Der b‑treff in Bütschwil ist gefragt wie nie. Treff-Leiterin Sylvia Suter und dreissig Freiwillige versuchen Hoffnung zu schenken – manchmal mit einer Tasse Kaffee. Im April feiert der vielfältige Begegnungsort, gegründet durch eine kirchliche Initiative, den 10. Geburtstag.
Sie porträtiert den Hausmeister, schreibt über Feuerlöschschulungen und interviewt die Mensa-Mitarbeiterin: Die Maturandin Mirjam Gremminger (17) ist Social-Media-Redaktorin am Gymnasium Friedberg in Gossau und hat ein Start-Up mitgegründet, das auf Nachhaltigkeit setzt. Für beides wurde sie kürzlich ausgezeichnet.
Mirjam Gremminger steckt inmitten von Prüfungen und Abschlussarbeiten. «Bis im Mai haben wir noch Schule, dann finden die Maturaprüfungen statt», sagt die 17-Jährige. Danach möchte sie studieren. Noch hat sie sich für keine Uni und kein Studium entschieden, aber «etwas mit PR und Marketing» kann sie sich gut vorstellen. Geweckt worden ist dieses Interesse auch durch ihre Arbeit als Redaktorin für die Social-Media-Kanäle des Gymnasiums. Seit zwei Jahren schreibt Mirjam Gremminger regelmässig Beiträge über das Leben und Arbeiten am «Friedberg» und postet sie auf Facebook und Instagram. Dazu gehören Feuerlöschschulungen ebenso wie neue Schulprojekte. Zuletzt porträtierte sie Mitarbeitende des Hausdiensts und der Mensa. «Ich finde es immer wieder spannend, über Menschen zu schreiben, die man zwar regelmässig sieht, aber nicht näher kennt.»
Erinnerung an den Heiligen Pallotti
Ende Januar ist die Maturandin für ihr Engagement für das Gymnasium mit dem Pallottipreis ausgezeichnet worden. Der Preis geht zurück auf den Priester Vinzenz Pallotti, der sich im 19. Jahrhundert für Bedürftige in Rom einsetzte. In dessen Tradition gründeten die Pallottiner-Patres vor fast 100 Jahren das Gymnasium Friedberg. Die Verleihung des Pallottipreises findet jährlich statt und wird an Schülerinnen und Schüler vergeben, die das Leben auf dem «Friedberg» bereichern.
Soziales Engagement
Zusammen mit einem Mitschüler hat sich Mirjam Gremminger vor zwei Jahren bei der Marketingabteilung des Gymnasiums gemeldet. «Wir dachten, dass es doch gut wäre, wenn der Content auf den Social-Media-Kanälen der Schule auch von Schülerinnen und Schülern gemacht würde.» Der Vorschlag kam bei den Verantwortlichen gut an. Die Ideen für die Inhalte bringt sie selbst, muss sie aber vor der Umsetzung und Veröffentlichung der Beiträge mit den Verantwortlichen absprechen. «Die Zusammenarbeit läuft super», sagt sie. «Ich lerne sehr viel über Vermarktung, Öffentlichkeit und die Social Media Welt im Allgemeinen.» Das Schönste aber sei, so die Maturandin, dass sie auch nach fast sechs Jahren am Gymnasium immer wieder neue Leute kennenlerne.
Der Instagramkanal des Gymnasiums Friedberg vermittelt vielfältige Einblicke in den Schulalltag.
Ressourcenschonende Alternative
Mirjam Gremminger ist in Uzwil mit zwei jüngeren Schwestern aufgewachsen. Ihre Eltern sind beide in der Seelsorge der Katholischen Kirche Uzwil und Umgebung tätig. Die Maturandin engagiert sich nicht nur in der Online-Welt. Zusammen mit Mitschülerinnen und Mitschülern hat sie 2021 im Rahmen des Fachs Wirtschaft das Start-Up «beecome» gegründet. Das Unternehmen setzt mit der Produktion und dem Verkauf von Bienenwachstüchern voll auf Nachhaltigkeit. «Wir wollten zu den herkömmlichen Alu- und Frischhaltefolien eine ressourcenschonende Alternative schaffen, die nicht unbedingt mit einem Verzicht verbunden ist, sondern mit etwas, das schön aussieht und auch persönlich gestaltet werden kann.» Für die Produktion der Bienenwachstücher ging das Jungunternehmen eine Partnerschaft mit einer Werkstatt von Menschen mit Beeinträchtigung ein. Ein Teil des Umsatzes kommt zudem einer Initiative zur Bienenrettung zugute. Mit dem Pallottipreis wurde auch dieses Engagement der jungen Frau gewürdigt.
