Um mit Passanten ins Gespräch zu kommen, ist Matthias Wenk (46) mit dem Cargo-Velo mit der Aufschrift «kostBar» in St. Gallen unterwegs. Der katholische Cityseelsorger erklärt, was an dieser Bar «ausgeschenkt» wird.
Bei uns gibt es keinen Alltag. Wir orientieren uns an dem, was in der Stadt läuft. Wir sind mit unserem Velo an Brennpunkten im öffentlichen Raum unterwegs», sagt Matthias Wenk von der mobilen Cityseelsorge St. Gallen. Zudem sind sie an Märkten und Veranstaltungen präsent, etwa beim Willkommens-Anlass für Neuzuzüger. Dort hat die Cityseelsorge einen gemeinsamen Stand mit der Reformierten Kirche. «Sich immer wieder auf neue Orte und neue Begegnungen einzulassen, ist herausfordernd», sagt der Theologe und Sozialarbeiter. «Es ist aber auch immer wieder schön, an vorderster Front mit Menschen in Kontakt zu kommen.» Er übernimmt die mobile Cityseelsorge offiziell per 1. August. Punktuell hat er bereits Aufgaben übernommen. Wenk ist kein Neuer: Er arbeitet bereits seit 2018 im Teilzeitpensum für den Bereich «Spiritualität und neue Gottesdienstformen» bei der Cityseelsorge. Nun gibt er dieser Tage die Pfarreileitung der ökumenischen Gemeinde Halden ab und widmet sich künftig in einem 80-Prozent-Pensum der Cityseelsorge.
Wie entsteht ein Dialog?
Um mit Menschen ins Gespräch zu kommen, hat das Team verschiedene niederschwellige Hilfsmittel entwickelt. «Es braucht einfache Anknüpfungspunkte», weiss Wenk und zeigt seine alten Krüge, die er jeweils auf der Velo-Bar auftischt. Darin verstecken sich verschiedene Symbolträger wie beispielsweise kleine Lego-Figuren oder eine Armbanduhr – der letzte Krug beinhaltet eine besonders berührende Überraschung, die hier nicht verraten werden soll. «Es geht darum, die Menschen zum Nachdenken anzuregen und ihnen bewusst zu machen, was ihnen wichtig und kostbar erscheint», erklärt Wenk. Dabei kann ein unverkrampfter Dialog über Spiritualität entstehen: «Setzt man man sich mit Lebensfragen auseinander, kommt der Glaube automatisch ins Spiel.» Und was brennt den Menschen in St. Gallen unter den Fingernägeln? «Das ist sehr individuell, viele sind gespalten bei gesellschaftlichen Themen, aktuell drehen sich die Gespräche oft um die Klimasituation. Wir hören auch persönliche Geschichten, erfahren von Sorgen und Ängsten, die uns Menschen umtreiben oder auch von Notsituationen.» Wenk betont, dass sie für alle Menschen da sein möchten. Einen speziellen Fokus würden sie auf jene richten, die offen seien für Glaubensfragen, aber keine klassischen Gottesdienste besuchen. «Das sind in St. Gallen immerhin 91 Prozent der Kirchensteuerzahler», sagt Wenk.
Gut vernetzt
Das vierköpfige Team der Cityseelsorge trifft sich vor den gemeinsamen Sitzungen zum Gebet und Austausch. «Wir teilen unsere Erlebnisse bewusst miteinander und notieren das Wichtigste auf einer grossen Schriftrolle. Diese ist mittlerweile bestimmt zehn Meter lang und wird später im Sinne einer Rückschau wieder ausgerollt.» Die Zusammenarbeit im Team sowie mit anderen Anlaufstellen der Kirche ist Wenk sehr wichtig. Man lerne sehr viel voneinander und könne die vielschichtigen Anliegen oder Hilferufe aus den eigenen Begegnungen auch an andere Fachleute weiterreichen. Ab August erhält das Team zusätzliche Verstärkung für den Bereich «Mobile Ökoprojekte». Eine grosse Unterstützung sind auch die Freiwilligen: «Unsere Arbeit würde ohne sie nicht funktionieren», sagt Wenk. Dazu kommen projektbezogene Partnerschaften wie beispielsweise mit der Reformierten Kirche. Für nächstes Jahr ist eine Partnerschaft mit «Wohnmobilland Schweiz» vorgesehen. Wenk verrät, dass sie einen grösseren Event mit Camper-Segnungen planen.
Werkzeug für den Frieden
Wenk zitiert eine Stelle aus einem Gebet, das Franz von Assisi zugeschrieben wird. Diese scheint ihm für seine Arbeit sehr wesentlich: «Gott, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens.» Diese Metapher helfe ihm, seine Aufgabe wahrzunehmen und sich immer wieder auf neue Begegnungen einzulassen. Die mobile Cityseelsorge bespielt bewusst keine eigenen Räumlichkeiten. «Wir sind immer draussen unterwegs am Puls der Gesellschaft. Unsere Kirche ist die City.» Auch hier versuchen sie, «das Göttliche in die Welt zu spiegeln». So sieht Wenk das Angebot der mobilen Cityseelsorge auch als Ergänzung zu den Pfarreien, die bereits sehr wertvolle Arbeit leisten würden.

Text und Bilder: Katja Hongler
Veröffentlichung: 24.07.2023