Der Film «Heldin» nimmt die Zuschauerinnen und Zuschauer mit auf die stressige Nachtschicht einer Pflegefachfrau. Der St. Galler Spitalseelsorger Sepp Koller erklärt, wie nahe der Film wirklich an der Realität ist.
Sie hetzt von einem Patienten zum nächsten, verabreicht hier ein Medikament, hat dort ein offenes Ohr: Im Film «Heldin» der Regisseurin Petra Volpe tauchen die Zuschauerinnen und Zuschauer in den hektischen Arbeitsalltag einer Pflegefachfrau ein. Pflichtbewusst versucht sie alle ihr obliegenden Aufgaben zu erledigen und doch kommt es schliesslich zu einem folgenschweren Fehler. Die Geschichte spielt an einem fiktiven Spital in der Schweiz – könnte aber auch in St. Gallen stattfinden, wie Spitalseelsorger Sepp Koller erklärt: «Der Film ist nahe an der Realität und gibt einen Eindruck, wie der Spitalalltag aussieht.» Koller arbeitet seit acht Jahren am Kantonsspital St. Gallen und ist nebst seiner Arbeit als Seelsorger auch Teil des spitalinternen Care Teams. Der 55-Jährige hat sich den Film kürzlich im Kino angeschaut und hat eine dezidierte Meinung darüber: «Der Spitalalltag ist prägnant dargestellt. Es wird vieles so gezeigt, wie es tatsächlich ist. Aber der Film ist etwas überzeichnet.»

Emotional berührend
Regisseurin Petra Volpe bezeichnet den Film, der an der Berlinale Premiere feierte, in einem Interview mit dem NDR als «Liebeserklärung an die Pflegenden». Den Fokus setzt sie auf Hauptdarstellerin Leonie Benesch. Die Bilder sind eher düster, die Szenerie wirkt teilweise fast ein wenig bedrohlich. Die Umsetzung gefällt Sepp Koller: «Ich finde es sehr gut, dass der Film emotional berührt. Man fühlt sich schnell mit der Schauspielerin verbunden, leidet am Schluss sogar mit ihr mit.» Der Spitalseelsorger spricht aber auch von einer einseitigen Fokussierung: «Es dreht sich alles um den Dienst dieser Pflegefachfrau. Andere Disziplinen – also alle Dienste im Support wie die Seelsorge, das Care Team, die Sozialen Dienste, das Ethikforum, die Psychosomatik und Psychoonkologie – kommen nicht vor. In der Realität arbeiten diese Bereiche eng miteinander zusammen und unterstützen sich in schwierigen Situationen», sagt Sepp Koller. Er schätzt, dass dies so gewollt ist, und verweist auf den Filmtitel: «Als hätte die Regisseurin getreu dem Namen des Films ein Heldenepos schaffen wollen. Und das ist ihr sehr gut gelungen». Sepp Koller spricht auch irritierende Szenen im Film an, etwa als eine betagte Frau ruhig sterbe und die Pflegefachfrau das Reanimationsteam aufbietet, da es der Sohn im Moment der Trauer nicht begreifen kann.

Wertschätzung steigern
Trotz inhaltlicher Irritationen und Fokussierung auf eine Person ist Sepp Koller froh, den Film gesehen zu haben, und er hofft, dass es ihm einige gleichtun: «Es lohnt sich. Schön und positiv ist auch, dass der Film sicherlich die Wertschätzung für die Arbeit der Pflegefachpersonen stärkt. Sie hätten das verdient, weil sie wirklich viele Stresssituationen zu bewältigen haben.» Als Spitalseelsorger ist Sepp Koller nicht nur für die Betreuung der Patienten und deren Angehörigen zuständig, sondern auch für die Mitarbeitenden. Er hat die Coronapandemie und die Massenentlassungen vom vergangenen Herbst am Kantonsspital St. Gallen miterlebt und weiss, wie sehr diese Ereignisse den Spitalalltag der Pflegefachpersonen zusätzlich belastet hatten. Während der Pandemie war der Bedarf kurzzeitig stark gestiegen. Rund 30 Prozent des Pensums wandten die Spitalseelsorgenden damals für die Mitarbeitenden auf. Mittlerweile ist die Zahl wieder gesunken. «Im Gesundheitssystem ist es stressig, das gehört dazu. Manche können besser damit umgehen, andere weniger gut. Ich würde mir einfach wünschen, dass die Arbeit der Pflegepersonen noch mehr geschätzt wird», so Koller. Die Pflegeinitiative sei ein erster wichtiger Schritt dahingehend gewesen. «Der Film zeigt uns allen anschaulich, was die Pflegekräfte für eine wertvolle Arbeit leisten. Sie hätten auf ganzer Linie mehr Unterstützung und Wertschätzung verdient.»
Text: Alessia Pagani
Bild: zVg
Veröffentlicht: 19.03. 2025