«Wissen, dass immer ­jemand da ist»

Mirco Meier und Jani­na Landolt, kirch­li­che Jugend­ar­bei­ter in der Seel­sor­ge­ein­heit Gaster, ­unter­stüt­zen Jugend­li­che auf ihrem Weg ins Erwach­se­nen­le­ben. Im Jugend­treff haben sie auch ein Ohr, wenn ein Teen­ager einmal einfach über sein Hobby spre­chen will.

Zehn bis fünf­zehn Jugend­li­che kommen jeden zwei­ten Sams­tag­abend in den kirch­li­chen Jugend­treff in Weesen. Das Zusam­men­sein genies­sen, Musik hören oder mitein­an­der Billard spie­len. «Manch­mal hat jemand auch das Bedürf­nis, dass ihnen jemand zuhört», so Mirco Meier, Jugend­ar­bei­ter, «sie möch­ten mit einem Erwach­se­nen über das spre­chen, das sie beschäf­tigt oder inter­es­siert wie zum Beispiel ihr Hobby.» Ihm sei es wich­tig, den Jugend­li­chen eine Erfah­rung zu ermög­li­chen, die auch er als Jugend­li­cher erlebt hat: «In meiner Teen­ager­zeit zerbrach meine Fami­lie, ich hatte in der Kirche Ansprech­per­so­nen, die für mich da waren, das hat mich durch diese schwe­re Zeit getragen.»

Jani­na Landolt: Die Sitz­kis­sen sind bei den Jugend­li­chen jeweils sehr begehrt. 

Empa­thie trainieren

Gemüt­lich im Jugend­treff chil­len und zusam­men­sit­zen, beim Koch-Abend «fair kochen» gemein­sam ein Rezept kreieren oder sich auf die Wall­fahrt nach Einsie­deln bege­ben – in der Seel­sor­ge­ein­heit Gaster hat die kirch­li­che Jugend­ar­beit einen gros­sen Stel­len­wert. Für Mirco Meier ist Jugend­ar­beit nicht einfach ein «Nice to have», sondern theo­lo­gisch begrün­det: «Es geht darum, Jugend­li­che zu unter­stüt­zen, freie und selbst­stän­di­ge Menschen zu werden.» Dies sei bereits bei der Synode 72 – eine Reform­syn­ode der Schwei­zer Bistü­mer – so fest­ge­hal­ten worden. «Kirch­li­che Jugend­ar­beit ist viel mehr als einfach nur Frei­zeit­be­schäf­ti­gung oder mit Gleich­alt­ri­gen beisam­men sein: Jugend­li­che setzen sich bei unse­ren Ange­bo­ten auch ganz konkret mit Werten ausein­an­der.» Er nennt als Beispiel das Ange­bot «fair kochen»: «Beim gemein­sa­men Kochen werden auch Empa­thie und Tole­ranz trai­niert. Die Teil­neh­men­den werden mit unter­schied­li­chen Geschmä­ckern, Vorlie­ben und Aller­gien konfron­tiert und stehen vor der Heraus­for­de­rung, ein Rezept zu entwi­ckeln, das für alle passt. Beim Essen merken sie dann: Es schmeckt auch, wenn ich es nicht genau so mache, wie ich es immer mache.»

Jugend­la­bel lanciert

Zur kirch­li­chen Jugend­ar­beit gehört viel mehr als nur der kirch­li­che Jugend­treff: Ministranten-Arbeit, Jugend­rei­sen … dazu kommen in vielen Seel­sor­ge­ein­hei­ten im Bistum St. Gallen auch verband­li­che Jugend­an­ge­bo­te wie zum Beispiel die Jubla oder die katho­li­sche Pfadi und Jugend­pas­to­ral wie der Firm­weg oder Seel­sor­ge. All diese Ange­bo­te sollen nun mehr ins Bewusst­sein rücken und gewür­digt werden. Mirco Meier und Jani­na Landolt werten es als posi­ti­ves Zeichen, dass die Fach­stel­le für Jugend­ar­beit im Bistum St. Gallen (DAJU) nun ein «Jugend­la­bel» lanciert (siehe Kasten). «Ein solches Label hilft, die Ange­bo­te vor Ort genau anzu­schau­en und auch auf blin­de Flecken aufmerk­sam zu werden», so Mirco Meier. Ein erster Schritt sei die Anstel­lung einer Jugend­ar­bei­te­rin gewe­sen: «Die Jugend­li­chen sollen zwischen einer Frau und einem Mann als Ansprech­per­son wählen können.»

Mirco Landolt (mitte) weiss aus eige­ner Erfah­rung: Es ist wich­tig, dass Jugend­li­che Ansprechs­per­so­nen haben.

