­ren, volks­tüm­li­chen Charakter. 

Keine Sonder­rol­le als Frau

Übli­cher­wei­se ruft der Senn den Betruf aus. Dass sie die einzi­ge Frau sein soll, die den Alpse­gen pflegt, hat für sie wenig Bedeu­tung. Ihrer Meinung nach können Frau­en und Männer gleich wohl beten. Es habe sich damals einfach so erge­ben. Sie erin­nert sich: «Als ich damals als zwölf­jäh­ri­ges Mädchen als ‹Hand­bueb› bei meinem Vater auf der Alp gear­bei­tet habe, hat mich der Milch­kon­trol­leur eines Tages auf den Trich­ter ange­spro­chen. Es herrsch­te schlech­tes Wetter und er hatte gera­de Zeit, mir den Betruf beizu­brin­gen.» Seit­her holt sie den Holz­trich­ter jeden Abend zwischen 19 und 20 Uhr hervor und steht auf den Stein neben der Alphüt­te. «Ich mache es immer zu dieser Zeit – und ich mache es auch nicht den Touris­ten zulie­be früher oder später», sagt die Älplerin. 

Tradi­ti­on soll weitergehen

Sie wird heute noch oft auf ihre Rolle im Kino­film «Alpse­gen» von Bruno Moll ange­spro­chen, der 2012 ausge­strahlt wurde. Es sei eine schö­ne Erfah­rung gewe­sen, aber auch streng, weil sie vor laufen­der Kame­ra spon­tan auf tief­grün­di­ge Fragen antwor­ten muss­te. «Ich habe sehr viele, posi­ti­ve Rück­mel­dun­gen erhal­ten und ich habe gemerkt, dass viele Leute nur wenig Ahnung vom Alple­ben haben.» Laut Inau­en zeigt der Film neben den schö­nen Seiten auch die anstren­gen­de Arbeit und die unmit­tel­ba­ren Gefah­ren in der Berg­welt. Wie es mit der Fami­li­en­tra­di­ti­on einmal weiter­ge­hen soll, weiss sie noch nicht. Wich­tig sei ihr, dass der Alpse­gen nicht zur Touris­ten­ak­ti­on verkom­me. «Ich bin zuver­sicht­lich, dass diese schö­ne Tradi­ti­on auf der Alp Streck­wees weiter­ge­pflegt wird».

Text: Katja Hongler

Bild: Annet­te Boutellier

Veröf­fent­licht: 05. Juni 2023

Weder Gold noch Protz

Im Dach­saal der Props­tei St. Peter­zell insze­niert der Künst­ler Det Blum­berg Fund­stü­cke aus Kirchen neu – und fordert zum kriti­schen Nach­den­ken auf.

«Wenn alte Zeiger stehen blei­ben, muss etwas Neues kommen», sagt Det Blum­berg, als er in den Dach­saal der Props­tei St. Peter­zell führt. Den bespielt der Künst­ler anläss­lich des 300-Jahr-Jubiläums der Kirche Peter und Paul vom 17. Mai bis 17. Dezem­ber. Wer den Saal betritt, findet sich zunächst vor den zwei grossen, alten Uhrzei­gern des Kirch­turms und ist mitten­drin im Thema der Ausstel­lung «Licht­blick Dorf 9» von Det Blum­berg. Mit dieser möch­te der 69-jährige Künst­ler mit Allgäu­er Wurzeln zum kriti­schen Nach­den­ken auffor­dern: Wie soll Kirche sein, wenn sie auch in Zukunft bestehen möchte?

Vom Poli­zis­ten zum Künstler

Bevor es weiter durch die Ausstel­lung geht, öffnet Det Blum­berg aber die Türe zu einer Kammer gleich neben dem Dach­saal. In der Kammer reihen sich unzäh­li­ge Fund­stü­cke aus der Props­tei, wie alte Statu­en von Heili­gen, Kerzen­stän­der, Kisten gefüllt mit Kreu­zen und eini­ge stau­bi­ge Schrän­ke. Zwischen all diesen Schät­zen erzählt Det Blum­berg, wie er Mona­te damit verbracht hatte, die Fund­stü­cke zu sich­ten, inter­es­san­te Gegen­stän­de heraus­zu­su­chen und die Themen für die Ausstel­lung zu gestal­ten. Und er erzählt, wie er vor drei Jahr­zehn­ten seinen Beruf als Einsatz­lei­ter bei der Poli­zei aufgab, beschloss Kunst zu machen und während einer Reise in Mexi­ko über­ra­schend Gott wieder fand. «Als Einsatz­lei­ter stumpf­te ich ab, wurde zu herrisch und konn­te keine Kritik mehr dulden», sagt er. Auch aus der Kirche war Det Blum­berg zu dieser Zeit ausge­tre­ten. Zu vieles hatte ihn irri­tiert – so auch während einer Reise durch Mexi­ko. «Über­all gab es diese gros­sen, präch­ti­gen Kathe­dra­len. Während einer Führung frag­te ich mich, wo ich zwischen all dem Gold denn Gott finden soll und woll­te zornig die Kathe­dra­le verlas­sen», sagt er. «Dann stand ich dann plötz­lich vor einer klei­nen, mit buntem Papier, Glas und Saat­gut ausge­schmück­ten Seiten­ka­pel­le. Es war, als ob mir Gott auf die Schul­tern gestupst und gesagt hätte: Da findest du mich.»

