«Wir arbeiten an Plan B»

Schwester Angelika

Ende Mai wird das Klos­ter Maria Hilf in Altstät­ten 500 Jahre alt. Das Jahr 1522 gilt als Grün­dungs­jahr des Klos­ters. Wir spra­chen mit Schwes­ter Ange­li­ka über die Vergan­gen­heit, Gegen­wart und die Zukunft.

Heute leben vier Schwes­tern im Alter zwischen 67 und 87 Jahren im Klos­ter Maria Hilf. Wie sieht ihr Alltag aus?

Schwes­ter Ange­li­ka: Unse­re erste gemein­sa­me Begeg­nung ist um 7.45 Uhr beim Früh­stück. Um 8.30 Uhr beten wir die Laudes und anschlies­send um 9.00 Uhr feiern wir den Gottes­dienst. Das haben wir so gere­gelt, weil zwei unse­rer Schwes­tern aus gesund­heit­li­chen Grün­den um sieben Uhr an der Laudes nicht mehr teil­neh­men können. Anschlies­send an den Gottes­dienst erle­di­gen wir Haus­ar­beit wie waschen und bügeln der anfal­len­den Wäsche, Pforten- und Tele­fon­dienst, klei­ne­re Flick­ar­bei­ten etc. Am Frei­tag, an unse­rem frei­en Tag, tref­fen wir uns zu den gemein­sa­men Mahl­zei­ten, zur Vesper um 17.30 Uhr und anschlies­send zum Gottes­dienst um 18 Uhr.

Wie können vier Schwes­tern den Unter­halt der ganzen Anla­ge über­haupt bewerkstelligen?

Schwes­ter Ange­li­ka: Nur mit Hilfe von aussen. Für die täglich anfal­len­den Arbei­ten haben wir zwei Mitar­bei­te­rin­nen. Eine arbei­tet 50 Prozent, die ande­re 80 Prozent jeweils von Montag bis Donners­tag. Vom Frei­tag bis Sonn­tag sorgen wir selbst für das Früh­stück und Abend­essen. Seit 2014 bezie­hen wir das Mittag­essen aus dem Hotel Sonne. Nach dem Hoch­was­ser, das unse­re Küche zerstört hat, haben wir diese Lösung gefun­den und bis jetzt beibe­hal­ten. Vier­mal pro Woche kommen noch Bewoh­ner vom Verein Rhyboot und über­neh­men Reini­gungs­ar­bei­ten im Haus. So konn­ten wir einer­seits Arbeits­plät­ze schaf­fen und ande­rer­seits die zwei Mitar­bei­te­rin­nen wie uns entlasten.

Wie werden die vielen Räume im Klos­ter heute genutzt?

Schwes­ter Ange­li­ka: Drei Vier­tel des Klos­ters steht leer. Jede Schwes­ter hat ihr Zimmer mit Nass­zel­le. Wir bewoh­nen einen klei­nen Teil der vorhan­de­nen Räum­lich­kei­ten. In einem Teil des Gebäu­des befin­det sich die Medi­en­stel­le der Diöze­se St. Gallen und unser ehema­li­ges Insti­tut wird von der Primar­schu­le Altstät­ten genutzt. Der frühe­re Gemüse- und Blumen­gar­ten wurde zum Rasen umge­stal­tet. Die zwei Treib­häu­ser werden neu vom Verein Rhyboot bewirt­schaf­tet sowie Umge­bungs­ar­bei­ten. Wir würden gerne den Aussen­be­reich in Perma­kul­tur umwan­deln. Unse­re Idee wäre einer Bewirt­schaf­tung mit Garten und Obst­bäu­men. Dabei denken wir an Selbst­ver­sor­gung wie an den Verkauf der Produk­te an die Bevölkerung.

Ihr seid nur noch vier Schwes­tern. Wie war die Situa­ti­on früher?