Persön­lich­keit entwickeln

Wenn eine Kirch­ge­mein­de in die Jugend inves­tiert, inves­tiert sie in die Zukunft, hört man oft als Argu­ment für den Einsatz von kirch­li­chen Ressour­cen für diese Ziel­grup­pe. Mirco Meier sieht das etwas anders: «Der Grund für Jugend­ar­beit muss aus meiner Sicht sein, Jugend­li­che bei der Persön­lich­keits­ent­wick­lung zu unter­stüt­zen. Allein deshalb lohnt es sich, Ressour­cen dafür zu inves­tie­ren.» Es geht aber auch noch um einen ande­ren Aspekt: Kirch­li­che Jugend­ar­beit ermög­licht laut Mirco Meier Erleb­nis­se, zu denen manche Jugend­li­che aufgrund der finan­zi­el­len Situa­ti­on zuhau­se keinen Zugang hätten. «Wir entlas­ten damit auch Fami­li­en, die von Armut betrof­fen sind: Einen Ausflug machen und dort etwas essen können, das ist nicht für alle eine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Bei uns können alle mitma­chen, niemand wird aufgrund seiner Situa­ti­on zuhau­se ausgegrenzt.»

Chil­len, mitein­an­der reden, Musik hören oder Tögge­li­kas­ten spie­len: Im Jugend­treff in Weesen wird es nie langweilig.

Erfah­run­gen machen

Jani­na Landolt beob­ach­tet, dass sich Jugend­li­che heute nach Räumen sehnen, wo sie nicht bewer­tet werden und auch nicht schon wieder eine Leis­tung erbrin­gen müssen. Dass manche Eltern ihre Kinder über­hü­ten, sieht Mirco Meier kritisch: «Es gehört ja gera­de zur Jugend, dass sie Erfah­run­gen machen können. Es ist eine heraus­for­dern­de Zeit, aber da lernen junge Menschen, auch mit nega­ti­ven Erfah­run­gen umzu­ge­hen und daran zu wach­sen. Wenn man erst mit 30 mit solchen Heraus­for­de­run­gen konfron­tiert wird, hat man zuvor nicht die Chan­ce gehabt zu lernen, damit umzu­ge­hen. Zudem erhält jemand in der Jugend häufig einfa­cher eine zwei­te Chan­ce.» Der Jugend­ar­bei­ter steht auch im Austausch mit Eltern. «Wenn Jugend­li­che Proble­me haben, wird das viel­fach als Versa­gen der Eltern gedeu­tet. Viele sind deshalb total unter Druck. Dabei hat das oft nichts damit zu tun.» Für Jani­na Landolt ist das Vertrau­en zwischen Eltern und Jugend­li­chen eine entschei­den­de Grund­la­ge: «Das Wich­tigs­te ist, zu vermit­teln: Egal, was passiert, du kannst zu uns kommen und wir helfen dir. Und es gibt dann auch keine Vorwür­fe oder Schuld­zu­wei­sun­gen. Jugend­li­che soll­ten wissen, dass immer jemand für sie da ist.»

Text: Stephan Sigg

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 24. Mai 2024

Label für jugend­freund­li­che Kirche

Die DAJU und die Anima­ti­ons­stel­len für kirch­li­che Jugend­ar­beit (akjs) haben ein Label für eine «jugend­freund­li­che Kirche» ausge­ar­bei­tet. Das Label soll eine öffent­lich sicht­ba­re Auszeich­nung für eine quali­ta­tiv gute Jugend­ar­beit sein. Es werde für jeweils drei Jahre verge­ben. Nach dieser Zeit kann es neu bean­tragt werden. «Das Label sei ein Zeichen für eine hohe Quali­tät und Profes­sio­na­li­tät der Jugend­ar­beit einer Seel­sor­ge­ein­heit», so die DAJU in einer Mittei­lung. «Mit dem Label werden Seel­sor­ge­ein­hei­ten ausge­zeich­net, welche die mit dem Label verbun­de­nen zentra­len Quali­täts­merk­ma­le erfüllen.»

Das Label brin­ge der Seel­sor­ge­ein­heit und deren Jugend­ar­beit viele Vortei­le. Unter ande­rem werden damit die Quali­tät und Profes­sio­na­li­tät der Jugend­ar­beit gestärkt und gegen aussen sicht­bar gemacht. Die Ziele und Wirkung der Jugend­ar­beit werden defi­niert und auch über­prüf­bar. Zudem werden Seel­sor­ge­ein­hei­ten beim Aufbau und der Profes­sio­na­li­sie­rung der Jugend­ar­beit unter­stützt. Schliess­lich könne damit das Vertrau­en von Eltern und Fami­li­en in die Jugend­ar­beit gestärkt werden. Die Seelsorgeeinheit Gaster strebt als eine der ersten Seelsorgeeinheiten das Jugend­la­bel an.

→ www.daju.ch

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