Ein leerer Tabernakel

Heute ist Det Blum­berg wieder Kirchen­mit­glied. Auch Glau­be und Kunst haben sich für ihn nach und nach zusam­men­ge­fügt. In den vergan­ge­nen Jahren hat er zahl­rei­che Ausstel­lun­gen in Kirchen und Klös­tern der Regi­on reali­siert. Altes zeigen vor moder­nem Kontext, ist eines der Themen, das sich durch seine Arbei­ten zieht. So geht es auch in der Ausstel­lung in der Props­tei von den Zeigern des Kirch­turms weiter zu einer Art Altar­raum. Dort stehen Kirchen­bän­ke mit origi­na­len, guss­ei­ser­nen Seiten­leh­nen. Statt eines Altars findet sich aber ein Flach­bild­fern­se­her, in dem medi­ta­ti­ve Film­aus­schnit­te zu sehen sind. In einer weite­ren Ecke steht ein leerer und stau­bi­ger Taber­na­kel, in dem eigent­lich die Hosti­en aufbe­wahrt werden. «Wo wohnt Gott?» – darüber sollen die Besu­che­rin­nen und Besu­cher hier nach­den­ken. Letz­te Stati­on ist ein langer Tisch mit zwölf grau­en Stüh­len und einem gelben Stuhl. Die Szene erin­nert an das letz­te Abend­mahl. An den Wänden hängen Fotos von Det Blum­bergs Part­ne­rin Clau­dia Gruber – die beiden wohnen zusam­men gleich gegen­über der Props­tei. Die Fotos wurden alle im Umkreis von 500 Metern um die Props­tei aufge­nom­men und halten in Farb- und Form­fül­le die Schön­heit der Schöp­fung fest. Det Blum­berg sagt: «Die Fotos brin­gen Gott in den Raum. Das ist auch die Idee von diesem Tisch. Er lädt verschie­de­ne Grup­pen ein, sich hinzu­setz­ten, zu disku­tie­ren und sich über aktu­el­le Themen auszutauschen.»

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 8. Mai 2023

Aus altem Wissen schöpfen

Wieso uns die ganz­heit­li­che Medi­zin des Mittel­al­ters bis heute faszi­niert und was wir aus ­Legen­den der dama­li­gen Zeit erfah­ren, sagt Stifts­bi­blio­the­kar Cornel Dora im Interview.

Klos­ter­me­di­zin und Natur­heilkunde sind im Trend. Wie hängen aber Chris­ten­tum und Medi­zin zusammen?

Cornel Dora: Wurde früher jemand krank, war es lange Zeit Aufga­be der Fami­lie, diese Person zu pfle­gen. Erste Vorläu­fer von Spitä­lern gab es bei den Römern, wobei es dort vor allem um die Versor­gung der Wunden der Solda­ten ging. Als das Chris­ten­tum aufkam, änder­te sich das. Die Erzäh­lung vom Barm­her­zi­gen Sama­ri­ter im Neuen Testa­ment beispiels­wei­se ruft zur Nächs­ten­lie­be auf und erin­nert daran, dass alle für ihre Mitmen­schen verant­wort­lich sind. Es ist also Teil des christ­li­chen Funda­men­tes, für Kran­ke und Arme da zu sein.

Cornel Dora

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Welche Rolle spiel­te das ­Klos­ter St. Gallen?

Cornel Dora: Das Klos­ter St. Gallen hatte ein gros­ses Einfluss­ge­biet sowie den medi­zi­ni­schen Auftrag, für die Armen zu sorgen. Dabei müssen wir wissen, dass wer damals krank war mit gros­ser Wahr­schein­lich­keit früher oder später auch arm wurde. Auf dem St. Galler Klos­ter­plan von 825 waren eine Armen­her­ber­ge, zwei Häuser für Ader­lass und Baden, ein Ärzte­haus für Opera­tio­nen sowie ein Heil­kräu­ter­gar­ten vorge­se­hen. Die Menschen im Umfeld des Klos­ters fanden hier auch Fach­per­so­nal. Im 10. Jahr­hun­dert war Notker, der Arzt aus St. Gallen, weit herum bekannt – er wirk­te auch am Hof Ottos des Gros­sen. Zu Notker dem Arzt gibt es dazu zahl­rei­che Über­lie­fe­run­gen in der Stifts­bi­blio­thek wie etwa jene des Herzogs von Bayern, der Notker testen woll­te und ihm den Urin seiner gesun­den Zofe statt seines eige­nen gab. Nach der Unter­su­chung verkün­de­te Notker, es sei ein Wunder gesche­hen, der Herzog erwar­te ein Kind.

Das klingt eher nach einer Legende.

Cornel Dora: Ja, das mag sein. Aber, ob Legen­de oder nicht, bele­gen solche Über­lie­fe­run­gen, dass damals schon bekannt war, dass man im Urin eine Schwan­ger­schaft able­sen konnte.

Welche weite­ren medi­zi­ni­schen Hand­schrif­ten sind in der Stifts­bi­blio­thek erhalten?

Cornel Dora: Wir haben Über­lie­fe­run­gen von anti­ken und früh­mit­tel­al­ter­li­chen Rezept- und Arznei­bü­chern. Dazu gehört etwa das Liber Medi­cina­lis, ein medi­zi­ni­sches Hand­buch des römi­schen Gelehr­ten Quin­tus Sere­nus Sammo­ni­cus. Die Werke aus dieser Zeit zeigen auf, wie die Medi­zin bis ins Früh­mit­tel­al­ter mit Magie durch­drun­gen war. Gemäss dem Liber Medi­cina­lis galt etwa das Wort Abra­ka­da­bra als Mittel gegen Mala­ria. Man schrieb das Wort auf eine Karte und wieder­hol­te es immer wieder, wobei man jedes Mal einen weite­ren Buch­sta­ben wegliess. So wie das Wort soll­te auch die Krank­heit verschwinden.

