«Warum hat es auf den reformierten Kirchen einen Güggel und auf katholischen das Kreuz?» Dafür gibt es doch Gründe?
Vielleicht auch noch andere Gründe als die Geschichte von Petrus, der Jesus dreimal verleugnet und sich dann total über sich selbst ärgert, als der Hahn kräht, genau wie Jesus es ihm vorausgesagt hatte. Ausgerechnet er, Simon, der von Jesus den Über-Namen Petrus bekommen hat: Der Fels! Er war stets bereit, von einem Extrem ins andere zu fallen, der wankelmütigste von allen Aposteln, mit flatterhaftem Charakter. Ausgerechnet den Petrus mit dieser «Hahn-Geschichte» macht Jesus zum Chef! «Wenn ein Chef in einem Unternehmen eine solche Personalentscheidung treffen würde, dann würden seine Mitarbeitenden zumindest hinter vorgehaltener Hand flüstern: Das ist doch ein Witz! Und Jesus kann sich einen solchen Witz erlauben. Er hat in einem tieferen Sinn Humor, als er uns meist zur Verfügung steht. Jedenfalls macht er damit deutlich, dass er nicht auf (unsere) menschlichen Vorgaben angewiesen ist», schreibt Pater Albert Keller. Das wären ja schon zwei Gründe für den Güggel auf dem Kirchturm: Ich darf mitmachen trotz meiner Fehler und Schwächen. Und Gott hat Humor.
Vorsicht in anderen Gegenden
Ein Zeichen von Humor ist ja auch dies: Der Hahn zeigt mir, dies ist eine reformierte Kirche, eine katholische hätte ein Kreuz auf dem Turm! Aber Vorsicht! In vielen Gegenden – im katholischen Bayern wie im evangelischen Norddeutschland – ist es genau umgekehrt! Vielleicht hat dies der liebe Gott mit seinem Humor so eingerichtet, um uns auch zu zeigen: Die Kirchen, auch wenn sie verschieden sind, sind mir lieb und sind mir wertvoll. Hahn und Kreuz sind austauschbar! Der Güggel auf dem Kirchturm will mich erinnern: Wir Menschen brauchen immer wieder Vergebung und Verzeihung, wie Petrus. Und: Rette dich nicht mit Lügen wie Petrus! Der hat nämlich aus lauter Angst gelogen und gesagt: «Ich habe nichts mit Jesus zu tun.» Ausserdem: Sei ganz wachsam! Lass dich nicht von Jesus wegziehen. Und wenn dir das doch mal passiert ist, geh immer wieder zurück zu ihm.
Güggel als Wetterfahne
Manchmal funktioniert der Güggel oben auch als Wetterfahne, besonders am Meer. Dann sagt uns der Hahn: als Christen sollen wir eben nicht immer unsere Jacke nach dem Wind hängen. Sondern uns nach Jesus ausrichten. Sowohl Kreuz wie Güggel können auch Blitzableiter sein. Das kann mir sagen: Christus ist ein Blitzableiter für mich dann, wenn meine Ängste oder Zorn und Wut mich beherrschen wollen. Die Rockband Jethro Tull hat ein Lied gesungen vom Wetterhahn auf dem Kirchturm: «Guten Morgen Wetterhahn! Zeig uns die Richtung! Verbinde du uns mit den guten Winden!» Auch darum steht der Güggel auf dem Kirchturm: Wie das Kreuz ist auch der Hahn ein Segenszeichen: ein Symbol für Jesus selbst. Durch sein Krähen kündigt der Hahn als Erster das Morgenrot an. Und Christus ist das neue Licht in deinem Tag und in meinem Tag.

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Text: Reinhard Paulzen, Pfarreibeauftragter Heerbrugg
Veröffentlichung: 6. September 2022