Am 4. Oktober wird in Romanshorn die Initiative «Tierfreundliche Kirche» lanciert. Mit der Unterzeichnung einer Selbstverpflichtung können sich Pfarreien und andere kirchliche Institutionen künftig verpflichten, sich für das Wohl und die Würde der Kühe, Vögel und Bienen einzusetzen. Der ökumenische Arbeitskreis Kirche und Tier (AKUT) hofft, dass durch diese Initiative der respektvolle Umgang mit Tieren wächst.
Frau Schneider, warum lancieren Sie die Initiative «Tierfreundliche Kirche»?
Eveline Schneider Kayasseh: «Wir Menschen stehen heute vor der grundlegenden Herausforderung, das Zusammenleben mit den Tieren zu überdenken und uns einen lebensfreundlicheren und gerechteren Umgang mit ihnen anzueignen. Tiere sind Individuen mit Selbstzweck, unabhängig von einem Nutzen für den Menschen. Auch in der Kirche braucht es ein neues Bewusstsein für den Eigenwert der Tiere als unsere Mitgeschöpfe. Die christliche Verantwortung muss so verstanden werden, dass sie sich auf die gesamte Schöpfung erstreckt. Pfarreien, Kirchgemeinden und andere kirchliche Institutionen, die sich für Ökologie einsetzen, können sich bisher mit dem Label »Grüner Güggel« zertifizieren lassen. Die Selbstverpflichtung für eine tierfreundliche Kirche rückt nun ergänzend auch das Tier gezielter in den Fokus.»
Wann ist denn eine Pfarrei tierfreundlich?
«Ein mitfühlender und rücksichtsvoller Umgang mit Tieren zeigt sich auf verschiedene Arten: Werden auf kirchlichen Grundstücken Lebensräume für Tiere geschaffen – wie zum Beispiel durch Anbringen von Nistkästen für Vögel? Werden vermehrt vegetarische oder vegane Apéros angeboten? Kommen Tiere im kirchlichen Leben und Denken vor? Mit der Unterzeichnung der Selbstverpflichtung wird ein Prozess in Gang gesetzt, bei dem kontinuierlich Umsetzungsmassnah-men für die Grundsätze zur Tierfreundlichkeit getroffen werden. Ideal wäre, wenn in den Pfarreien eine Kommission oder ein Team für dieses Anliegen gegründet würde. Das sorgt dafür, dass das Thema im Fokus bleibt.»
Aber genauso wichtig ist es, dass Tiere allgemein häufiger in der Liturgie und im kirchlichen Denken vorkommen.
Eveline Schneider
Tiersegnungen gibt es inzwischen in vielen Pfarreien. Braucht es noch mehr von diesen Angeboten?
«Tiersegnungen oder andere liturgische Angebote mit unseren Mitgeschöpfen begrüssen wir sehr. Aber genauso wichtig ist es, dass Tiere allgemein häufiger in der Liturgie und im kirchlichen Denken vorkommen. Wenn sie zum Beispiel in den Gebeten oder in der Predigt erwähnt werden, wird ein Bewusstsein für Tiere gefördert. Es geht dabei auch darum, die Ambivalenz sichtbar zu machen: Auf der einen Seite die grosse Liebe zu Katzen und Hunden, auf der anderen Seite das Leid der Nutztiere. Die Kirchen haben hier eine besondere Verantwortung: Sie vermitteln Werte und leben sie vor. Dadurch können sie in der Gesellschaft als Multiplikatoren für dieses überaus wichtige Anliegen wirken.»
Wie viele Pfarreien haben schon Interesse an der Selbstverpflichtung angemeldet?
«Wir stehen am Anfang und gehen erst am 4. Oktober in Romanshorn mit unserer Initiative oziell an die Öffentlichkeit. Der dortigen ehemaligen Gemeindeleiterin Gaby Zimmermann ist die Schöpfungsverantwortung ein wichtiges Anliegen. Wir wollen danach aktiv auf Pfarreien und andere kirchliche Institutionen zugehen. Wir möchten sie auch motivieren, künftig den 4. Oktober – den Gedenktag des Heiligen Franz von Assisi – alljährlich als Impulstag für die Verantwortung für die Tiere mit einem Gottesdienst oder Bildungsveranstaltungen zu feiern.»
Weitere Informationen: www.tierfreundlichekirche.ch
Stephan Sigg