Im Juni wird in der Stifts­bi­blio­thek die Verei­ni­gung für euro­päi­sche tradi­tio­nel­le Medi­zin (TEM) gegrün­det. Wieso faszi­niert uns tradi­tio­nel­le Medi­zin wie Klos­ter­me­di­zin bis heute?

Cornel Dora: Die heuti­ge moder­ne Medi­zin ist wirkungs­ori­en­tiert. Es gibt einen Wirk­stoff, der die jewei­li­ge Krank­heit ganz gezielt bekämpft, möglichst ohne Neben­wir­kun­gen. Viele Krank­hei­ten sind aber komple­xer und kompli­zier­ter. Im Mittel­al­ter war die Medi­zin zwar weni­ger wirkungs­voll, sie schau­te aber gemäss der damals verbrei­te­ten 4‑Säfte-Lehre immer ganz­heit­lich auf den Menschen. Die Theo­rie ging davon aus, dass die Gesund­heit des Menschen davon abhing, ob die vier Säfte Blut, Schleim (Phleg­ma), gelbe Galle (Chole­ra) und schwar­ze Galle (Melan­cho­lie) im Gleich­ge­wicht waren. Basie­rend darauf beka­men die Erkrank­ten dann keinen einzel­nen Wirk­stoff, sondern einen Medi­ka­men­ten­cock­tail, welcher der oder dem Kran­ken insge­samt helfen sollte.

Sie sagen also, dass der ganz­heit­li­che Ansatz heute zu kurz kommt?

Cornel Dora: Ich denke, dass der ganz­heit­li­che Ansatz für viele Menschen heute zu kurz kommt und die tradi­tio­nel­le Medi­zin dies­be­züg­lich posi­tiv etwas beitra­gen kann. Es geht nicht darum, eine Ideo­lo­gie zu pfle­gen, sondern das Poten­zi­al dieses alten Wissens ergän­zend zur sehr leis­tungs­fä­hi­gen moder­nen Medi­zin zu nutzen. Dank unse­rer histo­ri­schen Samm­lung passen die Stifts­bi­blio­thek und die Euro­päi­sche Verei­ni­gung für TEM gut zusammen.

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Cornel Dora: Foto Marlies Thurn­heer, ­Leader; Putte: Urs Baumann, Stifts­bi­blio­thek St. Gallen

Veröf­fent­li­chung: 22. Mai 2023

«Wir hatten schlaflose Nächte»

1993 firm­te Bischof Otmar Mäder in der Pfar­rei Speicher-Trogen-Wald zum ersten Mal Jugend­li­che im Alter von 18 Jahren – eine abso­lu­te Premie­re im Bistum St. Gallen. «Für uns ging es von Anfang an darum, Jugend­li­che ernst zu nehmen», so Pfar­rer Josef Manser.

Droh­brie­fe, Beschimp­fun­gen und emotio­na­le Voten bei den Pfar­rei­ver­samm­lun­gen – Pfar­rer Josef Manser erin­nert sich noch gut an die Reak­tio­nen, als das Seel­sor­ge­team die Pfar­rei mit ihrer inno­va­ti­ven Idee konfron­tier­te: «Uns war es wich­tig, dass das Expe­ri­ment Firmung ab 18 von der ganzen Pfar­rei mitge­tra­gen wird. Als Matthi­as Angehrn und ich unse­re Idee bei der ersten Pfar­rei­ver­samm­lung vorge­stellt haben, gingen die Emotio­nen hoch. Manche Eltern fürch­te­ten, dass sich mit dem neuen Modell niemand mehr firmen lässt.» Doch bald stell­te sich heraus, dass es auch viele Befür­wor­ter gab. Grünes Licht gab es auch vom Bistum: «Bevor wir die Idee der Pfar­rei vorstell­ten, holten wir das Einver­ständ­nis des dama­li­gen Bischofs Otmar Mäder ab», so Josef Manser, «ich erleb­te bei ihm eine gros­se Offen­heit für unser Expe­ri­ment. Er liess uns machen.»

Pfar­rer Josef Manser wagte 1993 zum ersten Mal das Expe­ri­ment Firmung ab 18.

Sich den Lebens­fra­gen stellen

Als junger Kaplan hatte Josef Manser in Flawil Firmun­gen von Primar- und Ober­stu­fen­schü­le­rin­nen und ‑schü­lern erlebt. «Das waren immer schö­ne Gottes­diens­te und die Verant­wort­li­chen waren sehr krea­tiv», erin­nert er sich, «aber die Kinder und Jugend­li­chen waren noch zu wenig reif, um sich ernst­haft mit diesem Sakra­ment ausein­an­der­zu­set­zen und selbst­stän­dig dafür zu entschei­den. Man macht es, weil es alle machen oder weil die Eltern es einem raten.» Und: Viel zu oft seien die Firm­ge­schen­ke im Fokus gestan­den. «In mir wuchs das Bewusst­sein, dass Kirche in der Hinfüh­rung zum Glau­ben neue Wege suchen muss.» Im Alter von sieb­zehn und acht­zehn Jahren stän­den Jugend­li­che an einem ande­ren Punkt: «Sie sind in der Lehre oder an einer weiter­füh­ren­den Schu­le und werden dort mit ganz ande­ren Erfah­run­gen konfron­tiert. Sie müssen sich den gros­sen Lebens­fra­gen stel­len. Gera­de in dieser Lebens­pha­se ist es wich­tig, jungen Menschen zu vermit­teln: Du bist ein gött­li­cher Mensch. Du darfst Du mit deinen Erfah­run­gen sein. Du darfst zu dir finden.»

