Der Rorschacher Journalist Urs Fitze widmet sich Themen, die zu wenig Beachtung finden: Unangenehme Wahrheiten über die finanzielle Ausbeutung von Menschen und Umwelt. Die Fakten sind teilweise schwer zu ertragen – doch es gibt auch soziale Erfolgsgeschichten.
Für seine Reportagen und Buchprojekte reist Urs Fitze rund um den Globus. Als freier Journalist und Autor befasst er sich nebst Umweltschutzthemen vertieft mit der sozialen Gerechtigkeit in Bezug auf den Kapitalismus. Firmen, die sich ausschliesslich an der Gewinn-Maximierung orientieren, steht Fitze genau so kritisch gegenüber wie grossen Finanzinstitutionen. Seiner Meinung nach sind klassische Kapitalanlagen praktisch unkontrollierbar, auch wenn sie als ethische Investitionen angepriesen werden. Er bezeichnet seine Haltung diesbezüglich als radikal: «Geld zu verdienen, finde ich nur bis zu einem gewissen Grad okay. Ab einem bestimmten Punkt ist es nur noch fragwürdig. Ein Gewinnüberschuss sollte prinzipiell in die Weiterentwicklung der eigenen Firma, deren Mitarbeiter und in die Gesellschaft investiert werden». Auf die Frage nach seinen ethischen Grundsätzen seines privaten Portfolios erwidert er: «Ich habe keine nennenswerten Kapitalanlagen, mein Interesse für ethische Investitionen ist hauptsächlich beruflicher Natur.»
Sinnvoller Geldkreislauf
Vor rund zehn Jahren ist das Buch «Genossenschaften: Gemeinsam erfolgreich» entstanden, das Fitze als Co-Autor schrieb. Es zeigt auf, dass sich die Genossenschaft als Geschäftsform an nachhaltigen Zielen orientiert und nicht auf kurzfristige Gewinne abzielt. In einem Kapitel porträtiert er die genossenschaftlich organisierte Institution Oikocredit, eine Pionierin des ethischen Investments. Sie wurde 1975 im Umfeld des Weltkirchenrats gegründet. Fitze war von ihrer ursprünglichen Geschäftsidee beeindruckt: «Spenden ist zwar schön, aber letztlich sollte man mit diesem Geld einen Kreislauf zu Stande bringen». Die internationale Genossenschaft Oikocredit wurde in diesem Sinne in Holland gegründet. Sie vergab Kredite – primär in Drittweltländer – die zurückbezahlt werden mussten. Gleichzeitig ermöglicht Oikocredit Privatpersonen, ihr Geld in Form von Genossenschaftsanteilen anzulegen. «Ähnlich wie der Grundgedanke der Raiffeisenbanken baute Oikocredit eine Geldinfrastruktur für mittellose Bauern auf dem Land auf.» Später wurde Fitze von Oikocredit angefragt, ob er sich im Vorstand von Oikocredit Deutschschweiz engagieren würde. Da ihm die Organisation durch seine journalistische Arbeit vertraut war, hat er sich dazu bereit erklärt und dieses Ehrenamt von 2012 bis 2019 ausgeübt.
Langlebige Unterstützung
Als Paradebeispiel für nachhaltiges Engagement von Oikocredit nennt er eine Kaffee-Kooperative in Guatemala. Der Verband mit über 1300 kleinbäuerlichen Kaffeebetrieben verbessere die Lebensbedingungen der lokalen Landwirte, die hochwertigen Bio-Kaffee verarbeiten und exportieren sowie Öko-Tourismus anbieten. Besonders sinnvoll ist seiner Meinung nach, dass Oikocredit langfristig und nachhaltig investiert und somit Unternehmen eine Zukunftsperspektive über mehrere Generationen ermöglicht. «Das bedeutet, dass die Unterstützung weiterläuft, auch wenn es zu einem Misserfolg oder gar zum Konkurs kommt.» Fitze hat die Kaffeebauern selbst zwei Mal vor Ort besucht. Solche Erfolgsgeschichten mitzuerleben seien erfüllende Momente. Er untermalt dieses gute Gefühl mit folgendem Fazit: «Obwohl die weltweite Investitionssumme* von Oikocredit nur ein kleiner Tropfen auf den heissen Stein ist, kann ein einzelner Kredit für eine Familie, ein Dorf oder gar eine ganze Region eine neue Existenz bedeuten.»

Augen öffnen
In seinem neuen Buch «Entmenschlicht», das Ende Mai erscheint, beschreiben Urs Fitze und Martin Arnold die Sklaverei des 21. Jahrhunderts. Es handelt von geraubter Würde und Ausbeutung von Arbeitskräften. Die Autoren zeigen auf, wie die moderne Sklaverei unseren Alltag durchdringt und in die globalen Wertschöpfungsketten verstrickt ist. Geschätzt 40 Millionen Menschen, darunter meist Frauen und Kinder, verdingen sich als Sklavinnen und Sklaven. Fitze weiss, die Sklaverei ist ein rentables Geschäft: «Sie verursacht unendlich viel Leid und aus diesem Leid wird ein enormer Gewinn erzielt, der jegliche Vorstellungskraft sprengt.»
* Anmerkung Redaktion: Die Entwicklungsfinanzierungen entsprechen 875,8 Millionen Euro (Stand 30. September 2021)
25. April 2022
Text: Katja Hongler
Bild: zVg.