Das Quarten hat sich gelohnt

Die öster­rei­chi­sche Kinder­buch­au­to­rin Lena Raubaum aus Wien erin­nert sich für das Pfar­rei­fo­rum an die Jung­schar­la­ger bei den Schön­statt­schwes­tern in Quar­ten über dem Walensee.

Soll­te mich jemals jemand anru­fen, der bei «Wer wird Millio­när?» vor der Frage zittert, welche Masse der Walen­see habe, erhält von mir als Joker prompt die Antwort: «15,5 Kilo­me­ter lang, 150 Meter tief, zwei Kilo­me­ter breit!» Gewiss: Orts­kun­di­ge Menschen wissen das. Aber ich vermu­te mal, vielen Menschen in Öster­reich ist das nicht bewusst, geschwei­ge denn, wie atem­be­rau­bend schön dieser See ist, beschützt von den majes­tä­ti­schen Chur­firs­ten. Die Einzi­gen, die das in Öster­reich wissen könn­ten, sind die Jung­schar­kin­der der Pfar­re Alt-Ottakring des 16. Wiener Gemein­de­be­zirks. Diese Jung­schar­kin­der fuhren über Jahr­zehn­te nach Quar­ten auf Jung­schar­la­ger. Eines davon war ich.

Lena Raubaum verbrach­te mehre­re Jung­schar­la­ger in Quar­ten über dem Walen­see. Heute ist sie eine erfolg­rei­che öster­rei­chi­sche Kinderbuchautorin.

Weil es so schön war

Der Walen­see war das Zeichen dafür, dass es nicht mehr weit war. Rund 80 Mädchen zwischen sechs und 16 Jahren, die stun­den­lang per Bahn oder Bus unter­wegs gewe­sen waren, jubel­ten. Der See rück­te das Ende einer sehr langen Reise in Sicht, einer Reise, auf der Lieder, Vorle­se­zeit, Jausen­tausch­bör­sen, Schläf­chen und Witze­run­den die Zeit verkürzt hatten. Während die Jung­schar­lei­tung Gitti per Busmi­kro­fon die Details erzähl­te, die mich zu einem guten Joker machen, bog der Bus bereits den Berg hinauf. Nach ein paar Kurven waren wir da: in Neu-Schönstatt in Quar­ten. Kaum ange­kom­men – spätes­tens beim Abend­essen –, begrüss­te uns eine der allge­gen­wär­ti­gen Mari­en­schwes­tern  mit der wunder­ba­ren Würze von Schwi­zer­dütsch in ihren Worten. Dadurch, dass wir als Grup­pe für uns waren, hatten wir nicht allzu viel Inter­ak­ti­on mit den Schönstatt-Schwestern. Doch wir begeg­ne­ten ihnen, manche fallen mir jetzt wieder ein. Die eine mit der gros­sen Bril­le, bei der wir an der Rezep­ti­on Karten und Brief­mar­ken kauf­ten. Die ande­re mit der blau­en Schür­ze, die im Garten arbei­te­te. Die Junge, die immer, immer lächelte.

Wieso fuhren Mädchen- und Buben­jung­schar­grup­pen (stets getrennt!) ausge­rech­net von Wien in die Schweiz auf Jung­schar­la­ger? Ehrlich gesagt: Ich weiss es nicht. Aber einer der Grün­de war gewiss: Weil es so schön war! Allein für das Panora­ma zahl­te sich jeder Kilo­me­ter aus. Genau­so für das klei­ne Wald­stück oder die Spiel­wie­se samt Teich vor dem Zentrum, auf der wir das Schwung­tuch schwan­gen, Feld­mes­se feier­ten, Ball spiel­ten. Dabei muss­ten wir übri­gens aufpas­sen, dass der Ball nicht die Böschung runter­rol­len würde. (Heute steht da ein Zaun. Gute Entschei­dung!) Und natür­lich schätz­ten wir das Zentrum an sich. Die Schlaf­sä­le mit je sechs Kojen, in denen morgens Musik erschall­te, um uns zu wecken. Ich weiss auch noch, dass man über die Kästen perfekt von Koje zu Koje klet­tern konn­te (war eigent­lich nicht erlaubt, bitte nicht melden!) und dass man natür­lich jedes Geräusch mitbe­kam. Zum Beispiel auch, wie einmal eine Jung­schar­füh­re­rin während eines Lach­an­falls einschlief.

Eine bunte Gemeinschaft

Dank dieser Wochen lern­ten wir vieles an der Schweiz kennen und lieben. Unzäh­li­ge Orte, manche mit vielen, ande­re mit etwas weni­ger Höhen­me­tern. Ich glau­be, ich muss unbe­dingt mal wieder dem Verkehrs­mu­se­um in Luzern, Knies Kinder­zoo und dem Säntis einen Besuch abstat­ten. Ah, und der Migros in Sargans. Der war das High­light am Ende unse­res Lagers. Dort kauf­ten wir nicht nur haufen­wei­se Appen­zel­ler Biber­li, Scho­ko­stäng­li oder Toblerone-Schoki. Dort gingen wir vor allem liebend gern aufs Klo, weil dessen Ästhe­tik und Hand­creme immense Begeis­te­rung in uns auslösten.

Sicher, vieles, das man auf einem Jung­schar­la­ger erlebt, erlebt man über­all. Eine bunte Gemein­schaft. Morgen­ge­be­te. Abend­lob. Fackel­wan­de­run­gen. Küchen­dienst. Strei­te­rei­en. Spie­le­aben­de. Ein spiri­tu­el­les Wochen­the­ma. Heim­weh. Zusam­men­halt. Und noch mehr. So viel mehr. Doch ich bin zutiefst dank­bar, dass ich all das an einem beson­de­ren Ort in St. Gallen erle­ben durf­te und dass ich mit dem Brust­ton der Über­zeu­gung schrei­ben kann: Dieses Quar­ten, das hat sich gelohnt.

Text: Lena Raubaum

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 27.06.2024

Lena Raubaum

Lena Raubaum, gebo­ren 1984 in Wien, hat für ihre Kinder­bü­cher viele Prei­se erhal­ten. Als Kind verbrach­te sie mehre­re Sommer bei den Schön­statt­schwes­tern in Quar­ten. «Das hat mein Bild von der Schweiz geprägt», sagt sie. Diesen Erin­ne­rungs­text hat sie auf Einla­dung des Pfar­rei­fo­rums verfasst. 

Zuletzt ist ihr Kinder­buch «Ungal­li» über die Kraft der Wieder­ho­lung erschie­nen. Sie erzählt eine afri­ka­ni­sche Legen­de  in neuen Worten: Wie merkt man sich etwas wirk­lich? Was ist beim Lernen von Neuem das Aller­wich­tigs­te? Und was haben ein Baum, seine Früch­te, eine Gazel­le, ein Elefant und eine Schild­krö­te damit zu tun? ­www.lenaraubaum.com

Kinder­buch «Ungal­li» von Lena Raubaum.

Das Zentrum Neu-Schönstatt der katho­li­schen Schön­statt­be­we­gung in Quar­ten ist heute ein moder­nes Bildungs- und Tagungs­haus und steht für Einzel­per­so­nen, Fami­li­en und Grup­pen offen. 

Pfarrblatt im Bistum St.Gallen
Webergasse 9
9000 St.Gallen

+41 71 230 05 31
info@pfarreiforum.ch