Beson­de­res Wir-Gefühl

Die Verant­wort­li­chen mach­ten sich daran, den ersten Firm­weg zu konzi­pie­ren. «Wir hatten durch­aus auch Zwei­fel, ob wir auf dem rich­ti­gen Weg sind. Wir hatten schlaf­lo­se Näch­te», hält Josef Manser fest. Doch der Mut zahl­te sich aus: Für den ersten Firm­weg melde­ten sich etwa acht­zig Prozent der ange­schrie­be­nen Jugend­li­chen an. «Die Jugend­li­chen der ersten Jahr­gän­ge wuss­ten, dass sie Teil von etwas Neuem sind. Das sorg­te für ein beson­de­res Wir-Gefühl.» Er habe schnell gelernt, dass man die jungen Menschen nicht unter­schät­zen soll­te: «Es haben sich manche für den Firm­weg ange­mel­det, mit denen ich nie gerech­net hätte.»

Selbst­stän­di­ges Ja

Ein entschei­den­der Moment sei das Gespräch der Jugend­li­chen mit dem Bischof, dem Firm­spen­der, gewe­sen: «Bisher hatte Bischof Otmar bei diesen Gesprä­chen immer Kinder vor sich, jetzt waren es junge Erwach­se­ne. Er wurde mit ande­ren und zum Teil kriti­schen Fragen konfron­tiert. Seine erste Reak­ti­on nach dem Gespräch zu mir: Die sind noch nicht für die Firmung bereit. Doch dann wuchs doch das Bewusst­sein, dass er es mit jungen Menschen zu tun hat, die sich diffe­ren­ziert mit dem Glau­ben ausein­an­der­set­zen und selbst­stän­dig Ja zur Firmung sagen.»

Für Pfar­rer Josef Manser geht es darum, Jugend­li­che ernst zu nehmen.

Offen­heit der Jugendlichen

Für Josef Manser gehe es darum, Jugend­li­che ernst zu nehmen. Ein Firm­weg sei ein Dienst an den Jugend­li­chen: «Und zwar völlig absichts­los.» Eines hat ihn schon beim ersten Firm­weg beein­druckt: «Die Offen­heit der Jugend­li­chen. Es war ihnen ein Bedürf­nis, über den Glau­ben und ihre persön­li­chen Fragen zu spre­chen. Für diese ist ja sonst nirgends Platz.» Der Firm­weg müsse jungen Menschen Räume eröff­nen. «Der Firm­weg ist so etwas wie ein Gefäss. Wie span­nend die Programm­in­hal­te sind und ob irgend­wel­che beson­de­ren Refe­ren­ten einge­la­den werden, ist meist zweit­ran­gig», weiss er, «in den Feed­backs kam immer klar zum Ausdruck, dass die Jugend­li­chen es geschätzt haben, über ihre Fragen zu spre­chen.» Und bei manchen prägen laut Josef Manser diese Erfah­run­gen lang­fris­tig das Bild von Kirche und Glau­ben. Bis heute habe er Kontakt zum einen oder andern Jugend­li­chen, der vor dreis­sig Jahren beim Firm­weg mitmachte.

Ein Erfolgs­mo­dell

Nach Speicher-Trogen-Wald star­te­ten bald auch die Pfar­rei­en Uzwil, Flawil, Heris­au, Rorschach-Rorschacherberg mit dem Expe­ri­ment Firmung ab 18. Und bald kamen weite­re Pfar­rei­en dazu. Bischof Ivo Fürer, ab 1994 Nach­fol­ger von Bischof Otmar Mäder, entschied im April 2003, «Firmung ab 18» für das ganze Bistum einzu­füh­ren. «Er war persön­lich vom Modell Firmung ab 18 über­zeugt, aber die Grund­la­ge dafür war, dass dieser Entscheid vom Seelsorge- und vom Pries­ter­rat mitge­tra­gen wird.» Firmung ab 18 ist ein Erfolgs­mo­dell – nicht nur im Bistum St. Gallen: Inzwi­schen haben auch eini­ge ande­re deutsch­spra­chi­ge Bistü­mer das Firmal­ter heraufgesetzt.

Text: Stephan Sigg 

Bild: Regi­na Kühne

Veröf­fent­licht: 24.04.2023

Firmgeschenke?

Zusam­men Zeit verbrin­gen, ein Glücks­brin­ger oder ein finan­zi­el­ler Zustupf: ​Was schenkt man jungen Menschen zur Firmung? Barba­ra Gahler, Firm­ver­ant­wort­li­che in Teufen, Bühler, Gais und Mörschwil, gibt Tipps, was zu diesem Schritt ins Erwach­se­nen­le­ben passt. 

Gemein­sa­mes Essen

Barba­ra Gahler hat bei ihren Firm­grup­pen nach­ge­fragt: «Die Firman­din­nen und Firman­den erwar­ten grund­sätz­lich keine Geschen­ke, jeden­falls nicht im gros­sen Stil. Eini­ge von ihnen hätten bei älte­ren Geschwis­tern oder Freun­den miter­lebt, dass diese zur Firmung etwa ein Buch oder einen klei­nen Geld­be­trag erhal­ten haben. Für die meis­ten ist das gemein­sa­me Essen und Feiern das Wich­tigs­te an diesem Tag.» Sie habe auch erfah­ren, dass sich die Jugend­li­chen im Anschluss an die Fami­li­en­fei­er eine Party mit Freun­den wünschen. Die Eltern würden dann anstel­le eines Geschen­kes die Kosten für die Party über­neh­men. Im Vorder­grund stehen offen­bar die Erleb­nis­se und der emotio­na­le Wert, nicht mate­ri­el­le  Geschen­ke, die man im Laden um die Ecke kaufen oder online bestel­len kann. Gahler weiss auch, dass die Bezie­hung zu den Firm­pa­tin­nen und ‑paten eine gros­se Rolle spielt. Oft sind es Eltern, Geschwis­ter, der Part­ner oder jemand aus dem Freun­des­kreis. Die Jugend­li­chen suchen sich bewusst nahe­ste­hen­de Menschen aus, auf die sie sich in jeder Hinsicht verlas­sen können. «Sie sehen die Bezie­hung als wert­volls­tes Geschenk an.» 

