Egal ob Schlafstörungen, nervliche Belastungen oder Heuschnupfen – die Hausmittel aus dem Kloster St. Ottilia in Grimmenstein (Walzenhausen) haben schon vielen bei körperlichen Beschwerden geholfen. Sr. Daniela und Sr. Michaela geben dem Pfarreiforum einen exklusiven Einblick in den Klostergarten und die Herstellung der Hausmittel. Sie verraten, was das Besondere an Hausmitteln aus dem Kloster ist.

In letzter Zeit kommen vermehrt Menschen zu uns, die von nervlichen Problemen, Schlappheit oder Husten geplagt sind», erzählt Sr. Michaela. Sie ist im Kloster Grimmenstein für die Herstellung und Produktion der Hausmittel verantwortlich. Die wichtigsten Zutaten dafür stammen aus ihrem Klostergarten. Für diesen ist Sr. Daniela zuständig. Der Garten ist für beide mehr als nur ein Arbeitsort. «Wenn endlich der Frühling kommt, können wir es meistens kaum erwarten, wieder im Garten zu sein und uns um die Pflanzen zu kümmern», sagt Sr. Daniela. Das weittläufige Grundstück mit Blick auf den Bodensee ist unterteilt in einen Kräuter- und einen Gemüsegarten. Über fünfzig Kräuter wachsen hier. Das Wissen über ihre Wirk- und Heilkräfte hat Sr. Daniela von ihren Vorgängerinnen gelernt und selber via Bücher und Internet erweitert. «Wir haben zwar alte Rezeptbücher, aber die Rezepte wurden immer mündlich weitergegeben», sagt sie. «Das Wissen um die Heilkräuter wird auch nicht innerhalb des Ordens oder mit anderen Klöstern ausgetauscht. Es sind die Rezepte von unserem Kloster.»

Altbewährte Rezepte
Verschiedene Stärkungsmittel, Tees, Tropfen, Salben, Pulver und Balsam – das Sortiment des Klosters Grimmenstein ist gross. Eines wird dabei aber auch sichtbar: Es geht um eine ganzheitliche Medizin. Die Mittel zielen nicht nur auf das Lindern von bestehenden Beschwerden ab, sondern setzen bereits bei der Prävention an. Dazu gehört auch eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Neu produzieren die Schwestern auch Kräutersalze für die Küche. Schon immer sei die Herstellung von Hausmitteln ein wichtiges Aufgabengebiet im Kloster St. Ottilia Grimmenstein gewesen. Entstanden ist das Kapuzinerinnenkloster im Jahr 1378 aus einer kleinen Beginengemeinschaft (halbklösterliche Gemeinschaft). Mit dem Verkauf von Hausmitteln sei es aber erst in den 1950er-Jahren richtig losgegangen. An ihre Vorfahrinnen erinnert im Lager ein Regal mit 100-jährigen Tontöpfen. «Das ist aber nur zur Zierde, wir arbeiten heute mit anderen Behältern.» Auch wenn die Hausmittel auf altbewährten Rezepten beruhen, werden die Rezepte immer wieder weiterentwickelt und an den aktuellen Wissensstand angepasst. Die wichtigste Zutat sei jedoch immer das Gebet. «Wir beten bei jedem Arbeitsschritt.» Mit dem Warenlift, der vor ein paar Jahren eingebaut wurde, geht es vom Erdgeschoss bis ins Dachgeschoss – dort haben Sr. Daniela und Sr. Michaela gerade frisch gepflückte Blüten zum Trocknen ausgelegt. Der Warenlift und die Anschaffung der einen oder anderen Maschine haben die Produktion vereinfacht, das meiste ist jedoch bis heute Handarbeit. Das sei körperlich manchmal anstrengend. «Doch es ist eine erfüllende Aufgabe und so etwas wie eine Berufung. Wir verstehen die Herstellung der Hausmittel als Dienst für die Menschen.» Motivierend seien für sie auch die Rückmeldungen, die sie bekommen: «Wir erfahren sehr viel Dankbarkeit – und dass die Menschen auf uns setzen, ist auch ein Ausdruck von Vertrauen.» Unterstützt werden die beiden Schwestern von zwei Angestellten, die stundenweise im Garten und in der Verarbeitung helfen. Der Verkauf der Hausmittel generiere für die Gemeinschaft ein wichtiges Einkommen. Trotzdem versuchen die Schwestern, die Produkte möglichst günstig anzubieten. «In unserer Gemeinschaft galt schon immer der Tenor: Die Produkte sollen für möglichst alle erschwinglich sein.»