Reformen bei der Rolle der Frau und beim Umgang mit LGBTQI+-Personen, Geschiedenen und Wiederverheirateten, aber auch eine stärkere Rückbesinnung auf traditionelle Werte und Normen – die Umfrageergebnisse machen sichtbar, wo Katholikinnen und Katholiken im Bistum St.Gallen Reformbedarf sehen. Am 11. Februar stellte gfs.Bern zusammen mit dem Bistum St.Gallen die Ergebnisse in Wil vor.
«Es gibt kein Zurück» — Was macht das Bistum St.Gallen jetzt mit den Ergebnissen?
Interview mit Dominik Michel-Loher (21. April 2022) Zum Interview
«Die Ergebnisse in den drei Bistümern ähneln sich sehr stark», sagte Cloé Jans vom Meinungs- und Marktforschungsinstitut gfs.Bern bei der Präsentation der Ergebnisse im katholischen Pfarreizentrum in Wil SG. Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus den Pfarreien, Kirchgemeinden und kirchlichen Organisationen hatten den Weg nach Wil gefunden. Im Rahmen der der Bischofssynode, die 2023 in Rom stattfindet, rief Papst Franziskus die Bistümer weltweit auf, sich an einer Umfrage zur Synodalität zu beteiligen. Die Bistümer St.Gallen, Basel und Chur lancierten im vergangenen Herbst eine gemeinsame Umfrage. Im Bistum St.Gallen nutzten 1000 Personen die Möglichkeit, am Dialogprozess der römisch-katholischen Kirche teilzunehmen.«Die Umfrage ist nicht repräsentativ, aber da es sich um eine Dialogsbefragung handelt, haben die Ergebnisse trotzdem eine grosse Aussagekraft und sind hochgradig interpretierbar», hielt Cloé Jans fest. «Es wird sichtbar, dass die christlichen Grundwerte und gemeinsamen Rituale eine starke Basis für das Leben vieler sind und einen wichtigen gemeinsamen Nenner darstellen.»
Cloé Jans von gfs.Bern gibt Einblicke in die Umfrageergebnisse.
«Der Dialogprozess sprach vor allem Leute an, die schon in der Kirche engagiert oder in irgendeiner Weise involviert sind.»
Cloé Jans, gfs.Bern
Das Berner Institut hat die Umfrage im Auftrag des Bistums durchgeführt und ausgewertet. Der Abschlussbericht umfasst 53 Seiten. «Die Beiträge aus den Dialoggruppen zeugen dabei in ihrer Gesamtheit von der zentralen Rolle, die der Glaube im Leben der Teilnehmer:innen spielt und der tiefen Verbundenheit mit und der Relevanz von Gott für jede Person einzeln», schreibt g.f.s in seiner Zusammenfassung. Neben Offenheit und Nächstenliebe als zentrale Werte werde immer wieder «der unvergleichlich grosse Stellenwert der Freiwilligkeit und freiwilligen Arbeit» betont. Für viele sei das soziale Engagement ein «Identifikationsanker» und eine «Quelle der Freude und Zufriedenheit».
«Sind das nicht Ergebnisse, die man so erwarten konnte? Gibt es etwas, das überraschte?»
