Seit 30 Jahren engagiert sich der St. Galler Markus Enz für den freiwilligen Bettendienst im Kantonsspital St. Gallen. Dieser ermöglicht Patientinnen und Patienten den Besuch des Gottesdienstes in der Spitalkapelle. Aktuell werden dringend mehr Freiwillige gesucht.
Kurz nach 9 Uhr sind die Vorbereitungen in vollem Gang: Einige Freiwillige stecken in der Spitalkapelle des Kantonsspitals St. Gallen Verlängerungskabel ein. Dort sollen später jene Patientinnen und Patienten während des Gottesdienstes einen Platz bekommen, deren Infusionsgeräte beispielsweise Strom benötigen. Draussen vor der Kapelle im 1. Stock des Hauses 21 teilt Spitalseelsorger Sepp Koller weitere Freiwillige in Gruppen ein. Sie werden in der nächsten Stunde zu zweit 25 Patientinnen und Patienten in den verschiedenen Häusern des Spitals abholen und sie im Bett, im Rollstuhl oder zu Fuss durch das unterirdische Verbindungssystem bis zur Spitalkapelle transportieren und begleiten. Nebst Mitgliedern der Pfarrei Wittenbach sowie der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Wittenbach helfen an diesem Sonntag einige Jugendliche aus Gossau mit, die den Einsatz im Rahmen eines Sozialprojektes leisten.

Nur noch halb so viele helfen
Dann geht es los. Mit dabei ist auch Markus Enz, der sich seit 30 Jahren für den freiwilligen Bettendienst im Kantonsspital engagiert. Seit 2008 koordiniert er zudem die Einsätze aller Gruppen der Stadt St. Gallen. Aktuell sind es elf Gruppen wie etwa die soziale Männerbewegung St. Fiden, zu der Markus Enz gehört, oder Gruppen, die sich in den Pfarreien zusammengeschlossen haben. Jede Gruppe hat fünf bis sechs Einsätze im Jahr. «Nun stehen wir aber vor dem Problem, dass wir immer weniger sind und es schwierig ist, neue Personen zu finden, die sich freiwillig für diesen Dienst engagieren», sagt Markus Enz, während er mit dem Lift hinunter ins UG fährt, wo sich auch der Zugang zu den unterirdischen Verbindungsgängen befindet. Vor einigen Jahren waren es noch rund 300 Personen die mithalfen. Heute sind es noch 140. «Werden es noch weniger, können wir diesen Freiwilligendienst nicht mehr stemmen», sagt der 63-Jährige.

Vom Glauben begleitet
Markus Enz hält in der Hand eine orange Karte mit verschiedenen Infos wie Name, Haus- und Zimmernummer des Patienten, den er heute abholen wird. Es geht ins Haus Nr. 1 zu Ferdinand Hutter. Der 66-Jährige hat eine neue Niere bekommen und besucht den Gottesdienst in der Spitalkapelle an diesem Sonntag mit seiner Frau und seiner Tochter. «Diese Freiwilligenarbeit ist sensationell. Ich schätz es sehr, dass mir jemand auf diese Weise ermöglicht, den Gottesdienst besuchen zu können. Ich bin gerne in der Kapelle und der Glaube begleitet mich mein Leben lang», sagt er. Auch seine Tochter Cornelia Hutter erzählt, wie wichtig dieser Gottesdienst vielen Patientinnen und Patienten ist. Sie selbst arbeitet als Pflegefachfrau auf der Palliativ-Station und betont, dass im Spital ohne die Freiwilligen niemand Zeit hätte, so viele Patienten und Patientinnen zur Kapelle zu begleiten.

Freundschaft und Dank
Dann ist es Zeit, sich auf den Weg zur Kapelle zu machen. Vom Zimmer aus geht es mit dem Lift wieder ins UG und unterirdisch zurück ins Haus Nr. 21. In der Kapelle haben sich bereits einige Patientinnen und Patienten eingefunden. Ferdinand Hutters Bett ist neben einer der Steckdosen platziert. Seine Frau und seine Tochter haben sich mit Stühlen direkt neben ihn gesetzt. Die freiwilligen Helferinnen und Helfer verlassen derweil die Kapelle und versammeln sich draussen, um noch etwas zu reden. Andere feiern den Gottesdienst mit. «In all den Jahren, in denen ich mich für den Bettendienst engagiere, sind viele Freundschaften entstanden», sagt Markus Enz. Das und die Dankbarkeit, die man seitens der Patientinnen und Patienten erhalte, sei der Lohn, den man für seinen Einsatz erhalte. Er sagt: «Vor allem aber wäre unsere Gesellschaft ohne all das freiwillige Engagement um einiges ärmer.»
Einsätze am Sonntag
Die Spitalseelsorge am Kantonsspital St. Gallen findet kaum genügend Freiwillige, die am Sonntag die Patientinnen und Patienten zum Gottesdienst begleiten. Dieser wird abwechselnd katholisch, evangelisch, manchmal ökumenisch gestaltet. In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Freiwilligen stark abgenommen. Es werden deshalb zusätzliche Begleitpersonen für den Sonntagsgottesdienst gesucht. Diese treffen sich jeweils um 9 Uhr bei der Spitalkapelle. Bis 10 Uhr werden die Patientinnen und Patienten abgeholt. Nach dem Gottesdienst werden sie wieder in ihr Zimmer gebracht.
Text: Nina Rudnicki
Bilder: Ana Kontoulis
Veröffentlichung: 30.12.2022