Grosse Nachfrage
Im Unterschied zu anderen Klöstern hat das Kloster Grimmenstein keinen Shop – die Produkte werden an einem Schalter verkauft. «So können wir, wenn es gewünscht wird, die Menschen besser beraten», erklärt Sr. Michaela. Es gehe oft um viel mehr als nur um den Verkauf von Produkten: «Viele, die zu uns kommen, haben das Bedürfnis nach einem offenen Ohr: Sie möchten mit uns über ihre Sorgen und Nöte sprechen. Heute bleibt im Alltag oft kaum Zeit für Gespräche, deshalb ist es uns besonders wichtig, uns Zeit für die Menschen zu nehmen.» Das Angebot wird rege genutzt – es kommen Menschen aus der ganzen Deutschschweiz, aus dem benachbarten Vorarlberg und auch aus Deutschland. Viele würden durch Mund-zu-Mund-Propaganda auf das Kloster aufmerksam. Zu den Kundinnen und Kunden gehören Menschen, die mit der Kirche verbunden sind, aber auch Kirchenferne und auch Angehörige von anderen Konfessionen und Religionen. Die beiden Schwestern nehmen wahr, dass sich in den letzten Jahren wieder ein neues Bewusstsein für die Heilkräfte der Natur entwickelt hat. Das ist auch beeinflusst von Papst Franziskus, der mit seinem Lehrschreiben «Laudato si» auf die Schöpfungsverantwortung und die Natur als Schöpfung Gottes aufmerksam gemacht hat. «Zudem hat die Corona-Pandemie dazu geführt, dass sich viele wieder vermehrt überlegen, wie sie die natürlichen Abwehrkräfte und das Immunsystem stärken können», so Sr. Daniela.

Jugendliche zu Gast
Sechs Schwestern leben heute im Kloster St. Ottilia. Wie viele andere Klöster sind sie auch hier mit dem steigenden Altersdurchschnitt der Mitschwestern und ausbleibenden Neueintritten konfrontiert. Trotzdem blicken Sr. Daniela und Sr. Michaela gelassen in die Zukunft. «Da unsere Klosterkirche auch Pfarrkirche ist, sind wir mit vielen Menschen in Kontakt», sagt Sr. Daniela, «Wir bieten regelmässig Klostertage für junge Frauen an.» Sr. Michaela ergänzt: «Zudem sind auch immer wieder Firmgruppen oder Schulklassen bei uns zu Gast. Das ist für uns auch eine Möglichkeit, auf unsere Tradition aufmerksam zu machen und die Bedeutung der Heilpflanzen aufzuzeigen.» Für die Jugendlichen sei das oft ganz neu, aber sie würden sehr interessiert reagieren. Die beiden Schwestern rechnen auch in Zukunft mit einer Nachfrage nach Hausmitteln, die auf altbewährten Rezepten basieren. Sr. Michaela öffnet eine Kiste – es riecht sofort intensiv nach Sommerwiese – und greift nach einer Verpackung. «Das ist eine Neuheit», sagt sie und lacht, «wir haben unsere Tees umbenannt. Jetzt trägt jeder Tee den Namen einer Heiligen.» Es gibt einen Klara-Tee, einen Brigida-Tee und natürlich auch einen Tee mit dem Namen der Klosterpatronin Ottilia. Die Heiligen-Namen sollen bei den Käuferinnen und Käufer die Wiedererkennung stärken, aber gleichzeitig auch noch mehr in den Fokus rücken: Die Hausmittel aus dem Kloster Grimmenstein sind ganz eng verwoben mit dem Glauben der Schwestern und der Spiritualität der Kapuzinerinnen-Gemeinschaft.

Europäische Vereinigung für Traditionelle Europäische Medizin tagt in St. Gallen
In der medizinischen Prävention und Therapie wird das uralte Wissen um die Heilkräfte der Pflanzen – das im europäischen Raum zum grossen Teil auf den Klöstern und berühmten kirchlichen Pionieren wie der Heiligen Hildegard von Bingen oder den Priestern Sebastian Kneipp und Johannes Künzle beruht – wieder neu entdeckt. Am 17. Juni 2023 hält die Europäische Vereinigung für Traditionelle Europäische Medizin TEM ihre Gründungsversammlung im Stiftsbezirk St. Gallen ab (Musiksaal des Dekanatflügels). Die Gründungsversammlung ist gleichzeitig eine Tagung, bei der Fachleute für TEM und interessierte Laien Wissen über die TEM austauschen und sie gemeinsam vorwärtsbringen, wie die Organisatoren auf ihrer Website schreiben. Es referieren verschiedene Expertinnen und Experten aus den Bereichen Pharmazie, Ernährungswissenschaften und Komplementärmedizin. Unter den Referenten ist auch Cornel Dora, Stiftsbibliothekar. Dieser spricht über das Kloster St. Gallen als ein Ort des Heilens im Frühmittelalter.
Infos TEM: https://tem-forum.org
Text: Stephan Sigg
Bild: Regina Kühne
Veröffentlichung: 24.05.2023