Schmuck

Ein Schmuck-Geschenk muss nicht immer aus teuren Diaman­ten bestehen. Ausge­wähl­te Glücks­brin­ger als Anhän­ger, Ketten und Armbän­der können einen persön­li­chen Wunsch für Glück, Schutz, inne­re Kraft und Mut über­brin­gen. «Die klas­si­schen Geschen­ke wie eine elegan­te Armband­uhr oder ein Schmuck­stück mit reli­giö­sem Motiv sind häufig nicht mehr gewünscht. Mode­schmuck ist hinge­gen beliebt», sagt Gahler. 

Finan­zi­el­ler Zustupf

Junge Leute haben gros­se Pläne. Besten­falls kann man sie dabei tatkräf­tig und mental unter­stüt­zen. Manch­mal ist auch eine finan­zi­el­le Betei­li­gung ein will­kom­me­nes Geschenk. Ein Grosi hat Gahler einmal erzählt, dass sie ihrem Gross­kind zur Firmung einen Betrag für die Auto­prü­fung geschenkt habe. «Das fand ich sehr passend», sagt sie.

Möbel­stück

Von einer Fami­lie hat Gahler erfah­ren, dass die gela­de­nen Gäste sich für ein gemein­sa­mes Geschenk entschie­den haben. Sie haben die Firman­din mit einem Möbel über­rascht. Ein Bett, ein Nacht­tisch, ein Schrank oder ein Side­board: Ein Möbel ist auf alle Fälle ein nach­hal­ti­ges Geschenk, das lang­fris­tig an die Firmung und Firm­gäs­te erin­nert. Allen­falls kann es auch ein mass­ge­fer­tig­tes Möbel­teil vom Schrei­ner sein.

Gemein­sa­me Zeit

Ein Gutschein für eine gemein­sa­me Akti­vi­tät hat eine beson­ders persön­li­che Note. Der Schen­ken­de über­legt sich nämlich, «über was würde er oder sie sich freu­en?» Je nach Vorlie­be kann dies ein gemein­sa­mes Essen, eine Berg­tour, eine Städ­te­rei­se, ein Frei­zeit­kurs, ein Musical- oder Konzert­be­such, eine Shop­ping­tour oder ein Well­ness­tag sein. 

Symbo­li­sches Geschenk

Symbo­li­sche Geschen­ke stehen als Zeichen der Zunei­gung und Verbun­den­heit. Ein solches Geschenk kommt von Herzen und hat einen hohen, emotio­na­len Wert. Dies kann ein Talis­man oder eine Pflan­ze sein oder etwas Selbst­ge­fer­tig­tes, wie beispiels­wei­se ein Traum­fän­ger, ein Gemäl­de oder ein Gedicht.

Text: Katja Hongler

Bild: Pixabay.com

Veröf­fent­licht: 20.04.023

Bei Konflikten beraten

15 bis 20 Fälle bear­bei­tet die Ombuds­stel­le des Bistums St. Gallen im Jahr. ­«Ursa­chen für ­Konflik­te sind oft unge­klär­te Rollen oder Ziel­vor­ga­ben», sagt Ombuds­per­son Kath­rin Hilber. Das Ange­bot steht kirch­li­chen Mitar­bei­ten­den und frei­wil­lig Enga­gier­ten zur Verfügung.

«Viele, die mit uns Kontakt aufneh­men, melden sich rela­tiv spät», sagt Kath­rin Hilber, «die Konflikt­dy­na­mik ist schon weit voran­ge­schrit­ten und die Not deshalb gross. Wenn möglich, versu­chen wir, in solchen Fällen auch den Erst­kon­takt inner­halb 24 Stun­den zu reali­sie­ren.» Für die Betrof­fe­nen sei es zunächst mal wich­tig, dass ihnen jemand zuhört. «Als Ombuds­per­son können wir keine Wunder voll­brin­gen. Wir unter­stüt­zen als Coach. Unse­re Rolle besteht darin, zu bera­ten und Mut zu machen. Wir möch­ten die Ratsu­chen­den befä­hi­gen, wenn immer möglich ihren Konflikt selber zu lösen. Vorge­setz­te haben meist keine Freu­de dran, wenn Ombuds­per­so­nen auftre­ten.» So probie­ren sie zum Beispiel verschie­de­ne Verhal­tens­mög­lich­kei­ten aus und bespre­chen, welche unter­schied­li­che Dyna­mi­ken damit ausge­löst werden.

Tino Bente­le, Kath­rin Hilber und Alex­an­dra Gloor (v. links) haben ein offe­nes Ohr für kirch­li­che Mitar­bei­ten­de und Freiwillige.

