Ein Weltgebetstag zum Thema Palästina? Die Toggenburger Seelsorgerin Leila Liebenberg hat im Westjordanland ihren Bildungsurlaub verbracht und miterlebt, wie nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel eine Kontroverse um die ökumenische Frauenbewegung entstanden ist.
Als alle Flüge ausser jene der israelischen Fluggesellschaften gestrichen wurden, wusste Leila Liebenberg, dass eine Heimreise in die Schweiz schwierig werden würde. Acht Wochen wollte die Toggenburger Seelsorgerin für ihren Bildungsurlaub eigentlich im Westjordanland bleiben. Doch dann kam es am 7. Oktober 2023 zum Terrorangriff der Hamas auf Israel. «Ich buchte drei Flüge, die aber alle gecancelt wurden», sagt sie. Schliesslich klappte die Heimreise mit einem Tag Zwischenhalt über Athen. «Freunde und Familie waren erleichtert. Ein weiterer Grund auszureisen war für mich aber auch, dass ich meine Arbeit im Flüchtlingslager Askar nicht fortsetzen konnte», sagt sie. Sämtliche Schulen und Läden im Gebiet der Grossstadt Nablus seien wegen Streiks während der militärischen Reaktion Israels geschlossen gewesen. Eigentlich hätte sie mit den Kindergartenkindern das ABC lernen und mit den Frauen Sport machen sollen.

Ausflüge zum Sama Nablus sowie Unterricht in einem Kindergarten: Das gehörte zum Alltag der Toggenburger Seelsorgerin Leila Liebenberg während ihres Bildungsurlaubs im Westjordanland.
Kontroverse um Friedensgebet ausgelöst
Während ihres Aufenthaltes hatte sich Leila Liebenberg zudem auf den Weltgebetstag (WGT) vom 1. März 2024 vorbereitet, der dieses Jahr von christlichen Palästinenserinnen gestaltet wird. «Zunächst habe ich gar nicht realisiert, dass ein Weltgebetstag zum Thema Palästina eine Kon-troverse auslösen könnte», sagt Leila Liebenberg, die Teil des WGT-Regionalteams St. Gallen-Appenzell ist. Dieses unterstützt die Pfarreien bei der Umsetzung des Weltgebetstages. So gehören zur Gottesdienstgestaltung etwa Berichte und Fürbitten palästinensischer Frauen sowie palästinensische Lieder. Ist das angesichts der aktuellen Situation im Nahen Osten angemessen und geht solidarisches Beten ohne Partei zu ergreifen überhaupt? Diese Fragen beschäftigen den Weltgebetstag als Organisation derzeit (siehe Kasten).
Spontanes Friedensgebet
Auch in der Ostschweiz gibt es Pfarreien, die das Thema Palästina nicht aufnehmen und sich spontan für ein allgemeines Friedensgebet entschieden haben. «Einerseits finde ich das unglaublich schade. Andererseits verstehe ich, dass die Pfarreien nicht in der Kritik stehen möchten», sagt Leila Liebenberg. Wie sensibel das Thema angegangen werden muss, lässt sich auch aus dem Januarbrief des Weltgebetstagskomitees Schweiz entnehmen. Dieses weist unter anderem darauf hin, dass nicht nur die Anliegen der Frauen in Palästina im Mittelpunkt stehen sollen, sondern auch jene der jüdischen Frauen nicht vergessen werden dürften. Zudem hat das palästinensische Komitee zugesagt, die Liturgie und Gottesdienstbeiträge anzupassen.
Situation der Frauen bekannt machen
«Wie geht es den Frauen im Westjordanland und wie ist die Situation der wenigen Christinnen vor Ort?» Aber auch: Wie schaffen wir es, niemanden vor den Kopf zu stossen?» Als Leila Liebenberg im Januar an der Weltgebetstag-Einführungstagung zur Liturgie aus Palästina von ihren Erfahrungen erzählte, waren das die drängendsten Fragen der Anwesenden. «Der Bildungsstand ist hoch, aber es gibt praktisch keine Jobs. Es gibt alle Lebensmittel, aber sie sind sehr teuer. Frauen werden nicht per se unterdrückt, aber es gibt Gewalt innerhalb der Familien», fasst sie die Situation zusammen. Der Weltgebetstag beinhaltet für sie auch den Versuch, die Situation der Frauen vor Ort bekannt zu machen. Und er ist für sie ein Stück Heimat, gerade in diesem Jahr. Leila Liebenbergs Vater ist arabischer Israeli, der einst sein Land verliess, um in Deutschland zu studieren.
Von der Aktualität überschattet Den Weltgebetstag der Frauen am 1. März 2024 haben in diesem Jahr Palästinenserinnen vorbereitet. Doch seit dem Angriff der Hamas auf Israel im vergangenen Oktober wird die Organisation mit Antisemitismusvorwürfen konfrontiert. In Deutschland wurde deshalb die Weitergabe der Liturgie aus Palästina an die Basis gemäss kath.ch gestoppt. Das Schweizer Komitee verzichtet hingegen auf diesen Schritt. Es setzt auf Ergänzungen und Änderungen von Seiten des palästinensischen Komitee.
Text: Nina Rudnicki
Bilder: zVg.
Veröffentlichung: 20. Februar 2024