Theaterstücke aus dem Kloster

Sr. M. Vero­ni­ka Kucha­ro­va hat im Archiv des Klos­ters Magden­au (Wolferts­wil) einen ­beson­de­ren Fund gemacht: 30 Thea­ter­stü­cke über den turbu­len­ten Klos­ter­all­tag, die Sr. Sophia zwischen 1937 und 1947. verfass­te und im Klos­ter zur Auffüh­rung brachte.

Sr. M. Vero­ni­ka Kucha­ro­va zieht aus einem Schu­ber mehre­re Manu­skrip­te. Auf einem prangt der Titel «Die Wieder­eröff­nung der Klos­ter­apo­the­ke im Klos­ter Magden­au». Im Stück wirken mit: eine Dokto­rin und drei Pati­en­ten. «In dieser lusti­gen Geschich­te geht es um eine Klos­ter­frau, die als Dokto­rin drei Pati­en­ten behan­deln will – und zwar alle mit Wermut», fasst Sr. Vero­ni­ka zusam­men. Es ist eine fikti­ve Geschich­te, aber sie nimmt humor­voll Bezug auf die stren­ge Ausle­ge­ord­nung einer klös­ter­li­chen Klau­sur, die jeden Kontakt gegen aussen verbie­tet, so wie sie das Konzil von Trient gefor­dert hat.

Sr. M. Vero­ni­ka fand im Klos­ter­ar­chiv dreis­sig Theaterstücke.
Für jedes Thea­ter­stück wurde ein Titel­bild gezeichnet.

Von Krea­ti­vi­tät beeindruckt

Beim Gespräch mit Sr. Vero­ni­ka merkt man sofort: Die Ordens­frau hat sich akri­bisch mit der dich­ten­den Nonne Sr. Sophia beschäf­tigt. Voller Begeis­te­rung schüt­telt sie Episo­den und Details aus deren Leben, Stücken und dem Klos­ter­all­tag Anfang des 20. Jahr­hun­derts aus dem Ärmel. Aktu­ell schreibt sie an der Univer­si­tät Wien eine Master­ar­beit über sie. «Mich beein­druckt ihre Krea­ti­vi­tät», sagt Sr. Vero­ni­ka. Sie ist im Klos­ter für das Archiv zustän­dig. Als sie dort auf die Thea­ter­stü­cke stösst, ist ihr Inter­es­se sofort geweckt: «Ich trat 1993 ins Klos­ter Magden­au ein», erzählt die gebür­ti­ge Tsche­chin, «ich kann mich erin­nern, dass wir damals die Todes­an­zei­ge von Sr. Sophia aus Däne­mark erhal­ten haben.»

Sr. Vero­ni­ka: «Die Thea­ter­stü­cke geben Einbli­cke in den dama­li­gen Klosteralltag.»

Humor­vol­le Stücke

Die Thea­ter­stü­cke von Sr. Sophia doku­men­tie­ren den Alltag im Klos­ter, aber auch ein Stück Zeit- und Ordens­ge­schich­te. «Die Stücke sind nicht nur spiri­tu­ell, sondern auch sehr humor­voll», hält Sr. Vero­ni­ka fest. Die Schwestern schlüpf­ten oft auch in Männer­rol­len. Aufge­führt wurden die Thea­ter­in­sze­nie­run­gen jeweils zum Wahl­tag der Äbtis­sin. Den Doku­men­ten ist zu entneh­men, dass für die Proben und Requi­si­ten ein gros­ser Aufwand betrie­ben wurde. «Aufge­führt wurden die Stücke aber nur für die Schwes­ter­ge­mein­schaft», so Sr. Vero­ni­ka. Ausge­wähl­te Gäste durf­ten dem Stück durch das Gitter der Klau­sur beiwoh­nen. «Die Stücke soll­ten Iden­ti­tät stif­ten, aber auch unter­hal­ten.» Die Stücke entstan­den mitten in der Zeit des Zwei­ten Welt­krie­ges. «Dies kommt in den Stücken aber nie expli­zit vor», sagt Sr. Vero­ni­ka, «damals lebten 70 Schwes­tern im Klos­ter, wahr­schein­lich war die Angst zu gross, dass etwas davon nach draus­sen dringt und die Gemein­schaft in Bedräng­nis brin­gen könnte.»

Oft spiel­ten die Ordens­frau­en auch Männerrollen.

Ein Zeichen setzen

Das Klos­ter­ar­chiv enthält 30 Thea­ter­stü­cke aus der Feder von Sr. Sophia. «Da in manchen Schrif­ten auch noch ande­re Stücke erwähnt sind, die ich nicht im Archiv finden konn­te, muss man davon ausge­hen, dass im Klos­ter Magden­au auch ande­re Schwes­tern Thea­ter­stü­cke geschrie­ben haben.» Dass Sr. Vero­ni­ka die Thea­ter­stü­cke zum Thema ihrer Master­ar­beit an der Univer­si­tät Wien gewählt hat, kommt nicht von unge­fähr. Ihr geht es darum, ein Zeichen zu setzen: «Während die Archi­ve der Männer­klös­ter gut erforscht sind, hat sich noch kaum jemand mit den Archi­ven der Frau­en­klös­ter beschäftigt.»

Von Flawil nach Dänemark

Die Flawi­le­rin Hulda Gimmi tritt 1924 ins Klos­ter Magden­au und nimmt den Ordens­na­men Maria Sophia an. 1950 wird die sprach­be­gab­te Ordens­frau als Prio­rin in ein Zisterzienserkloster in Däne­mark beru­fen. Auch dort soll sie geschrie­ben haben, es sei über­lie­fert, dass in Däne­mark Musi­cals von ihr aufge­führt wurden. Im Klos­ter Magden­au hinge­gen scheint nach dem Wegzug von Sr. Sophia die Tradi­ti­on der Thea­ter­stü­cke nicht fort­ge­führt worden zu sein. Auch heute werden im Klos­ter Magden­au keine Thea­ter­stü­cke aufge­führt. Die über 80 Jahre alten Dreh­bü­cher enthal­ten laut Sr. Vero­ni­ka eine wich­ti­ge Botschaft: «Für mich wird darin ganz deut­lich sicht­bar, welche Früch­te der christ­li­che Glau­be tragen kann, wenn er ganz­heit­lich gelebt wird und alle ihre persön­li­chen Bega­bun­gen einbrin­gen können.» Mit ihrer Master­ar­beit möch­te sie einen Beitrag dazu leis­ten, dass die ausser­ge­wöhn­li­che Ordens­frau nicht verges­sen geht.

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 25. Novem­ber 2024

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