Klaus Gremminger ist nicht nur Seelsorger in Niederuzwil, sondern auch Zauberer. Im Gespräch erzählt er, wie Zauberkunststücke und Überraschungen den Alltag bereichern und unseren Verstand herausfordern.
Wieso brauchen wir Überraschungen? Und wieso sollen wir uns auf eine Zaubershow einlassen, wo wir in Zeiten von Netflix & Co. doch viel modernere und rasantere Unterhaltungsformen gewöhnt sind? Klaus Gremminger öffnet die Tür zu einem hellen Sitzungszimmer im Pfarreizentrum Niederuzwil. Darin stehen ein Koffer und ein Tisch mit schwarzem Tischtuch. Länger als Seelsorger ist der 46-Jährige schon Zauberer. Seit er als Kind einen Zauberkasten geschenkt bekam und an seiner Schule den bekannten Kinderzauberer Hardy sah, hat ihn die Faszination für Zauberei nicht mehr losgelassen.
Den Verstand herausfordern
Poesie, Theaterspielen, Psychologie und die Kunst, die Aufmerksamkeit des Publikums gut zu lenken: Das ist es, was Zauberei für Klaus Gremminger ausmacht. «Das Überraschende dabei ist, wie schnell wir Menschen uns täuschen lassen», sagt er. Als Beispiel nennt er ein neues Zauberkunststück an einem Zauberkongress. «Wenn ich dann erfahre, wie es funktioniert, denke ich oft, dass ich darauf auch selber hätte kommen können», sagt er. Zauberei mit all ihren Überraschungen brauchen wir laut Gremminger, da sie den Verstand herausfordert und wir Dinge sehen, die einfach nicht sein können. Ein gutes Beispiel dafür sind die Klein-Illusionen. Es handelt sich dabei um eine Holzkiste, die die Zauberkunststücke berühmter Zauberer in Miniatur nachgebaut enthält. Gebannt schaut man nun zu, wie Klaus Gremminger die Jasskarte Dame in einen kleinen Käfig sperrt, mit Schwertern durchbohrt und die Karte anschliessend unversehrt wieder herauszieht – wobei er mit Worten zu diesem Effekt die traditionelle Rolle von Frauen in der Zauberkunst hinterfragt. Diese Kleinillusionen hat er von dem befreundeten Flawiler Zauberer Frizano übernommen, als dieser selbst zu alt wurde um als Zauberer aufzutreten. «Das faszinierende daran ist, dass man in einem kleinen Kreis und ganze Nahe an diesen Illusionen sitzt, aber halt dennoch nicht sieht, wie der Trick funktioniert», sagt er. Zauberei spreche aber auch die Sehnsüchte der Menschen an. Ein Seil, das in zwei Teile geschnitten ist und durch Zauberei wieder eines wird, löse etwa unbewusst die Sehnsucht nach Heilung aus. Und mentale Zaubertricks wie Gedankenlesen würden immer für die Sehnsucht nach Verbindung stehen. «Wer möchte seinem Partner oder seiner Partnerin nicht die Wünsche von den Augen ablesen können», sagt er.

Von den Wundern des Lebens erzählen
Als Zauberer hat Klaus Gremminger aber auch selbst gelernt, mit Überraschungen umgehen zu können. «Wer mit Live-Publikum arbeitet, muss immer darauf gefasst sein, dass etwas Unerwartetes passiert», sagt er. Gehe etwas schief oder funktioniere ein Trick mit dem Publikum nicht, dann müsse man sich eben rauswinden und weitermachen. «Zauberei ist schlussendlich ein Spiel und es braucht die Kooperation des Publikums, sei es an privaten Anlässen oder an Zaubermeisterschaften», sagt er. Am liebsten zaubert Klaus Gremminger aber vor kirchlichem Publikum, etwa im Rahmen eines Gottesdienstes oder von Impulsveranstaltungen. Er nennt dies spirituelle Zauberkunst. Diese erzähle von Hoffnungen und Wünschen, von Liebe und Sehnsucht und von den Wundern des Lebens. Symbolhaftigkeit und Poesie stehen laut Gremminger im Mittelpunkt dieser Zauberkunststücke. Er nimmt einen Stapel bunter Papiere aus dem Koffer und faltet diese auf und wieder zu und erzählt dazu die Geschichte eines kleinen Heiligen, der einen Schatz sucht. Am Ende des Tricks verwandelt sich eines der zuvor leeren Blätter in ein Blatt voller Sterne – Der kleine Heilige hat den Sternenhimmel, den Schatz, in sich selber gefunden.

Vom Seelsorger zum Zauberer
Theologie hat Klaus Gremminger, der aus Freisingen in Deutschland kommt, in München studiert. Zunächst war das die Spiritualität und das Fach selbst, die ihn interessierten. Während des Studiums merkte er, dass er Seelsorger werden wollte und entschied sich gemeinsam mit seiner Ostschweizer Frau, die ebenfalls in München Theologie studiert hatte, für das Bistum St. Gallen. Sein Standbein nennt er Theologie und Seelsorge, sein Spielbein Zauberei und Jonglage. Doch wie funktioniert das, dass das Publikum, das ihn häufig als Seelsorger erlebt, auch als Zauberer ernstnimmt? Klaus Gremminger nimmt einige Jonglierbälle in die Hand und beginnt sie im Kreuz zwischen den Händen hin und her zu werfen, so wie er es häufig zu Beginn seiner Shows tut. «Ich bleibe immer Seelsorger. Wenn ich jongliere, fliegen die Bälle im Kreuz – wie ein permanenter Segen», sagt er. Dann werden die Bahnen, in denen er die Bälle wirft, wilder und abwechslungsreicher. Das Auge kann kaum folgen. Er sagt: «Als Zauberer ist es meine Aufgabe euch zu verwirren und abzulenken.»
→ www.klausgremminger.com
Text: Nina Rudnicki
Bilder: Ana Kontoulis
Veröffentlichung: 31.12.2022