Auch mit 87 Jahren steht der Rheintaler Künstler Josef Ebnöther täglich in seinem Atelier. Aktuell gestaltet er ein Fenster für das Pfarreiheim Lüchingen. Darin thematisiert er auch etwas, das ihn sein ganzes Leben begleitet: das Glück.

«Wir machen zuerst einen Rundgang», sagt Josef Ebnöther und zeigt sein Haus, das voll ist mit seinen Kunstwerken. Dann steigt er die Treppe hinauf zum Atelier. Hier entstehen seit vielen Jahrzehnten seine Bilder. «Ich habe im Leben viel Glück gehabt», sagt er. Er sei nie Trends hinterhergerannt, habe keinen Karriereplan verfolgt und habe auch nicht bei Apéros anderen Honig um den Mund geschmiert. Wenn es finanziell mal eng wurde, kam von irgendwoher plötzlich ein Auftrag oder eine neue Tür tat sich auf. Ebnöthers Werke stiessen schon früh international auf Anerkennung, dennoch blieb er im Rheintal verwurzelt. «Das Leben in der Stadt hat mich nie gereizt.» Bis heute sei es ihm am wohlsten, allein im Atelier die Ideen umsetzen zu können. Vielleicht liegt es an dieser Verwurzelung, dass er trotz des Erfolgs bodenständig geblieben ist. Ruhm und Ehre nimmt er mit einer grossen Portion Humor, sein Schalk drückt beim Interview und Fotoshooting für das Pfarreiforum immer wieder durch.

Für alle Lebenssituationen
Josef Ebnöther hat auch zahlreiche Kunstwerke für sakrale Räume geschaffen wie zum Beispiel die Rietkapelle in Oberriet, eine Keramikwand auf dem Friedhof Lüchingen oder das Pfingstereignis als Glasfenster der katholischen Kirche Kempen bei Düsseldorf. Warum auch immer wieder christliche Symbole in seinen Werken vorkommen, kann er nicht erklären: «Die sind mir einfach zugefallen.» Aktuell arbeitet er im Auftrag der Katholischen Kirchgemeinde Lüchingen an einem Glasfenster für das neue Pfarreiheim. Das Werk wird bunt und enthält Symbole wie die Schale oder die Natur. «Im Pfarreiheim kommen viele verschiedene Menschen zusammen», sagt Josef Ebnöther, «hier haben alle Lebenssituationen und Ereignisse Platz.» Warum eine Schale? «Der Mensch ist wie eine Schale, nur wenn etwas drin ist, kann man auch etwas weitergeben.» Auch Teil des Bildes, und zwar ganz oben – das, was einem zufällt: das Glück.

Hundert Einzelteile
Die Digitalisierung macht auch nicht vor der Kunstwelt halt. Dass heute Künstlerinnen und Künstler vermehrt mit digitalen Techniken arbeiten, beschäftigt Josef Ebnöther. Kunst sei Handarbeit. Die Ideen, die Vision, die Gefühle, die Kraft des Künstlers prägen sich mit jedem der unzähligen Pinselstriche in das Bild ein. «Digitale Kunst hingegen ist seelenlos.» Das Glasfenster von Josef Ebnöther wird in den nächsten Wochen in einer Glaskunstmanufaktur im deutschen Rottweil gesetzt werden. Aus hundert Einzelteilen wird ein Fenster. Ein Prozess, der etwa drei Arbeitstage umfassen wird. Der Rheintaler Künstler wird selbst vor Ort dabei sein. Im Frühling schliesslich kann das Fenster in Lüchingen besichtigt werden.

Fundstücke in der Natur
Aufmerksam verfolgt Josef Ebnöther bis heute nicht nur die Entwicklungen in der Kunstszene, sondern auch das Leben vor Ort in Altstätten. Früher hat er sich jeden Tag zu Fuss auf den Weg hinunter ins Städtchen zum Stammtisch gemacht. Heute ist er dort seltener anzutreffen: «Es ist einfach nicht mehr das gleiche. Es war immer so schön, dort viele Lebensbegleiter zu treffen. Inzwischen ist dieser Kreis merkbar geschrumpft, viele sind gestorben oder erkrankt.» Unterkriegen lässt sich Ebnöther davon nicht. Immer wieder zieht es ihn in die Natur: Mit seiner Frau arbeitet er im grossen Garten oder er unternimmt Spaziergänge mit der Fotokamera. Fasziniert zeigt er im Atelier Fotos von Mustern, die er entdeckt hat: einzelne Äste am Wegesrand, als hätte sie jemand bewusst zu kunstvollen Gemälden angeordnet. «Man muss nur genau hinsehen, dann kann man überall etwas entdecken.»

Text: Stephan Sigg
Bild: Ana Kontoulis
Veröffentlichung: 21. Oktober 2024