Hans Hüppi, pensionierter Seelsorger, Ernetschwil
Gottesdienste verbinden
65 % der Teilnehmenden bezeichnen den gemeinsamen Glauben und den Gottesdienste als verbindende Elemente. Doch offensichtlich sehen hier einige Reformbedarf. Denn nur 35 % gaben an, dass «die Liturgie (Gebet) zeitgemäss gestaltet» wird. Obwohl die Umfrage das nicht so beabsichtigt habe, haben laut g.f.s die Teilnehmenden in ihren Voten konkrete Inputs, Forderungen und Wünsche formuliert. Es falle auf, «dass diese Inputs unabhängig von der eigentlichen Frage immer wieder sehr ähnlich sind. Dazu gehört insbesondere die Rolle der Frau in der Kirche, der Umgang mit Minderheiten oder Lebensformen, die nicht einer traditionellen Vorstellung entsprechen (LGBTQI+, Geschiedene, Wiederverheiratete), oder auch die Art und Weise, wie eine zeitgemässe Gestaltung von Riten und Feiern möglich ist. Auch Personen mit Beeinträchtigungen oder mit einem anderen kulturellen oder sprachlichen Hintergrund werden zu wenig miteinbezogen.»
«Die synodale Arbeit ist im Bistum verankert und wird weitergehen.»
Franz Kreissl, Leiter Pastoralamt des Bistums St.Gallen
Vom Bistum zu wenig gehört
Ein Umfragebereich beinhaltete auch den Dialog zwischen Bistumsleitung und Basis. Hier sehen die Katholikinnen und Katholiken im Bistum St.Gallen offensichtlich Optimierungsbedarf: 53 % gaben an «Führungspersonen im Bistum nehmen uns nicht wahr und verstehen uns nicht». Doch im Vergleich mit anderen Bistümern schneidet St.Gallen hier eindeutig besser ab:. Cloé Jans betont bei der Präsentation: «Die Dialoggruppen im Bistum St. Gallen, verglichen mit den Bistümern Basel und Chur, fühlen sich von den Führungspersonen im Bistum deutlich eher gehört und verstanden.»
Die Ergebnisse werden schweizweit gesammelt und im März nach Rom geschickt. Das Bistum St.Gallen will mit den Erkenntnissen aus der Umfrage arbeiten, wie Franz Kreissl (Leiter Pastoralamt des Bistums St.Gallen) betonte: «Die synodale Arbeit ist im Bistum verankert und wird weitergehen.»
Vetreterinnen und Vertreter der Pfarreien, Kirchgemeinden, kirchlichen Organisationen und Fachstellen waren bei der Präsentation in Wil dabei. Viele von ihnen hatten selber bei der Umfrage mitgemacht.
Gotte oder Götti als lebenslange Bezugspersonen? Eine solche Patin oder einen solchen Paten zu erhalten gleicht ein wenig einer Lotterie. Yannou Bantle aus Steinegg hat diesbezüglich den Jackpot geknackt.
«Die Höhle der Löwen» mit Ideen für frische Kirchenprojekte und Bischof Markus Büchel als Juror: Bei der Ideenschmiede «Churching» des Bistums St. Gallen können junge Menschen kreative Projekte entwickeln. Unterstützung bekommen sie dabei von den Riklin-Brüdern.
Die katholische Kirchgemeinde St. Gallen steigt Ende 2022 aus der Offenen Kirche und deren ökumenischen Trägerverein aus. Stattdessen will sie andere Projekte mit ähnlicher Stossrichtung finanzieren. Die Ökumene sei heute an einem anderen Punkt als in den 1990er-Jahren.
Die Heilige Wiborada geht auf Tour: Die Rorschacherin Ruth Diethelm ist Mit-Organisatorin einer Wiborada-Ausstellung, die 2022 durch das Bistum St. Gallen tourt.
Lange Zeit haftete Brett- und Gesellschaftsspielen ein verstaubtes Image an. Aber ausgerechnet in unseren digitalen Zeiten sind analoge Spiele beliebt wie nie zuvor. Das kann auch Anita Sonderegger bezeugen. Die Primarlehrerin und fünffache Grossmutter ist Wächterin über 900 Spielsachen der Ludothek Heiden. Warum sind Spiele wieder so gefragt?