Schwes­ter Ange­li­ka: Die Blüte­zeit unse­res Klos­ters geht auf das Jahr 1888 zurück. Mit 53 Schwes­tern war das Haus voll. Dann zog Mutter Bernar­da mit sechs Schwes­tern nach Südame­ri­ka. Es sind zwar immer neue Schwes­tern dazu gekom­men aber bis 1991 waren es immer weniger.

Wie lange ist es her, seit die letz­te Schwes­ter dem Klos­ter beigetre­ten ist?

Schwes­ter Ange­li­ka: Ich bin die Jüngs­te, die 1991 dem Orden beigetre­ten ist. Wir waren vor gut dreis­sig Jahren 23 Schwes­tern. Seit­her ist niemand mehr eingetreten.

Wo sehen Sie die Grün­de dafür, dass die Neuein­trit­te so dras­tisch zurück­ge­gan­gen sind?

Schwes­ter Ange­li­ka: Es sind wohl verschie­de­ne Grün­de. Klei­ne­re Fami­li­en, der Glau­be wird in den Fami­li­en nicht mehr vorge­lebt. Die Kinder und Jugend­li­chen kommen kaum in Kontakt mit Ordens-personen. Das tägli­che Gebet braucht es heute nicht mehr. Alle haben alles. Viele sind von der Kirche enttäuscht. Ein Grund spielt sicher auch mit, dass Frau­en heute jeden Beruf erler­nen können, ohne einem Orden anzu­ge­hö­ren. Früher konn­te man Kran­ken­schwes­ter oder Lehre­rin nur werden, wenn man in einem Orden war. Viele Frau­en entschie­den sich deshalb für diesen Weg und waren sehr tüch­tig in ihrem Beruf.

Können Sie uns etwas über die Geschich­te des Klos­ters erzählen?

Schwes­ter Ange­li­ka: Die Ursprün­ge des Frau­en­klos­ters liegen in der Mitte des 13. Jahr­hun­derts. Bereit 1258 gab es in Altstät­ten eine Schwes­tern­ge­mein­schaft, die Begi­nen. Die ersten Bauten wurden auf dem Gut «Nunnen­tal» erstellt und die Schwes­tern des fran­zis­ka­ni­schen Drit­ten Ordens konn­ten dort ihre neuen Gebäu­de ausser­halb der Stadt­mau­er bezie­hen. 1838 erfolg­te der Einstieg in die Schul­tä­tig­keit. Ab dem Jahr 1870 bot das Klos­ter ein eige­nes Inter­nat an, auch für Mädchen von ausser­halb Altstät­tens. Ab 1962 zogen sich die Schwes­tern allmäh­lich aus dem Schul­we­sen zurück und 1973 gaben die damals 40 Schwes­tern die Schu­le und das Inter­nat gänz­lich auf.

Wie sieht die Zukunft des Klos­ters aus?

Schwes­ter Ange­li­ka: Wir vier Schwes­tern wollen im Klos­ter blei­ben, solan­ge es verant­wort­bar ist. Eigent­lich sind wir sechs Perso­nen, die das Klos­ter bewoh­nen. Eine Bewoh­ne­rin, unser «Bertä­lie», vom eins­ti­gen Alters­heim Forst und Pater Josef aus Bosni­en, der seit 2019 wegen Coro­na­pan­de­mie bei uns gestran­det ist, wohnen und leben mit uns. Trotz­dem ist alles viel zu gross und zu weitläufig.

Wäre das Verlas­sen des Klos­ters eine Alternative?