Unge­klär­te Fragen

«Bis jetzt haben sich prak­tisch alle Berufs­gruppen, die im kirch­li­chen Umfeld tätig sind, gemel­det: Pries­ter, Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sorger, Mess­me­rin­nen und Mesmer, Reini­gungs­kräf­te …», so Kath­rin Hilber. Die Ombuds­stel­le steht auch für frei­wil­lig Enga­gier­te offen. «Von diesen hat sich bis jetzt kaum jemand gemel­det», sagt Kath­rin Hilber, «denn frei­wil­lig Enga­gier­te legen meist ihr Ehren­amt nieder, wenn sie unter einem Konflikt leiden.» Etwas beob­ach­tet Kath­rin Hilber bei ihren Ratsu­chen­den immer wieder: «Die Menschen, die zu mir kommen, bren­nen für die Kirche. Trotz der Konflik­te stel­len sie ihre Beru­fung nicht infra­ge.» Oft komme es zu Konflik­ten, weil eini­ges zu wenig genau geklärt ist: Wer hat welche Kompe­ten­zen? Was steht genau im Stel­len­be­schrieb? «Immer wieder geht es auch um die Erfah­rung, nicht gehört zu werden, oder es fehlt an echter Wert­schät­zung.» Manch­mal umfasst ein Fall einfach nur ein Bera­tungs­ge­spräch am Tele­fon, manch­mal trifft man sich zu mehre­ren Termi­nen. Was auf der Ombudsstelle bespro­chen wird, ist vertrau­lich. «Jeder Schritt passiert nur mit dem Einver­ständ­nis des Klien­ten. Wir bera­ten unab­hän­gig und neutral. Die Ombuds­stelle ist nieman­dem gegen­über zu einer Auskunft verpflich­tet und entschei­det selbst, ob und in welcher Form sie tätig sein will.» Wird es gewünscht, leitet die Ombuds­per­son ein Gespräch mit allen Betrof­fe­nen ein. Durch ihre Arbeit als Ombuds­frau sei ihr bewusst gewor­den, was für ein beson­de­res System das duale Kirchen­mo­dell sei: «Dass das Mitein­an­der von kirch­li­chen und staats­kir­chen­recht­li­chen Gremi­en funk­tio­niert, hängt von den konkre­ten Perso­nen ab.» Kirch­li­che Mitar­bei­ten­de haben meist zwei Vorge­setz­te – den Bischof und die Kirchenverwaltung.

Inno­va­ti­ver Schritt

2017 haben das Bistum St. Gallen und der Katho­li­sche Konfes­si­ons­teil die Ombuds­stel­le einge­rich­tet. «Das war im kirch­li­chen Bereich ein inno­va­ti­ver Schritt», sagt Kath­rin Hilber. Die ehema­li­ge St. Galler Regie­rungs­rä­tin ist seit Anfang an dabei. Sie wird unter­stützt von Tino Bente­le, Wittenbach, und Alex­an­dra Gloor, Buchs. «Die Betrof­fe­nen sollen auswäh­len können und zudem sind mit der Juris­tin Alex­an­dra Gloor noch weite­re Kompe­ten­zen vertre­ten. Oft sind bei unse­ren Fällen schnell juris­ti­sche Fragen im Spiel.» Fünf­zehn bis zwan­zig Fälle bear­bei­tet die Ombuds­stel­le im Jahr. Laut Kath­rin Hilber, die auch Erfah­rung als Ombuds­frau von ande­ren Insti­tu­tio­nen mitbringt, ist das über­ra­schend wenig. «Woran das liegt, lässt sich schwer sagen. Ich vermu­te, dass die Hemm­schwel­le, sich zu melden, bei vielen noch gross ist.» Sie ermu­tigt alle, die Ombuds­stel­le auch präven­tiv in Anspruch zu nehmen. «Oft lassen sich Konflik­te für alle Betei­lig­ten viel einfa­cher lösen, wenn man sich profes­sio­nell bera­ten und beglei­ten lässt, bevor sich eine nega­ti­ve Dyna­mik in Gang gesetzt hat.»

Anlie­gen werden gehört

Alle zwei Jahre tref­fen sich die Ombuds­per­so­nen mit ihren Auftrag­ge­bern, dem Bistum und dem Katho­li­schen Konfes­si­ons­teil. «Beob­ach­ten wir, dass gewis­se Themen immer wieder vorkom­men, dann machen wir unse­re Auftrag­ge­ber darauf aufmerk­sam, wo Hand­lungs­be­darf besteht.» Das können zum Beispiel das Ange­bot von Weiter­bil­dun­gen oder Anpas­sun­gen bei den Anstel­lungs­be­din­gun­gen sein. «Auch bei diesen Gesprä­chen erle­be ich die kirch­li­chen Verant­wor­tungs­trä­ger als offen und konstruk­tiv. Wir werden mit unse­ren Anlie­gen gehört.» Die Ombuds­stel­le des Bistums St. Gallen wird schweiz­weit wahr­ge­nom­men: Jüngst hat Kath­rin Hilber von einem ande­ren Bistum den Auftrag erhal­ten, das Konzept für eine Ombuds­stel­le zu entwickeln.

Kontakt­auf­nah­me mit Kath­rin Hilber

Text: Stephan Sigg

Bild: Regi­na Kühne

Veröf­fent­licht: 12. 04. 2023

Fake News oder Wahrheit

Eine eige­ne Repor­ta­ge machen, einmal selber Fake News verbrei­ten sowie die Medi­en­stadt St. Gallen entde­cken: Das ermög­licht die neue Ausstel­lung im Kultur­mu­se­um St. Gallen – und möch­te dabei die Medi­en­kom­pe­tenz der Besu­che­rin­nen und Besu­cher stärken.

