Wie haben unsere Grosseltern gekocht und wie tun wir das heute? Und wer hat überhaupt noch Zeit, stundenlang Tomatensauce einzukochen? Ein Besuch bei Köchin und Ernährungsexpertin Martina Enderlin in Bühler zeigt, wie wir auch mit knapper Zeit, gesunde Gerichte zubereiten können. Das geht mit wenigen Zutaten und passt als Vorsatz in die Fastenzeit.
Schon im Treppenhaus riecht es fein nach Essen. Es geht die Stufen hinauf, vorbei an einem Blumenladen und einem Kosmetikstudio. Im Dachstock des alten Gebäudes an der Dorfstrasse 108 mitten in Bühler hat Martina Enderlin ihr Küchenstudio eingerichtet. Die gar gekochten roten Linsen hat sie gerade abgetropft. In einer Bratpfanne brutzeln Pouletstreifen mit fein geschnittenen Lauchstreifen. «Im Fokus stehen bei mir immer die Proteine, die wir anstelle von Zucker und Weizen viel häufiger essen sollten», sagt die 38-Jährige. Sie ist ausgebildete Köchin, Ernährungscoach sowie Musikerin und Mitglied der Enderlin Chicks. Diese sind hierzulande für ihre Mundart-Lieder und ihren Country-Folk aus dem Appenzellerland bekannt.
In ihrem Studio «Küchenfreunde» gibt sie normalerweise Kochkurse rund um das Thema gesunde Ernährung sowie Coachings zu inneren Ess- und Verhaltensmustern. An diesem Vormittag hat sie für das Pfarreiforum allerdings ein Gericht entworfen. Dieses soll in die Fastenzeit passen, so der Wunsch der Redaktion. Denn wer nicht gleich richtig fasten möchte, könnte die kommenden Wochen bis Ostern auch einmal zum Anlass nehmen, bewusster zu kochen, sich auf weniger Zutaten zu beschränken und sich dafür mehr auf die einzelnen Geschmäcker einzulassen.
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Ernährungsluxus mit Donuts
Eine Proteinbowl soll es sein. Nebst Linsen, Poulet- und Lauchstreifen ergänzt Martina Enderlin diese mit Feta und gerösteten Sonnenblumen- und Kürbiskernen, etwas Öl, Essig, Salz und Pfeffer. «Ich neige schon seit Längerem dazu, ausser mit frischen Kräutern nur wenig zu würzen. So schmeckt man die einzelnen Zutaten eines Gerichtes besser heraus», sagt sie und fügt an: «Weniger ist meistens mehr und eine gute Küche muss nicht unbedingt zeitaufwendig sein.» Geröstete Kerne etwa könne man in grösseren Mengen als Reserve vorbereiten. Eine Bowl lasse sich kalt oder warm servieren, so spare man je nachdem Zeit ein und könne Speisen auch schon im Vorfeld zubereiten. «Unser Alltag heute ist schnelllebig. Kaum jemand hat Zeit, stundenlang Tomatensauce einzukochen. Dieser häusliche Aspekt von Kochen ist verloren gegangen», sagt sie. Hinzu komme, dass wir von einem Ernährungsluxus umgeben seien. Wer in einen Supermarkt gehe, finde dort ein so grosses Angebot an Nahrungsmitteln, dass der eigentliche Aspekt von Kochen und Essen, nämlich sich gesund und bewusst zu ernähren, schnell in den Hintergrund rücke. «Dabei gibt es eine einfache Faustregel, die uns helfen würde: Alles, was schnell gemacht und weich ist, sollten wir weglassen», sagt sie und nennt als Beispiel die Donuts, die sich bereits am Morgen im Supermarkt nebenan neben den Gipfeli im Regal stapeln würden.
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Mit Stangensellerie in den Tag
Apropos Gipfeli: Während die Bowl noch etwas abkühlt und zieht, schnappt sich Martina Enderlin den Stangensellerie, einen Apfel und den Entsafter. «Idealerweise wäre ein Glas davon unser Gipfeli am Morgen», sagt sie. Schon sprudelt der giftgrüne, supergesunde Saft in den Auffangbehälter. In Weingläsern serviert, erinnert er beinahe an einen Cocktail. Der Stangenselleriesaft schmeckt gesund und gar nicht so schlecht wie erwartet. Im Gegenteil: Mit jedem Schluck wird er besser und ist am Ende richtig gut. Einmal im Jahr zu fasten oder sich bewusst zu ernähren, kann Martina Enderlin allen empfehlen, weil es helfe, seine eigenen Muster zu reflektieren. Sie selbst hat einmal an einer begleiteten Fastenwoche mitgemacht. «Ich fand es eine interessante und harte Erfahrung zugleich», sagt sie und erwähnt zum einen das Körperliche wie das Gefühl fürs Kauen, das sie verloren habe, sowie das gesteigerte Verlangen zu trinken. «Zum anderen wurde ich emotional durchlässiger. Die Zeit, die ich sonst zum Essen brauchte, musste ich auf einmal anders füllen», sagt sie.
Wie in Grossmutters Küche
Das Thema gesunde Ernährung begleitet Martina Enderlin, seit sie als junge Frau eine Lehre als Köchin im Appenzellerhof in Speicher machte. «Ich war die Einzige in meiner Klasse, die in einem Biorestaurant arbeitete. Das ganze Jahr Lattich zubereiten zu müssen, fand ich damals zwar nicht so cool. Ich habe dadurch aber viel Wertvolles gelernt, das mich geprägt hat.» Später arbeitete sie in einem Gault-Millau-Sternerestaurant, bevor sie sich zu einer Ausbildung als Coach entschloss. Heute biete sie verschiedenste Koch- und Gesundheitskurse an, die vom Fermentieren über die Darmgesundheit und ganzheitliche gesunde Ernährung bis zu Grossmutters Küche reichen. In Bezug auf letzteren Kurs sagt sie: «Würden wir uns so ernähren wie unsere Vorfahren, wären wir gesünder.»
Freude und Neugier teilen
Martina Enderlin füllt die Bowl in kleine Gläser um. Für alle gibt es eines zum Probieren. Aufs Hungergefühl achten und sich fragen, «wie, wie viel und warum esse ich» ist einer der Tipps, den sie ihren Kursbesucherinnen und Kursbesuchern mit auf den Weg gibt. «Auch in der Gemeinschaft essen, kann dabei helfen», sagt sie: «Etwa dann, wenn man die Neugier und Freude am Ausprobieren miteinander teilt.»
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Infos auf www.kuechenfreunde.ch
Das Rezept: Linsenbowl
- Rote Linsen kochen und abtropfen.
- Pouletgeschnetzeltes anbraten, danach fein geschnittene Lauchstreifen mitdünsten.
- Mit Salz und Pfeffer würzen.
- Sonnenblumen- und Kürbiskerne in einer Pfanne auf niedriger Stufe einige Minuten ohne Fett rösten.
- Apfel und Feta würfeln.
- Linsen, Pouletgeschnetzeltes, Kerne sowie Apfel- und Fetawürfel in eine Schüssel geben und mit Öl, Essig, Honig, Salz und Pfeffer würzen
Text: Nina Rudnicki
Bilder: Ana Kontoulis
Veröffentlichung: 20. Februar 2025