Während draussen der Wind Schneeflocken an die Fenster peitscht, ist in der Ludothek in Heiden ein Wettlauf zwischen Gut und Böse entfacht. Anita Sonderegger führt ihre beiden Enkelkinder Larina und Valerio sowie deren Gspänli Mila und Lio in die Geheimnisse des «Zauberbergs» ein. Bei diesem Gesellschaftsspiel werden mit Hilfe von Irrlichtern (alias bunte Glasmurmeln) die Zauberlehrlinge des Magiers Balduin durch den geheimnisvollen Wald gelotst. Aber auch die gemeinen Hexen folgen den Spuren der Irrlichter und ein Wettlauf ins Tal des Zauberbergs beginnt. Anita Sonderegger geniesst diese Momente des gemeinsamen Spielens sehr. «Schon als Schulmädchen liebte ich Knobelspiele oder wenn wir als Familie um die Monopoly-Schlossallee feilschten.»
Anita Sonderegger liebte schon als Schulkind Knobelspiele.
Von 200 auf 900 Artikel In den Regalen der Ludothek Heiden, die im Untergeschoss der Asylturnhalle ihre Heimat gefunden hat, findet sich weit mehr als die Klassiker wie Spiel des Lebens, Scrabble, Tabu oder Trivial Pursuit. «Als wir 1992 beschlossen eine Ludothek zu eröffnen, starteten wir mit 200 Spielsachen», erinnert sich Anita Sonderegger. Mittlerweile ist das Sortiment auf rund 900 Artikel angewachsen. Am Mittwochnachmittag und freitags von 17 bis 19 Uhr können hier Kinder mit ihren Eltern oder Grosseltern aus der bunten Welt der angesagtesten Gesellschaftsspiele ihre Favoriten wählen. Daneben gibt es aber auch Playmobil-Sets, grosse Holzspielsachen, Chügelibahnen, Spieltraktoren und ‑Lastwagen oder Fahrzeuge wie Kickboards, Racer oder Laufräder in verschiedenen Grössen.
Mitarbeiter gesucht Die Ludothek Heiden ist im Appenzeller Vorderland die Einzige ihrer Art. Hier leihen deshalb auch junge Familien aus den umliegenden Gemeinden regelmässig Spielsachen aus. Durchschnittlich registriert Anita Sonderegger jährlich rund 600 bis 700 Ausleihen. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie sind diese Zahlen eingebrochen. «Wir mussten in den vergangenen zwei Jahren aufgrund der Massnahmen immer mal wieder unsere Türen schliessen. Ausgerechnet in der Zeit, in der spielerische Auflockerung und Ablenkung besonders gefragt gewesen wäre», bedauert die 60-Jährige. Die Ludothek Heiden ist keine eigenständige Organisation, sondern den «Häädler Frauen» angegliedert. Diese wiederum wurden 2017 aus den beiden ehemaligen katholischen und evangelischen Frauenvereinen gegründet. Die Gemeinde Heiden unterstützt die Ludothek, indem sie die Raummiete übernimmt und einen Beitrag für Neuanschaffungen leistet. Auch die katholische und die evangelische Kirchgemeinde im Dorf unterstützen die Ludo mit Beiträgen. Hinzu kommen die umliegenden Dörfer Grub, Wald und Wolfhalden, die sich ebenfalls beteiligen sowie private Gönner und acht Unternehmen. «Im Gegensatz zu vielen anderen Ludo-theken stehen wir auf einem soliden finanziellen Fundament. Was uns fehlt, sind Freiwillige, die uns bei der Ausleihe unterstützen», betont Anita Sonderegger.
Leihen statt Kaufen Die Ludothek will auch Familien mit geringem Einkommen den Zugang zu attraktiven Spielsachen ermöglichen. So wird in Heiden keine Jahresgebühr verlangt, sondern nur das bezahlt, was effektiv ausgeliehen wird. Mit farbigen Punkten sind die verschiedenen Preiskategorien von einem bis zehn Franken gekennzeichnet. «Wir finden, dass man die Sachen teilen kann und nicht jede Familie alles selber kaufen muss. Dieser Nachhaltigkeitsgedanke ist uns wichtig. Diesbezüglich hat in den vergangenen Jahren bei vielen jungen Eltern ein Umdenken stattgefunden», stellt Anita Sonderegger fest. Zudem achten sie und ihr Team bei Anschaffungen darauf, dass möglichst wenige davon batteriebetrieben sind. «Das schont nicht nur die Umwelt, sondern auch die oftmals reizüberfluteten Köpfe der Kinder und Eltern.»