Das Klos­ter St. Gallen, das Rathaus, die Sticke­rei­bör­se, der Markt­platz, die Fürst­ab­tei und das Home­of­fice: Per Projek­tor erschei­nen auf der Wand der «St. Galler Arena» im Kultur­mu­se­um St. Gallen eins­ti­ge und aktu­el­le Orte, die für die Medi­en­stadt St. Gallen wich­tig waren und sind. Durch Pilger, die ins Klos­ter kamen, gelang­ten etwa Neuig­kei­ten aus ganz Euro­pa nach St. Gallen. Noch heute ist der Stifts­be­zirk als Unesco-Welterbe Treff­punkt für Gläu­bi­ge aus aller Welt. Die Sticke­rei­bör­se um 1900 wurde auch als Schwatz­bör­se bezeich­net, da sie Raum für Klatsch und Stadt­ge­sprä­che bot. Heute geht, wer sich infor­mie­ren möch­te, viel­leicht in ein Café mit Zeitungs­aus­wahl oder tut dies gleich von zu Hause aus via Home­of­fice im Internet.

Rück­zug in die St. Galler Arena

Nach einer Stun­de Rund­gang durch die neue Ausstel­lung «Auf der Suche nach der Wahr­heit – Wir und der Jour­na­lis­mus» im Kultur­mu­se­um  ist die «St. Galler Arena» der idea­le Ruheort, um sich das Gese­he­ne noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen und mit Eindrü­cken aus St. Gallen abzu­schlies­sen. In dunk­ler, ruhi­ger Atmo­sphä­re laden Stüh­le zum Hinset­zen ein. Bei eini­gen handelt es sich um soge­nann­te Ereig­nis­stüh­le. Wer sich dort nieder­lässt, findet seit­lich befes­tig­te Tafeln, die jeweils eines von neun St. Galler Ereig­nis­sen aufgrei­fen. Dazu gehö­ren etwa die Oster­kra­wal­le 2021 in St. Gallen. Thema­ti­siert wird, wie Social Media und Pande­mie inein­an­der­grif­fen. Ein weite­rer Ereig­nis­stuhl erzählt die Geschich­te der Kinds­mör­de­rin Frie­da Keller, die Empö­rung über das Todes­ur­teil sowie das Medi­en­echo um 1900 zur sozia­len Benach­tei­li­gung der Frau. Das frühs­te thema­ti­sier­te Ereig­nis in der Medi­en­stadt St. Gallen fand aber vor der Erfin­dung des Buch­drucks statt. Es ist das Schick­sal der Stadt­hei­li­gen Wibora­da, die einge­schlos­sen in eine Zelle als Inklu­sin lebte. 926 wurde sie bei einem Über­fall der Ungarn auf die Stadt erschla­gen. Die Menschen und die Schät­ze des Klos­ters konn­ten dank ihrer Warnung aber in Sicher­heit gebracht werden. Ihre Geschich­te ist hand­schrift­lich fest­ge­hal­ten und beinhal­tet wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen zu jener Zeit.

Sich in Quel­len­kri­tik üben

Doch wieso sind diese St. Galler Ereig­nis­se exem­pla­risch für die Medi­en­ge­schich­te und die Ausstel­lung «Auf der Suche nach der Wahr­heit – Wir und der Jour­na­lis­mus»? «Derzeit erle­ben wir die histo­ri­sche Verän­de­rung im Jour­na­lis­mus sehr stark mit», sagte dazu Muse­ums­di­rek­tor Peter Fux an der Medi­en­ori­en­tie­rung im März. Medi­en­kom­pe­tenz und Quel­len­kri­tik würden immer wich­ti­ger, um sich in der Flut aus Nach­rich­ten zurecht­zu­fin­den. Genau dies sei das Ziel der Ausstel­lung: Sie soll aufzei­gen, wie Medi­en­schaf­fen­de arbei­ten und die Besu­che­rin­nen und Besu­cher und gera­de auch Jugend­li­che dafür sensi­bi­li­sie­ren, wie und wo sie sich infor­mie­ren und mit Infor­ma­tio­nen umge­hen. Die Ausstel­lung funk­tio­niert stark inter­ak­tiv. Die Besu­che­rin­nen und Besu­cher checken sich mittels Badge ein und schlüp­fen während ihres Muse­ums­auf­ent­halts in verschie­de­ne Rollen. Im Burger-Spiel können sie beispiels­wei­se Fake News verbrei­ten und versu­chen, mittels übler Gerüch­te ein Burger-Restaurant in den Ruin zu trei­ben. Je besser sie das tun, desto mehr Punk­te gibt es. Eine weite­re Stati­on ist etwa der News­room. Dieser ist als Escape-Room gestal­tet. Man lässt sich dort als Team einschlies­sen und kommt erst wieder frei, wenn man verschie­de­ne Rätsel gelöst, eine jour­na­lis­ti­sche Geschich­te recher­chiert und diese veröf­fent­licht hat. Das Spiel dauert rund 20 Minuten.

Die Holocaust-­Debatte im Fall Jagmetti und die Enthül­lung der ­Pana­ma Papers sind zwei von ­vielen Medien­ereignissen, die an der ­Ausstel­lung thema­ti­siert werden.

Die Wunder­kam­mer entdecken

Ergänzt wird die Ausstel­lung durch verschie­de­ne Medi­en­er­eig­nis­se wie das Frau­en­stimm­recht, die Pande­mie und den Ukraine-Krieg. Zu sehen sind auch Inter­views mit Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten, die über ihre Arbeit berich­ten. Span­nend wird es zudem in der Wunder­kam­mer. Dort sind verschie­de­ne tech­ni­sche Entwick­lun­gen zu sehen, von den ersten Tonta­feln mit Keil­schrift  über alte Tele­fo­ne, Kame­ras und Compu­ter bis hin zu einem Tisch voller verschie­dens­ter St. Galler Zeitungen, wie es sie um 1900 gab. Zum Schluss, beim Check-out nach dem Museumsbesuch, folgt eine Über­ra­schung: Wer seinen Badge einwirft, bekommt einen Pres­se­aus­weis ausgedruckt. Je nach Punk­te­stand hat man den Status Prak­ti­kum, freie Mitar­beit, Redak­ti­on oder Chef­re­dak­ti­on erreicht.

