Wertekompass für Kantonsräte

Rama­dan für Kinder und die Zukunft des Reli­gi­ons­un­ter­richts: Mit diesen und vielen weite­ren Fragen und Themen in der Schnitt­flä­che zwischen Poli­tik und Reli­gi­on beschäf­tigt sich die Ethik­grup­pe des St. Galler Kantons­par­la­ments. Diese gibt es seit 25 Jahren.

«Wir können nicht gegen gros­se Macht­ha­ber kämp­fen, aber wir können in unse­rem Umfeld die Situa­ti­on verbes­sern», sagt Luzia Krempl-Gnädinger. Die 54-Jährige poli­ti­siert seit 2019 im St. Galler Kantons­rat. Zu Beginn noch für die CVP, seit deren Zusam­men­schluss mit der BDP im Jahr 2021 für Die Mitte. Seit ihrer Wahl ins Kantons­par­la­ment präsi­diert Luzia Krempl die Ethik­grup­pe des Kantons­ra­tes, Co-Präsident ist Jascha Müller von der EVP. Die Ethik­grup­pe wurde vor 25 Jahren ins Leben geru­fen und besteht momen­tan aus 25 Mitglie­dern sämt­li­cher Partei­en. Teil­neh­men können alle Mitglie­der des Kantons­ra­tes, welche sich für Ethik interessieren. 

Die St. Galler Mitte-Kantonsrätin Luzia Krempl-Gnädinger ist seit Beginn ihrer Amts­zeit im Jahr 2019 Mitglied in der Ethikgruppe.

«Die meis­ten blei­ben lange dabei. Mich wird das Enga­ge­ment beglei­ten, bis ich im Kantons­rat aufhö­re», sagt Luzia Krempl. Sich um ethi­sche Fragen Gedan­ken zu machen, bezeich­net die Goldach­erin als Teil ihrer Kultur und ihrer persön­li­chen Haltung. «Das gehört für mich einfach zum Leben dazu.»

Viele Schnitt­punk­te

Einer, der auch schon seit rund zehn Jahren in der Ethik­grup­pe mitar­bei­tet, ist FDP-Kantonsrat Rolf Huber. «Auch wenn wir in einem säku­lä­ren Staat leben, soll­te eine Verbin­dung zwischen Kirche und Poli­tik da sein. Es gibt viele Schnitt­punk­te», sagt er. Die Ethik­grup­pe prüft laut Statu­ten Sach­vor­la­gen und allge­mei­ne poli­ti­sche Fragen aller Art unter dem Blick­win­kel der christ­li­chen Ethik. Sie hat die Möglich­keit, selbst Vorla­gen ins Parla­ment einzu­brin­gen. Dies kam in den vergan­ge­nen fünf Jahren gemäss der Präsi­den­tin aller­dings nicht vor. «Es geht vor allem auch darum, Infor­ma­tio­nen einzu­ho­len und Lobby­ar­beit zu betrei­ben», sagt Krempl und nennt als Beispiel das neue Volks­schul­ge­setz, mit dem sich das St. Galler Kantons­par­la­ment seit eini­ger Zeit beschäf­tigt, und hier insbe­son­de­re der Reli­gi­ons­un­ter­richt. Bei einem Tref­fen mit Reli­gi­ons­lehr­per­so­nen hätte sie deren Bedürf­nis­se abge­holt. Diese wurden in der Ethik­grup­pe bespro­chen und von den Mitglie­dern in die Frak­tio­nen getra­gen. «Wir wollen verste­hen, wie wir und die ande­ren ticken und das Verständ­nis für poli­ti­sche Vorgän­ge stei­gern», sagt Rolf Huber. 

Rolf Huber von der FDP ist seit rund zehn Jahren Teil der Ethik­grup­pe des Kantons­ra­tes St. Gallen. Diese trage viel zum gegen­sei­ti­gen Verständ­nis bei.

Als weite­re Beispie­le nennt er die Thema­ti­ken «musli­mi­sche Gräber» oder «Rama­dan für Kinder». Rolf Huber sagt: «In der Ethik­grup­pe können Sorgen und Nöte mitge­teilt werden.»

Zusam­men­ar­beit vertieft

Clau­dia Martin nennt die Ethik­grup­pe eine wert­vol­le Ergän­zung ihres Werte­kom­pas­ses. Die SVP-Kantonsrätin ist seit 2013 im Rat und trat zwei Jahre später der Ethik­grup­pe bei. Diese trägt auch zur Zusam­men­ar­beit im Parla­ment bei, findet die 47-Jährige. «In der Ethik­grup­pe haben wir einen gemein­sa­men Nenner. Das tut gut. Ich erfah­re einen ande­ren Zugang zu Mitglie­dern des Kantons­ra­tes, die auch in der Grup­pe mitar­bei­ten. Es ist einfa­cher.» Das Enga­ge­ment gebe ihr Inputs für Instru­men­te im Umgang mit ande­ren, sagt die Berufs­fach­schul­leh­re­rin und Politikerin. 

SVP-Politikerin Clau­dia Martin schätzt die Ethik­grup­pe unter ande­rem, weil sie ihr Inputs im Umgang mit ande­ren gibt und die Zusam­men­ar­beit im Parla­ment vereinfacht.

Auf die Frage, was denn für sie genau Ethik bedeu­te, über­legt Luzia Krempl kurz: «Es geht darum, dass wir alle Menschen gleich achten, egal welche Herkunft oder welche Voraus­set­zun­gen sie haben, und dass wir nicht ande­re – auch die Natur und Tiere – mit unse­rem Verhal­ten schä­di­gen.» Es stehe immer die Frage im Raum, wie das Zusam­men­le­ben verbes­sert werden kann, sagt auch Rolf Huber.

Inter­re­li­giö­ses Treffen

In der Regel trifft sich die Ethik­grup­pe einmal im Jahr mit den Vertre­tun­gen der gros­sen Reli­gi­ons­grup­pen, nament­lich Bischof Markus Büchel, mit dem evang.-ref. Kirchenratspräsidenten Martin Schmidt, dem St. Galler Rabbi­ner Shlo­mo Tikoch­in­ski und dem Präsidenten des Dach­ver­ban­des isla­mi­scher Gemein­schaf­ten in der Ostschweiz, Yakup Gürgün. Ein Mal jähr­lich orga­ni­siert die Ethik­grup­pe einen Vortrag oder eine Podi­ums­dis­kus­si­on zu einem poli­tisch und ethisch aktu­el­len Thema. Zudem wird zu Beginn jedes Amts­jah­res von refor­mier­ten und katho­li­schen Seel­sor­gen­den ein Besin­nungs­an­lass in der Lauren­zen­kir­che in St. Gallen orga­ni­siert. Dieser wird gemäss Krempl von vielen Kantons­rä­tin­nen und Kantons­rä­ten besucht. Das freut sie beson­ders: «Die Kirchen und auch die Ethik­grup­pe können ein Gegen­pol zur Poli­tik sein, in der oft hart über Sach­vor­la­gen debat­tiert wird. Das finde ich wich­tig», sagt Luzia Krempl. «Und es zeigt, dass unse­re Arbeit geschätzt und das Thema Ethik als wich­tig erach­tet wird.»

Text: Ales­sia Paga­ni
Bilder: Kanton St. Gallen / zVg. 

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