Viele der Spiele funktionieren ohne Batterien.
Strategisches Denken und Geselligkeit Inspiration für neue Spiele bekommt Anita Sonderegger aus verschiedenen Kanälen. So tragen kleine Ludo-Kunden Wünsche an sie heran, welche in der Werbung angepriesen wurden. Einmal im Jahr stellt das Spielwarengeschäft «Zubi» in Rorschach den umliegenden Ludo-Teams die Neuerscheinungen vor. «Dieser Tag ist für eine Spielbegeisterte wie mich wie Weihnachten und Ostern zusammen», sagt Anita Sonderegger mit einem Strahlen im Gesicht. Unter diesen Neuheiten ist jeweils immer das «Spiel des Jahres». Dieser Jurypreis wird seit 1979 jeden Sommer in drei Kategorien für analoge Gesellschaftsspiele im deutschsprachigen Raum vergeben. 2021 sind dies «Paleo» (Kennerspiel des Jahres), «Dragomino» (Kinderspiel des Jahres) und «MicroMacro: Crime City» (Spiel des Jahres). Letzteres und andere Spielneuheiten hat Anita Sonderegger zusammen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Ludo-Spielabends ausgiebig getestet. Der Spielabend findet jeden zweiten Dienstagabend im Monat im Restaurant Linde in Heiden statt. Dabei treffen sich erwachsene Spielfreudige zu einer Runde Brändi Dog oder sind gespannt, welche Neuheiten der Kassier der Ludothek, Walter Graf, mitbringt. «An diesen Abenden wird das zelebriert, was mir am Spielen so gefällt: Die Gemeinschaft wird gepflegt, wir sind in unserem strategischen und taktischen Denken gefordert und versuchen, die Spielzüge der Mitspieler zu erahnen», schildert Anita Sonderegger. Hat dieses jahrzehntelange, regelmässige Spielen aus ihr eine gute Verliererin gemacht? «Nicht wirklich», gibt sie unumwunden zu. «Ich gerate jeweils in einen solchen Feuereifer, dass ich komplett im Moment versinken kann. Wenn es dann nicht wunschgemäss läuft, ärgert mich das auch heute noch. Dieses Gefühl ist aber schnell verflogen und ich sehne dann bereits die nächste Spielrunde herbei.»
Warum boomen Brettspiele? Bereits vor über 4000 Jahren würfelten Menschen um die Wette, spielten mit Bohnen auf geschnitzten Hölzern und verspielten Hab und Gut. Manche Wissenschaftler vermuten erste Versionen sogar schon vor 9000 Jahren, als Jäger und Sammler sesshaft wurden. Bei den Vorläufern der Brettspiele wurden die Felder in den Sand oder auf Holz gemalt. Vor allem sogenannte Wettlaufspiele waren 4500 v. Chr. beliebt und wurden auf dem Gebiet der heutigen Staaten Ägypten, Saudi-Arabien und Irak gespielt. Die Würfel waren häufig aus Gelenkknochen von Schafen oder Ziegen. Das königliche Spiel von Ur ist eines der ältesten bekannten Spiele. Es wurde bei Ausgrabungen in der mesopotamischen Stadt Ur gefunden und wird auf circa 2600 v. Chr. datiert. Die ursprünglichen Regeln sind nicht mehr bekannt.