→ Infos zu Ausstel­lung und Rahmen­pro­gramm: www.kulturmuseumsg.ch

Das Projekt hinter der Ausstel­lung: Hinter der Wander­aus­stel­lung «Auf der Suche nach der Wahr­heit – Wir und der Jour­na­lis­mus» steht der ­Verein ­journalistory.ch. Dieser entstand 2017 durch das gleich­na­mi­ge Oral-­History-Projekt. Initi­iert wurde es vom West­schwei­zer Filme­ma­cher Frédé­ric Gons­eth. Anlass der Vereins­grün­dung war die bevor­ste­hen­de Abstim­mung über die «No Billag»-Initiative. Diese woll­te die Empfangs­ge­bühr für Radio und ­Fern­se­hen abschaf­fen. → www.suchewahrheit.ch

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Regi­na Kühne

Veröf­fent­li­chung: 30. März 2023

Madagaskar per Bauchentscheid

Vom Glar­ner­land nach Mada­gas­kar: Mit einem frei­wil­li­gen Ausland­ein­satz holte Elisa­beth Keller aus Teufen nach, wovon sie schon als junge Frau träumte.

Dass sie gleich zehn Schwes­tern nachts am Flug­ha­fen abho­len würden, damit hatte Elisa­beth Keller nach ihrer Landung in Mada­gas­kar im vergan­ge­nen Okto­ber nicht gerech­net. «Aber ich fühl­te mich sofort will­kom­men und aufge­nom­men und wuss­te, dass mein frei­wil­li­ger Einsatz in diesem Land die rich­ti­ge Entschei­dung war», sagt die 58-Jährige. Drei Mona­te lang würde die Teufe­ne­rin Teil der Missi­ons- und Anbe­tungs­schwes­tern der Heili­gen Fami­lie sein und in deren Schu­le und Inter­nat im Dorf Andra­no­vo­ry mitar­bei­ten. «Einmal ein solches Volon­ta­ri­at zu machen, war mein Herzens­wunsch», sagt Elisa­beth Keller und erzählt, wie sie dies schon als Anfang 20-Jährige tun woll­te. «Damals soll­te es für ein Jahr nach Ango­la gehen. Aber ich bekam kalte Füsse und sagte ab. Das habe ich mein Leben lang bereut.»

Über­ra­schung bis zuletzt

Vor eini­ger Zeit stiess Elisa­beth Keller im Pfar­rei­fo­rum per Zufall auf einen Bericht über eine junge Frau, die über die Orga­ni­sa­ti­on Voyage-Partage ein Volon­ta­ri­at in Sri Lanka gemacht hatte. «Das war für mich wie ein Zeichen und ich melde­te mich bei der Orga­ni­sa­ti­on an. Auch mein Mann bestärk­te mich, das zu wagen», sagt sie. Fran­zö­sisch spre­chen zu können und nach Afri­ka zu gehen, seien ihre Wünsche gewe­sen. Voyage-Partage habe ihr verschie­de­ne Einsatz­mög­lich­kei­ten in Benin, Kame­run und Mada­gas­kar vorge­schla­gen. Auch hier war es ein Bauch­ent­scheid, der sie schluss­end­lich nach Andra­no­vo­ry führ­te. «Bis zu meiner Ankunft wuss­te ich nicht, an welchem Stand­ort in Mada­gas­kar ich sein und was ich dort tun würde», sagt sie, die insge­heim hoff­te, als gelern­te Medi­zi­ni­sche Praxis­as­sis­ten­tin in einem Ambu­la­to­ri­um mitzuhelfen.

Es kam anders. Als Klas­sen­as­sis­tenz unter­stütz­te sie die Schwächs­ten der rund 600 Schul­kin­der im Unter­richt. Nach der Schu­le half sie beim Kochen und in der Kanti­ne. «Obwohl ich am Anfang Respekt hatte, einfach in eine Klas­se zu gehen, gehört die Zeit mit den Kindern zu meinen schöns­ten Erleb­nis­sen», sagt sie. Die Lebens­freu­de und das Vertrau­en in das Leben hat sie von den Kindern und Schwes­tern zurück in die Schweiz genom­men. «Und natür­lich sind es die vielen gegen­sätz­li­chen Eindrücke, wie die extre­me Armut auf der einen Seite und die Schön­heit des Landes auf der ande­ren Seite», sagt sie.

Mitten im Leben

In der Ordens­ge­mein­schaft fühl­te sich Elisa­beth Keller aufge­ho­ben. «Ich kann die Schwes­tern nicht anders beschrei­ben als cool und mitten im Leben», sagt sie und erin­nert sich an ihre eige­ne Kind­heit mit sieben Geschwis­tern auf einem Bauern­hof im Glar­ner­land. «Meine Mutter erzog uns streng katho­lisch. Obwohl ich heute keine typi­sche Kirchen­gän­ge­rin bin, habe ich gros­sen Respekt für alle, die im Glau­ben diese Kraft finden, um schwie­ri­ge Situa­tio­nen zu meistern, wie es eben auch meine Mutter tat», sagt sie. Sie selbst habe dieses Vertrau­en das gros­se Aben­teu­er wagen lassen.

→ Volon­ta­ri­at im Globa­len Süden:www.voyage-partage.ch

Text: Nina Rudnicki 

Bilder: zVg.

Veröf­fent­li­chung: 27. März 2023

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