Leserfrage: Wie findet man als Erwachsene neue Freunde?

Die Seel­sor­ge­rin Betti­na Flick erzählt, wie es ihr gelang, nach einem Umzug vom Toggen­burg ins Linth­ge­biet neue Freun­de zu finden. 

Vor gut zwei Jahren bin ich berufs­mäs­sig vom Toggen­burg ins Linth­ge­biet gezo­gen. Zuerst war die Versu­chung da, meinen alten Wohn­ort mit Freun­den und vielen guten Bezie­hun­gen nicht aufzu­ge­ben und lieber täglich zu pendeln.

Ich habe mich dann entschie­den, ganz ins Linth­ge­biet zu ziehen und einen neuen Anfang zu wagen. Dieser Neuan­fang ist nicht nur beruf­lich sehr geglückt. Natür­lich hat mir mein Beruf als Seel­sor­ge­rin auch gehol­fen, Menschen kennen­zu­ler­nen. Aber dass daraus in kurzer Zeit Freund­schaf­ten entstan­den, hat wohl auch haupt­säch­lich mit zwei Haltun­gen zu tun: Die erste ist meine Entschie­den­heit, mich am neuen Ort wirk­lich zu verwur­zeln. Und die zwei­te ist meine Neugier.

Lieb­lings­or­te kennengelernt

In den ersten Wochen habe ich über­all herum­ge­schaut, was mir hier am neuen Ort Freu­de berei­ten könn­te. Ich habe das Inter­net genau­so durch­fors­tet wie die Kleinanzeigen bei den Super­märk­ten und im Bioladen, habe die Plakat­wän­de studiert und immer mehr auch Menschen, die ich zufäl­lig traf, ange­spro­chen. Ich habe meinen Inter­es­sen entspre­chend nach Wander- und Velowegen gefragt, mich erkun­digt, wo es über­all Hoflä­den gibt, und vieles auch besucht. Beson­ders die Frage nach einem Lieb­lings­platz war ein rich­tig­ge­hen­der «Tür-Öffner», gern haben mir ganz unter­schied­li­che Leute erzählt, wo sie sich gern aufhal­ten. Manche haben es mir auch gezeigt. Dann kam mein erster Geburts­tag im Linth­ge­biet. Es wäre einfach und nahe­lie­gend gewe­sen, einen schö­nen Abend mit meinen alten Freun­din­nen und Bekann­ten zu gestal­ten. Aber ich nahm meinen Mut zusam­men und lud nur neue Bekannt­schaf­ten von vor Ort ein. Es kamen viel weni­ger Gäste, als ich erwar­tet hatte. Ich hatte noch eini­ge Zeit damit zu tun, die Gemüse-Sticks und die Kuchen selbst zu essen. Und doch war diese Einla­dung wie ein Signal: Die Menschen spür­ten, dass ich mich hier wirk­lich einlas­sen möchte.

Hilfe anneh­men

Als ich vor einem halben Jahr einen Velounfall hatte, durf­te ich erle­ben, wie das neue Netz trägt. Kaum war ich vom Spital daheim in meiner Wohnung, kam ein Anruf: «Betti­na, ich mache gera­de Risot­to. Soll ich eine Porti­on für dich mitko­chen und vorbei­brin­gen?» Solan­ge die viel­fäl­ti­gen Brüche noch nicht verheilt waren, haben mir Menschen Essen nach Hause gebracht, mich zum Arzt gefah­ren oder waren für mich einkau­fen. Jemand bot mir sogar an, meine Wohnung zu putzen. Ich muss­te manch­mal über meinen Schat­ten sprin­gen, um diese Ange­bo­te zu akzep­tie­ren. Und zugleich hat auch jede Hilfe, die ich anneh­men konn­te, das Band der Freund­schaft gestärkt. Entschie­den­heit, Neugier und die Offen­heit, sich beschen­ken zu lassen, haben mir gehol­fen, neue, wunder­vol­le Freund­schaf­ten zu finden.

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Text: Betti­na Flick, Seel­sor­ge­rin, Seel­sor­ge­ein­heit Obersee

Veröf­fent­li­chung: 10. Dezem­ber 2024

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