Grosswetterlage steht auf Sturm, es rollen mehrere Gewitter heran. Wo politisch und global positive Anhaltspunkte weniger werden, frage ich mich, woher die Zuversicht kommen soll.
Vielleicht von vermeintlich kleinen Momenten, wenn mein Kleinster mit grossen Augen und gespitzten Ohren meinem Erzählen horcht, der Espresso am Gleis meine Sinne kurz nach Norditalien versetzt, die Bekannten trotz Raketenalarm ihren Humor nicht verlieren, ein Freund sich nach langer Funkstille wieder meldet, der Regen aufs Glas prasselt und sein Rhythmus eine Ruhe spürbar macht, mein Stossgebet ein hörendes Gegenüber suggeriert, die Musikboxen mich mit einer Melodie woandershin versetzen, meine Füsse zu tänzeln beginnen.
Wo Einvernehmen entsteht
Es können solche Miniaturen tiefgehender Erfahrungen sein, wo mir Hilfe zugesagt wird, bevor ich fragen konnte, oder wo ich was Unwichtiges unwichtig sein lassen kann. Es kann das erfrischende Glas Saft von der Solawi sein, das Rotkehlchen im Zwergahorn, eine fruchtbare Fussnote, das Winken am Fenster, die Umarmung zum Abschied, das Danke fürs Gekochte. Aber auch, wo die Bustür sich doch noch öffnet, wo aus einer verfahrenen Diskussion Einvernehmen entsteht, wo etwas Falsches ohne Vorwurf benannt wird, wo ein Gedanke weite Kreise zieht oder Schneeflocken das Grau zudecken.
Das sind Senfkörner gegen meine Furcht vor der Zukunft, Keimzellen der Freude an Neuem, Blüten gegen das Resignieren. Meine Gewährsphilosophin nennt sie ganz einfach Wundermomente.
Text: Gregor Scherzinger, Caritas St. Gallen-Appenzell
Bild: zVg
Veröffentlichung: 17. Januar 2025