Siegeszug der kooperativen Spiele Spiele sind ein Fenster in die Vergangenheit. Sie erzählen immer etwas von der Gesellschaft, in der sie erfunden und gespielt wurden. So dreht sich beim Schach alles um einen König, der so gut wie bewegungsunfähig ist. Doch wenn er fällt, geht sein ganzes Königreich mit ihm unter. «Eile mit Weile» ist ein Nachfolger eines alten indischen Spiels und erzählt von Sterben und Wiedergeburt und schliesslich vom Eintritt in den Himmel – das rettende Haus, in dem am Ende alle Spielsteine stehen sollten. «Monopoly» steht bis in die 1980er Jahre hinein für den unregulierten Kapitalismus. Eine neue Ära läuteten «Die Siedler von Catan» ein. Das Gesellschaftsspiel wurde 1995 vom deutschen Zahntechnikermeister Klaus Teuber entwickelt. Neu an dieser Spiele-Art ist vor allem die strategische Tiefe. Der Spieler tauscht Erz gegen Lehm und Holz, um damit Strassen und Siedlungen zu bauen, die wiederum neue Quellen für mehr Erz erschliessen. Bei «Catan» wird nicht zerstört, sondern aufgebaut. Die Spieler kämpfen nicht direkt gegeneinander, sondern um denselben Ressourcenpool. Bis heute wurde das ehemalige «Spiel des Jahres» in mehr als 40 Sprachen übersetzt und über 28 Millionen Mal verkauft, womit es hinter Monopoly das zweiterfolgreichste Spiel der Welt ist. Spätestens die Wahl zum «Spiel des Jahres 2021» hat es bewiesen: Kooperative Spiele wie «MicroMacro: Crime City» werden immer beliebter. Alle spielen zusammen gegen das Brett. Man verliert oder gewinnt gemeinsam. Wettbewerb wird ersetzt durch strategische Teamaufgaben und durch Kommunikation. Es ist verblüffend: Im digitalen Zeitalter sind Brettspiele so beliebt wie nie zuvor. Doch weshalb?
Spielen ist ein wichtiges Training für das menschliche Miteinander.
Spielerisches Lernen Ein Faktor unserer wachsenden analogen Spielfreude könnte der digitale Überfluss sein. Wir sehnen uns nach haptischen Erlebnissen und direktem Augenkontakt. Spieleforscher vermuten zudem, dass wir gerade in unsteten Zeiten die Verlässlichkeit des Spiels mögen. Da steht in der Anleitung klipp und klar, was zu tun ist, damit man vom Erfolg gekrönt wird. Spiele retten uns aus einer konfusen Welt und schicken uns in eine übersichtliche Idealsituation. Zu erwähnen ist natürlich auch unser tief verankerter Spieltrieb. Der Neurowissenschaftler Jaak Panksepp verortete diesen Spieltrieb unter anderem im Hirnstamm des Menschen, im ältesten Teil des Gehirns, der auch bei Atmung, Schlaf und Bewusstsein eine zentrale Rolle spielt. Kritiker könnten dem entgegenhalten, dass Menschen massenhaft von der kostbaren Ressource Zeit vergeuden, nur um einer scheinbar zweckfreien Tätigkeit zu frönen. Wäre Spielen aber tatsächlich so überflüssig, hätte die Evolution uns den Spieltrieb vermutlich längst abgewöhnt. Hat sie aber nicht. Weil wir im Spiel lernen. Spielen macht uns kreativer und produktiver. Wir interpretieren Gesten, Gefühlsäusserungen, Verhaltensweisen, übernehmen andere Perspektiven und üben Selbstdisziplin. Auch wenn wir innerlich explodieren möchten, können sich die meisten von uns auch dann noch beherrschen, wenn die gegnerische Mannschaft beim Brändi Dog längst alle Murmeln im Ziel hat. Weshalb wir trotzdem gerne spielen? Weil Spiel nichts muss, aber alles kann. Und Spielen ist ein wichtiges Training für das menschliche Miteinander.
Pascale Baer-Baldauf ist Professorin für Wirtschaftsinformatik und Institutsleiterin an der Fachhochschule OST. Ab 1. Januar wird die 45-jährige Rorschacherin als Administrationsrätin die Arbeit der katholischen Kirche im Bistum St. Gallen begleiten.
Die Vater-Kind-Beziehung wird heute viel bewusster gelebt. Doch auch schon in vergangenen Jahrzehnten waren Väter für viele prägend. «Mein Vater war für mich bis zu seinem Tod eine wichtige Bezugsperson», sagt Bea S.