Schwes­ter Ange­li­ka: Bis jetzt nicht. Wir wollen möglichst im Klos­ter blei­ben. Soll­te sich die Zukunft anders zeigen, müss­ten zwei unse­rer Schwes­tern in einem solchen Fall ins Pfle­ge­heim. Unse­re klei­ne Gemein­schaft träumt eher von einer Miet­woh­nung. Dafür bräuch­ten wir sicher die Erlaub­nis des Bischofs. Wir haben uns schon Gedan­ken gemacht, ob wir zu den Missi­ons­fran­zis­ka­ne­rin­nen nach Ober­riet umzie­hen. Zu ihnen könn­ten wir jeder­zeit gehen. Wir pfle­gen eine sehr gute Bezie­hung und hätten bei ihnen mehr als genü­gend Platz. Beru­hi­gend ist, dass wir Schwes­tern allein über ein weite­res Vorge­hen entschei­den und bestim­men, wie lange wir im Klos­ter bleiben.

Vor zwei Jahren stand das Projekt Rhyboot zur Diskus­si­on. Wie weit ist es fortgeschritten?

Schwes­ter Ange­li­ka: Beim Vorpro­jekt mit Rhyboot, das in Kürze abge­schlos­sen sein soll, ist der Entscheid gefal­len. Geplant waren die Verle­gung der Verwal­tung ins Klos­ter, das Schaf­fen neuer Arbeits­plät­ze für Beein­träch­tig­te und inner­halb des Klos­ters neue Schwes­tern­woh­nun­gen. Der Verein Rhyboot hat die gegen­sei­tig unter­zeich­ne­te Absichts­er­klä­rung zwischen dem Klos­ter Maria Hilf und ihm defi­ni­tiv aufge­löst. Der Grund liege bei wirtschaftliche-finanziellen Schwie­rig­kei­ten. Wir als Schwes­tern­ge­mein­schaft und die Projekt­grup­pe haben diese Reali­tät mit schmerz­li­cher Enttäu­schung zur Kennt­nis genom­men. Das Vorpro­jekt wird fertig gestellt. Wir sind dran einen Plan B auszu­ar­bei­ten. Wir sind von neuem gefor­dert, um zu entschei­den, wie die Zukunft des Klos­ters ausse­hen soll. An den vier Grund­pfei­lern orien­tie­ren wir uns weiter­hin und halten fest: Spiri­tua­li­tät, Soziales-Caritatives, Bildung, Kultur.

Wie sehen Sie das Klos­ter in zehn Jahren?

Schwes­ter Ange­li­ka: Ich hoffe, dass die Räum­lich­kei­ten wunsch­ge­mäss umge­baut werden. ich hoffe, dass die fran­zis­ka­ni­sche Spiri­tua­li­tät in irgend­ei­ner Art und Weise Fort­be­stand hat und dass dieser Ort zur Kraft­quel­le vieler werden darf. Ich möch­te miter­le­ben, wie das gesam­te Lebens­werk unse­rer Vorfah­ren weiterlebt.

Ende Mai wird das Klos­ter 500 Jahre alt. Wie werden Sie dieses Jubi­lä­um feiern?

Schwes­ter Ange­li­ka: Das Jubi­lä­um wird mit mehre­ren Anläs­sen während des Jahres began­gen. Am Sams­tag, 28. Mai findet der Fest­got­tes­dienst mit Bischof Markus und dem Kirchen­chor St. Niko­laus, Altstät­ten statt. Anschlies­send ein Apéro mit musi­ka­li­schen Klän­gen der Stadt­mu­sik Altstät­ten im Klos­ter­gar­ten. Am Sonn­tag, 29. Mai laden wir die Bevöl­ke­rung zu einem Tag der offe­nen Tür mit einem Rund­gang ein. Für das leib­li­che Wohl sorgt der Verein Rhyboot im Klos­ter­gar­ten oder bei schlech­tem Wetter im Konvent. 

27. Mai 2022                                                                                                                                             Inter­view + Fotos:  Susi Miara

Bild­le­gen­de:

Schwes­ter Ange­li­ka war von der Idee des geplan­ten Projekts mit dem Verein Rhyboot sehr beglückt und voller Hoff­nung. Leider wird es nicht reali­siert. Jetzt muss ein Plan B her. 

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